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KunstperformanceEine Badewanne voll Zucker vor der Apostelnkirche

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Ein Bad in Zuckerkristallen: Die Performerin Asa Astardóttir ist begehrtes Fotomotiv der Passanten an der Apostelnkirche.

Ein Bad in Zuckerkristallen: Die Performerin Asa Astardóttir ist begehrtes Fotomotiv der Passanten an der Apostelnkirche.

Köln – Zum Auftakt läuten die Glocken von St. Aposteln. Laut und majestätisch. Das gehört nicht zur Performance von Angie Hiesl und Roland Kaiser, macht sich aber gut so mitten in der City. Kunst und Kirche. Köln halt.

Kinder laufen zwischen Hunderten von Zuckerpackungen auf dem Platz umher, die Erwachsene bleiben erst mal am Rand stehen oder haben sich im Café einen Platz in der ersten Reihe gesichert. So wie Armin Kröning, „seit 20 Jahren Hiesl-Fan“ und mit dem Fahrrad aus Leverkusen angeradelt. Er findet es toll, dass das Kölner Künstlerpaar das „Tabu gebrochen hat, Menschen auszustellen“. Er erinnert sich besonders an das Zwillings-Projekt, eine damalige Teilnehmerin ist ebenfalls zum Kirchplatz an St. Aposteln gekommen und hat Angie Hiesl ein kleines Geschenk mitgebracht. „Was mit Zucker.“

Die Künstler thematisieren die Ausgrenzung von Menschen

„Fat Facts“ thematisiert auf fast spielerische Weise das Dicksein, die Ausgrenzung von Menschen, die nach Einschätzung einiger ein bisschen zu viel auf die Waage bringen, nicht dem Idealbild entsprechen. Am Apostelnkloster füllt sich eine Frau lustvoll eine Badewanne mit Zucker, ein andere räkelt sich wohlig auf einem Zuckerberg und strickt, ein Mann dirigiert auf einem kleinen Spielfeld ein unsichtbares Basketballteam: „Die Dribblerin bestimmt das Tempo.“ Alle drei sind moppelig, selbstbewusst – und sinnlich.

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„Mit Lebensmitteln spielt man nicht“, belehrt ein kleines Mädchen seine Mutter angesichts der süßen Fracht, die das Organisationsteam jeden Abend wieder einsammelt und am nächsten Abend neu aufstellt. Als kurz vor Beginn der Performance zwei Musiker vom Balkan zum Akkordeon greifen, schunkeln die Helfer.

Zuschauer sind irritiert über die Kunstperformance

Wer die Sprüche aus den Lautsprechern am Boden verstehen will, muss sich schon bücken, und hört dann in Endlosschleife „Fette Kuh“ und „Immerhin hat sie ein hübsches Gesicht“. Ähnliche Kommentare gibt’s auch live: „Die Olle dahinten strickt was mit Absperrband. Meine Bekannte sagt, das sei Kunst“, sagt ein gut gebräunter Tourist mit süddeutschem Akzent.

Drei Besucher aus Paris können sich nicht recht anfreunden mit dem Geschehen auf dem Kirchplatz. „Das ist ein Luxus-Problem“, sagt der Mann, doch seine weibliche Begleitung weist ihn darauf hin, wie viele Magersüchtige sie bei ihren regelmäßigen Besuchen im Schwimmbad sehen, die andere Seite von „Fat Facts“.

Es geht bei der Performance auch um Konsum

Eine Passantin wendet sich direkt an Angie Hiesl: „Ich verstehe das nicht.“ Die Performancekünstlerin erläutert ihr, dass es „hier auch um Konsum geht“, doch selbst nach einem längeren Gespräch bleibt die Beobachterin skeptisch. Der „Basketballtrainer“ hat sein unsichtbares Team verabschiedet und erzählt von seinem Werdegang als Dicker, während die Zuckerstreuerin noch lustvoll in der Wanne planscht.

Steven Horter hat Feierabend. Die Servicekraft im Café gehört inzwischen fast zum Hiesl-Team. Nach der ersten Performance hat sich Horter lange mit Hiesl und Kaiser unterhalten, hat sich einen Stapel Flyer bereit gelegt und erläutert nun geduldig seinen Gästen, was es mit dem Spektakel auf sich hat. Ein Extra-Service. Interpretieren solle aber jeder für sich. Was ihn befremdet: „Einige regen sich über die Verschwendung von Lebensmitteln auf.“ Er sieht das gelassener, ihn berührt mehr eine alte Frau, die häufig vorbei kommt und in den Mülltonnen wühlt. Der steckt er regelmäßig Geld zu.

Fat Facts, Urbanes Installations- und Performance-Projekt von Angie Hiesl und Roland Kaiser; Samstag, 13. Mai, 18 Uhr, Apostelnplatz.

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