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Dürener StraßeTraditionsgeschäfte haben es schwer

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Lindenthal – Die schlechte Nachricht kam per Post, als Schreiben vom Anwalt. Der neue Hauseigentümer kündigte Sandra Kohnen das Ladenlokal, in dem sie ihr Kindermodegeschäft Mücke betrieb. Der alte Mietvertrag erfülle das Schriftformerfordernis nicht hinreichend, sei also nicht korrekt unterzeichnet, so die Begründung.

Der Vermieter, der namentlich nicht genannt werden möchte, bot ihr zwar einen neuen Vertrag an, jedoch mit der Bitte, erneut über den Mietzins zu verhandeln. Filialisten großer Ketten hätten ihm für das 52 Quadratmeter große Ladenlokal einen Mietpreis von 2500 Euro kalt angeboten statt 1300 Euro, wie bislang. Kohnen war geschockt. „Ich konnte einfach nicht mehr Miete bezahlen, eher 400 Euro weniger“, erzählt sie.

Die Geschäftsfrau beschloss, den kleinen Laden, den sie einst von ihrer Mutter übernommen hatte, zu schließen. Nach 44 Jahren hat es die Mücke dahingerafft. „Räumungsverkauf“ prangt es seitdem in großen Lettern auf dem Schaufenster, nur wenige Meter entfernt von einem anderen Laden mit der gleichen Aufschrift.

Einige leere Lokale auf der Straße

30 Jahre lang gehörte das Damenmodegeschäft Pitti Donna fest zum Angebot in Lindenthal. Nun hat das Inhaberehepaar die Pforten geschlossen – nicht nur aus Altersgründen. „Der Umsatz ist dramatisch zurückgegangen“, schildert Michael Korbmacher. Die Kunden seien ausgeblieben. Auch an der einen oder anderen Stelle der Einkaufsmeile steht ein Ladenlokal leer.

Jörg Hamel vom Handelsverband Köln, Aachen, Düren überrascht das nicht. „Die Situation des Einzelhandels ist durch den Strukturwandel hin zur immer stärkeren Digitalisierung geprägt“, erklärt er. „Die Menschen kaufen immer mehr online. An den Einkaufsstraßen sinkt die Kundenfrequenz.“ Das sei auch in anderen Stadtteilen und Städten ein Problem.

Die Kölner Innenstadt profitierte noch vom Tourismus, aber Lindenthal leide wie alle anderen Stadtteile unter dem Frequenzverlust. „Es ist ein schleichender Prozess“, sagt Hamel. „Die Einnahmen werden weniger und irgendwann ist die Miete, die zu einer wirtschaftlich günstigeren Zeit bezahlbar war, zu teuer.“ Die Händler seien aber oft an langfristige Mietverträge gebunden.

Vergleichsweise günstiger Standort für Geschäfte

Wer an der Dürener Straße sein Geschäft betreibe, habe allerdings noch einen vergleichsweise günstigen Standort erwischt. Das Viertel habe mit dem Ring Lindenthaler Geschäftsleute eine der stärksten Werbegemeinschaften der Stadt. „Die machen eine Menge und versuchen seit vielen Jahren mehr Besucher auf die Dürener Straße zu locken“, lobt Hamel.

So sieht der Vorsitzende der Gemeinschaft, Henning Moeller, die Lage der Händler dort auch eher optimistisch: „Wenn hier ein Ladenlokal leer steht, wird es recht schnell wieder vermietet und glücklicherweise sind die meisten Läden für eine Filiale großer Ketten zu klein. Wir haben immer noch einen großen Branchenmix.“ Natürlich würden gerade die Modegeschäfte unter dem Internet und seinem 24-Stunden-Angebot leiden. Die Inhaber benötigten ein vernünftiges Konzept, mehr Service und eine kluge Sortimentspolitik. Er sehe das aber auch positiv: „Dadurch, dass wir besser sein müssen als das Internet, werden wir attraktiver für den Kunden.“

Udo Wagner, Inhaber des Kinderschuhgeschäfts Cosimo weiß, wie wichtig auf dem schwierigen Markt die richtige Strategie ist: „Wir Einzelhändler sind überflüssig geworden, jedenfalls für die Kunden, denen nicht an dem Einkaufserlebnis gelegen ist“, urteilt er. „Das Internet hat einen großen Anteil daran.“

Online-Shops sind starke Konkurrenz

Früher haben die Kunden sich beeilen müssen, um Anfang der Saison in einem Geschäft noch die passenden Modelle zu ergattern. Heute können Kunden bei uns kaufen, müssen es aber nicht.“ Die Händler müssten sich Dinge einfallen lassen, die das Einkaufen in ihren Geschäften attraktiv macht.

Wagner bietet Service, vermisst die Füße und die Länge der Schuhinnensohlen, damit Eltern ganz sicher sein können, dass der Schuh ihrem Nachwuchs auch passt. Er gibt Rabatte für treue und verteilt Geschenke an kleine Kunden. Das reiche aber nicht, sagt Wagner. „Wir müssen stets auf neue Trends achten und uns bei der Produktauswahl danach richten. Durch das Internet ist die Auswahl riesengroß.“ Eigentlich müsse man an mehreren Stellen ansetzen, um die Situation der Geschäftsleute zu verbessern, so Wagner. „ Hersteller müssten sich mehr auf ihre Kunden, die Geschäftsleute einstellen und ihnen anbieten, auch zwischendurch und kleinere Mengen bestellen zu können, statt nur zweimal im Jahr sehr große Mengen“, sagt Wagner. Und manchem Vermieter sei noch nicht so bewusst geworden, wie schwierig es ist, die Miete an der Dürener Straße zu erwirtschaften.

Vermieter wolle keine Filialisten

Der Eigentümer des Ladenlokals, in dem der Kindermodeladen Mücke zu Hause war, hatte sich nicht gewünscht, dass Sandra Kohnen ihr Geschäft aufgibt. „Wir hätten über den Mietpreis doch verhandeln können“, betont er. „Wenn Frau Kohnen mir gesagt hätte, sie könne nicht mehr zahlen als bisher, hätte sie das erst einmal gekonnt.“

Er wolle gar nicht an Filialisten vermieten. „Sie machen die Straße kaputt“, kritisiert er. Um zu verhindern, dass sie sich an der Dürener Straße breit machen, müssten Vermieter zur Not von dem anvisierten Mietzins herunter gehen. Er habe Interessenten für seinen Laden gefunden, die ihn mieten möchten. Aller Voraussicht nach würde ein Vertrag zu den Konditionen abgeschlossen, die mit denen vergleichbar sind, unter denen auch Sandra Kohnen das Lokal gemietet hätte. Eventuell vermiete er an eine junge Geschäftsfrau mit einem innovativen Konzept. Sie will einen Kindermodeladen eröffnen.

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