Leihhaus Köln-SüdWenn der Verkauf von persönlichen Dingen der letzte Ausweg ist

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Mitarbeiter Klaus Müller bedient seine Kunden hinter einer schusssicheren Glasscheibe.

Mitarbeiter Klaus Müller bedient seine Kunden hinter einer schusssicheren Glasscheibe.

Innenstadt – In diesen Tagen schiebt Mitarbeiter Klaus Müller seinen Kunden kleine Schokoladen-Nikoläuse durch den schmalen Schlitz unter der schusssicheren Glaswand. Ausnahmsweise nicht nur Geld- oder Pfandscheine. Die Schokolade ist das Einzige, was im Leihhaus Köln-Süd an Weihnachten erinnert. Festlich mag es woanders zugehen. Hier, am Karolingerring 7, in Kölns jüngstem Pfandleihhaus, gegründet 2011, ist Weihnachten weit weg.

Irgendjemand steht an diesem Nachmittag immer in dem kleinen, hellen Raum vor der Panzerglasabtrennung. Auf dem Foto an der Wand träumt Audrey Hepburn in ihrer Filmrolle als Holly Golightly von Tiffany-Juwelen. Darunter hoffen Menschen auf das Ende ihrer finanziellen Engpässe – indem sie ihre Habseligkeiten verpfänden. Arno gelingt es seit Jahren, das „Fest der Liebe“ zu verdrängen. Da können auch kleine Schokoladen-Nikoläuse nichts dran ändern. „Wenn man an dem Ganzen nicht mehr teilnimmt, kann man das ausblenden.“

Kredit für einen Montblanc-Kugelschreiber

Es ist erst Anfang Dezember und Arno, der tatsächlich einen anderen Namen trägt, hat noch 118 Euro auf dem Konto und 20 Euro in der Geldbörse. Das muss reichen im Dezember. 21 Euro hat Arno gerade für die Verlängerung des Kredits für seinen Montblanc-Kugelschreibers ausgegeben. Für das wertvolle Schreibutensil, das er sich anschaffte, als er noch erfolgreicher Arzt war und nicht „aus allem rausgerissen“, hat Arno vor weit mehr als einem Jahr 100 Euro im Leihhaus-Süd bekommen.

Wer seinen Gegenstand irgendwann wieder nach Hause nehmen will, muss ihn nach spätestens fünf Monaten auslösen oder das Darlehen verlängern – gegen Zinsen und Gebühren natürlich. Zahlt der Eigentümer nicht, muss er sich nach Ablauf der Frist von seinem Gegenstand trennen. Nicht mehr abgeholte oder verlängerte Ringe, Ketten, Handys oder Laptops, die im Leihhaus Köln-Süd einmal für bare Münze eingetauscht wurden, werden versteigert.

„Die sind total in Ordnung hier“

Arno hat seinen Füller schon zum dritten Mal verlängert. Die Gebühren dafür nähern sich allmählich dem 100-Euro-Darlehen an, das er so dringend brauchte. Aber beschweren will er sich nicht über das Leihhaus Köln-Süd: „Die sind total in Ordnung hier.“ Sechs Wochen vor Ablauf der Fristen gebe es eine schriftliche Benachrichtigung. Das sei fair und durchaus nicht üblich. Die Sitten in anderen Leihhäusern seien rauer.

Arno war mal athletisch und wohlhabend. Nun ist er blass und chronisch knapp bei Kasse. Bisher hatte der 44-Jährige noch nie so viel Geld übrig, um den Montblanc wieder einzulösen. „Wenn man 100 Euro hat, fallen einem 100 Sachen ein, die man nötiger braucht.“ Lebensmittel kaufen zum Beispiel. Aber endgültig trennen kann sich Arno auch nicht von dem Gegenstand aus seinem alten Leben.

Früher spielte Geld für Arno keine Rolle

Dass er einmal auf ein Pfandleihhaus angewiesen sein würde, war nicht abzusehen. Früher spielte Geld für Arno keine Rolle. Er war in der Facharzt-Ausbildung und hatte Jahre als Honorar-Arzt hinter sich, als bei ihm eine seltene Auto-Immunkrankheit diagnostiziert wurde. Seitdem ist er arbeitsunfähig und muss mit 1.100 Euro im Monat zurechtkommen.

Nach Abzug aller laufenden Kosten blieben ihm 200 Euro zum Leben, sagt er. Früher lebte er mit seiner Frau und seinen drei Kindern zusammen, verdiente als Mediziner zeitweilig fünfstellig im Monat, machte Urlaub auf Kuba. Vorbei. „Es ist erbärmlich, wenn man sich nichts mehr leisten kann.“

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