AuktionshausMutter Gottes für 15 000 Euro

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Versteigerung im Auktionshaus Hüll, Berrenrather Str. 201

Versteigerung im Auktionshaus Hüll, Berrenrather Str. 201

Sülz – Dr. Hüll steht neben einer holzwurmdurchlöcherten Maria mit Jesuskind und sagt: „Die Mutter Gottes kann richtig was bringen.“ Mit 3200 Euro wird die Gottesmutter übermorgen in die Auktion gehen. „Aber die wird ganz sicher hochgehen.“

Dr. Norbert Hüll ist ein kantiger Mann mit feinem Geschäftssinn, sonst hätte sich sein Auktionshaus an der Berrenrather Straße nicht so lange halten können. Er wirkt jovial, kann weltmännisch reden, wissend, witzig und auch etwas schroffer, je nach Erfordernis. Er hat Kunstgeschichte studiert und promoviert, sein Auktionshaus hieß bei der Gründung Dr. Hüll und Bischoff, 1992 stieg sein Partner aus, seitdem heißt es Dr. Hüll. Nach Sülz ist er nicht wegen der eher wohlhabenden Menschen hier gegangen, „damals war Sülz noch eher kleinbürgerlich. Das Ladenlokal war einfach frei“.

Sechs Auktionen pro Jahr

Am Tag vor der Versteigerung ist es voll in Hülls Haus an der Berrenrather Straße 138. Männer in alten Cordsakkos und Frauen mit feinem Lidstrich stehen vor den Gemälden, Marienfiguren und Kommoden, schreiben die Losnummern auf, fragen Hüll nach Herkunft und Preisen. Ständig klingelt das Telefon, meist rufen Interessenten an, die sich über die Auktionsobjekte genauer informieren wollen. Im Gewusel bleibt Hüll ein freundlicher Fels.

Vier Auktionen für Kunst und Antiquitäten veranstaltet der 60-Jährige pro Jahr, dazu zwei für antike und alte Teppiche. Das reicht, um übers Jahr zu kommen. 851 Gegenstände werden in den nächsten zwei Tagen versteigert. Bücher, Grafiken, Porzellan und Skulpturen, Schmuck, Möbel und Gemälde, viele Gegenstände bringen wenig, wenige wie die Muttergottes viel.

Kleinvieh macht auch Mist

Hüll, geboren, aufgewachsen und lebhaft in Lindenthal, verdient sein Geld nach der Kleinvieh-macht-auch-Mist-Methode. Ein antiker Alexander Kopf, der für 200 000 Euro wegging, oder ein Gemälde, das von 30 000 auf 100 000 Euro hochgesteigert wurde, sind die Ausnahme. Die richtig wertvollen Sachen kommen eher bei Lempertz oder Van Ham unter den Hammer. Das Geschäft funktioniert so: Mit seinen Kunden – Privatleuten, Nachlassverwaltern, Stiftungen, Händlern, Museen oder Städten – vereinbart Hüll ein Mindestlimit für die Objekte, die versteigert werden sollen. Auf die Zuschlagsumme erhebt er ein Aufgeld von 21 Prozent inklusive Mehrwertsteuer. Im Auktionshausvergleich ist das eher wenig.

Das Internet habe das Geschäft aufwändiger und globaler gemacht, sagt Hüll. Jedes Objekt muss im Netz mit Bild, Beschreibung und Mindestgebot katalogisiert werden. Schlechter geworden ist der Auktionshandel nicht.

Grafiken und alte Möbel

In bald 30 Jahren haben sich viele Kontakte ergeben, „einige, die irgendwann etwas bei mir ersteigert haben, wollen es jetzt wieder loswerden“. Was gut laufe und was nicht, entscheide die Mode. Für einen Eichenschrank von 1800 hätte man vor 30 Jahren noch 20 000 Mark bekommen, bei der Auktion wird er für 700 Euro weggehen. „Alte Möbel kauft Ihre Generation nicht mehr“, sagt Hüll.

Bei der Auktion ist die Fraktion der Unter-Vierzig-Jährigen an einer Hand abzuzählen. Es riecht nach Pommes, Parfum, Pomade und kalter Zigarette, die Mischung passt ein bisschen zu den Typen. „Ich würde Ihnen nie sagen, was ich hier ersteigern will“, sagt ein Mann mit mächtigem Schnäuzer, „Grafiken“, nur so viel. Ob er sicher sei, dass die angebotenen Dali-Grafiken echt seien? „Da kann keiner sicher sein, das geht nach Gefühl. Kann doch keiner überprüfen.“

Hitler unterm Hammer

Die Auktion läuft schleppend an, „Schiller, sämtliche Werke von 1827, für 75 Euro“, sagt Hüll, keiner bietet mehr, zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten, er klopft auf den Tisch, die Faust ist ihm Hammer genug. „Adolf Hitler, Mein Kampf, ohne Limit“, geht für 40 Euro weg, ein bisschen höher geht es bei Meyer’s Konversationslexikon von 1863, Höchstgebot 50 Euro – bei 300 fällt Hülls Faust. Bevor Zeichnungen von Gustav Klimt versteigert werden, bietet Hüll „Adolf Hitler: Bilder aus dem Leben des Führers“ an, Tonlage wie bei Schiller und Klimt, bei 40 Euro geht die Faust nieder. Es ist wohl erlaubt, die Hitler-Bücher zu versteigern, ob es auch in Ordnung sei? „Mensch, das ist 70 Jahre her, sollen doch alle lesen, was der Spinner geschrieben hat“, wird Hüll in der Woche nach der Auktion sagen, „wer will, bekommt es doch eh im Internet.“

Geld verdient Hüll mit Hitler nicht, mit der Muttergottes schon. Die holzwurmgeschädigte Maria, sie soll 700 Jahre alt sein und aus dem Rheinland stammen, wird auf 15 000 Euro hochgeboten, bevor Hüll abklopft. Auch ein Kruzifix aus Elfenbein bringt mit 6200 Euro viel ein, eine heilige Barbara aus Nadelholz, der die rechte Hand fehlt, geht für 5000 weg. Die Krone der Heiligen ist ab, die Fassung verloren – dem Bieter ist’s egal, Dr. Hüll natürlich auch. 700 von 851 hat er nach zwei Tagen versteigert, die Quote stimmt.

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