KVBKöln ist nach Berlin die Stadt mit den meisten Straßenbahnunfällen

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Schnell rüber: Das ist die Perspektive des KVB-Fahrers Wolfgang Sattel auf der Fahrt zwischen Neumarkt und Weiden-West.

Schnell rüber: Das ist die Perspektive des KVB-Fahrers Wolfgang Sattel auf der Fahrt zwischen Neumarkt und Weiden-West.

  • Ein Städtevergleich ist nur sehr bedingt möglich, aber in einer Stadt mit einem getrennten U-Bahn und Straßenbahn-Netz ist die Gesamtzahl der Unfälle deutlich geringer als bei Mischsystemen wie in Köln.
  • Bei den Getöteten und Schwerverletzten haben Fußgänger den größten Anteil.

Köln – Auszug aus dem Protokoll der Leitstelle der Kölner Verkehrs-Betriebe: Donnerstag, 12. Mai, 8.59 Uhr, Haltestelle Wolfssohnstraße: Eine Jugendliche (16) mit Kopfhörern und Smartphone überquert bei Rotlicht den Überweg, wird von einer Linie 3 Richtung Ollenhauerring erfasst und leicht verletzt. Mittwoch, 11. Mai, 7.05 Uhr, Haltestelle Herler Straße: Ein 39-Jähriger wird bei Rotlicht auf dem Überweg von einer Linie 18 nach Thielenbruch erfasst und getötet. Montag, 9. Mai, 16.33 Uhr, Barbarossaplatz: Ein Radfahrer kreuzt bei Rotlicht den Überweg, kollidiert mit der Linie 16 Richtung Wesseling, wird leicht verletzt. Montag, 9. Mai, 16.11 Uhr, Aachener Weiher: Eine junge Frau kreuzt bei Rotlicht den neuen Überweg, übersieht eine Bahn der Linie 7 Richtung Frechen, wird verletzt ins Krankenhaus gebracht.

In den vergangenen fünf Jahren (2010 bis 2015) kam es bei der KVB zu 30 Unfällen mit tödlichem Ausgang, bei denen in aller Regel Fußgänger, Radfahrer oder Autofahrer durch ihr Fehlverhalten die Schuld trugen. Ob diese Zahl im bundesweiten Vergleich besonders hoch ist, lässt sich nur schwer beurteilen. Die Unfallforschung der Versicherer (UDV) hat bei der Universität Weimar eine Studie in Auftrag gegeben, in der alle Unfälle mit Straßenbahnen in 58 deutschen Großstädten in den Jahren 2009 bis 2011 untersucht wurden. Danach liegt Köln mit 277 Unfällen, bei denen zehn Menschen getötet, 84 schwer und 183 leicht verletzt wurden, auf Platz zwei nach Berlin vor Düsseldorf und Frankfurt/Main. Insgesamt kamen in Deutschland bei 3650 Unfällen 93 Menschen ums Leben, 864 erlitten schwere, 2693 leichte Verletzungen.

„Ein Städtevergleich ist aber nur sehr bedingt möglich“, sagt Siegfried Brockmann, Leiter der UDV. Die Unfallzahlen seien abhängig von der Länge des Streckennetzes und der Art des Stadtbahnsystems. In einer Stadt mit einem getrennten U-Bahn und Straßenbahn-Netz ist die Gesamtzahl der Unfälle bezogen auf die gefahrenen Kilometer deutlich geringer als bei Mischsystemen wie in Köln.

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Für die Versicherer sind Straßenbahnunfälle von besonderer Bedeutung, weil ihre Zahl entgegen dem allgemeinen Trend stagniert und die Unfallfolgen besonders heftig sind. Bezogen auf die gefahrenen Kilometer sei die Straßenbahn ein „vergleichsweise unsicheres Verkehrsmittel“, heißt es in der Studie. Das gilt nicht für die beförderten Personen. Das Risiko, Opfer eines Stadtbahnunfalls zu werden, liegt im Vergleich zum Auto nur bei 20 Prozent.

Fußgänger missachten häufig die Regeln

Die Ergebnisse der Unfallanalyse war für die Forscher wenig überraschend: Bei den Getöteten und Schwerverletzten haben Fußgänger den größten Anteil, die meisten Unfälle mit Passanten ereignen sich an den Knotenpunkten. Fahrgäste in der Straßenbahn und Autofahrer kommen bei Kollisionen in der Regel mit leichten Verletzungen davon. Die Untersuchung belegt auch, was die vier Unfälle von Köln in dieser Woche gezeigt haben. Nur in 15,7 Prozent aller Unfälle trifft den Straßenbahnfahrer die Schuld, ein Drittel sind Alleinunfälle ohne Beteiligung Dritter.

Fußgänger sind besonders an Bahnübergängen gefährdet, weil sie häufig die Verkehrsregeln missachten. Und die Analyse macht auch deutlich, warum Köln in der Unfallstatistik so schlecht abschneidet. 48 Prozent aller Unfälle mit Toten oder Schwerverletzten ereigneten sich an Knotenpunkt mit Ampeln, weitere 23 Prozent an Kreuzungen mit Vorfahrtregelungen, weitere sieben Prozent auf drei- bis vierspurigen Straßen, bei denen die Stadtbahn in der Mitte auf einem eigenen Gleiskörper unterwegs ist.

Die Liste der Verbesserungsvorschläge ist lang und in Städten wie Köln nur schwer umzusetzen: Sie beginnt bei durchgehenden Grünphasen für Fußgänger und besseren Querungsmöglichkeiten für Radfahrer. Vor allem viel genutzte Haltestellen müssten besser und von mehreren Seiten erreichbar sein. Die Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen (Stuva) in Köln hat ein bundesweites Forschungsprojekt in Auftrag gegeben, bei denen es um die Sicherheit an Bahnübergängen gehen soll. Die Ergebnisse sollen 2017 vorliegen. Ob die Lichtleisten, die in Köln derzeit getestet werden, erfolgversprechend sind, sei noch nicht abschließend geklärt, so ein Stuva-Sprecher.

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