Marsiliusstrasse in SülzKölner Politiker beklagen Verschwendung

Lesezeit 4 Minuten
Eine Eigenheimidylle soll im Hinterhof an der Marsiliusstraße entstehen.

Eine Eigenheimidylle soll im Hinterhof an der Marsiliusstraße entstehen.

Sülz – An der Marsiliusstraße 19 a und b, mitten in Sülz, prallen mit einem Bauprojekt Vergangenheit und Gegenwart zusammen, zwei verschiedene Welten: Im Hinterhof der schmalen vorgartenlosen Straßenzüge, wo vor 70 Jahren noch Arbeiter in beengten Verhältnissen wohnten, entstehen Eigenheime mit Terrasse und Garten. Unter dem Titel „Sülz Mittendrin“ errichtet die Firma Areal Grundstücks- und Bauträgergesellschaft mbH auf dem Gelände, wo ehemals der Sülzer Waisenhauszögling und Millionär Ferdi Schmitt Karosserien zusammenschraubte, zwölf Doppelhaushälften mit Terrasse und kleinem Garten. Zwischen 115 und 140 Quadratmeter Wohnfläche sind die Doppelhaushälften groß, verteilt auf drei bis vier Zimmer nebst Küche und Bad. 480000 Euro bis 603000 Euro soll ein Doppelhaus kosten. Dazu kommt noch eine weitere monatliche Zinszahlung, denn auf dem Grundstück lastet eine Erbpacht. Unter den Eigentumshäusern sollen 27 Tiefgaragenplätze gebaut werden.

Die Vorstadtidylle im Hinterhof gefällt allerdings nicht jedem: „Diese Siedlung passt überhaupt nicht in das ehemalige Arbeiterviertel Sülz, das ja noch seinen Charme bewahrt hat“, sagt Roland Schüler (Grüne), stellvertretender Bezirksbürgermeister von Lindenthal. Es handele sich um ein relativ großes Gelände im Hinterhof. Da hätte man einfach ein wenig Abstand zu der vorhandenen Bebauung nehmen und höher bauen können. Dort hätte man Wohnraum für mehr Menschen, vielleicht auch mit Loftcharakter schaffen können, so wie in anderen Sülzer Hinterhöfen. „Wir sind hier nicht in einem Vorort“, so Schüler. Und auch Lisa Steinmann, Sülzerin und Landtagsabgeordnete der SPD, wundert sich: „Wie kann die Stadt beim derzeitigen Wohnungsbedarf so ein Vorhaben zulassen?“

Dass der Investor keine mehrstöckigen Gebäude baut, hat allerdings einen Grund: Sie dürfen dort nicht errichtet werden. Der Bebauungsplan sieht für den Bereich eine Bebauung mit der Maximalhöhe von 4,50 Meter vor. Das Bauaufsichtsamt hat ausnahmsweise eine Bauhöhe von sechs Metern genehmigt. Das entspricht der Höhe eines anderthalbstöckigen Gebäudes.

Der Geschäftsführer der Firma Areal, Andreas Pougin, kennt den Grund für die Beschränkungen der Bauhöhe: „In den Hinterhöfen des Geländes gab es seit den 60er-Jahren vor allem Kleingewerbe. Die Maximalhöhe im Bebauungsplan entspricht der maximalen Hallenhöhe. An diese Vorgabe sind wir auch mit einer neuen Bebauung gebunden.“ Wenn dort beispielsweise ein vierstöckiges Gebäude entstehen würde, sei das auch für die Bewohner der umliegenden Häuser weniger schön, argumentiert Pougin „Wir haben uns bei der Planung viele Gedanken gemacht. Das ist für alle Beteiligten die perfekte Architektur, weil sie sich optimal in das Gesamtgelände inklusive der sonstigen Bebauung einfügt.“ Die Frage sei, ob man sich für Masse oder für Klasse entscheide. Je höher man baue, desto dichter wirke das Gelände, und das sei unpassend für den Innenbereich. „Wir halten uns aber letztendlich nur an das Baurecht.“

Änderungsantrag käme viel zu spät

Letzteres bestätigt auch Angela Thiemann, Leiterin des Bauaufsichtsamts: „Das Grundstück liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der hier eine entsprechende Wandhöhe festsetzt. Daran ist die Bauaufsicht im Genehmigungsverfahren gebunden.“ Natürlich können auch Bebauungspläne geändert werden. „Ein Änderungsverfahren kann aber grundsätzlich nur für die Zukunft Wirkung entfalten. Das sei Aufgabe des Stadtplanungsamtes.“ Das sieht im Bereich der Marsiliusstraße jedoch keinen Bedarf für eine solche Änderung. „Der Bebauungsplan stammt aus dem Jahre 1993 und wurde aufgestellt, um eine geordnete städtebauliche Entwicklung sicher zu stellen“; sagt Hans-Martin Wolff, stellvertretender Leiter des Stadtplanungsamts. „Das ist an dieser Stelle auch gelungen.“ Deshalb sei eine Änderung des Bebauungsplans nicht erforderlich. Einen solchen Antrag könnten davon unabhängig auch die Lindenthaler Politiker stellen. „Letztendlich entscheidet darüber aber der Stadtentwicklungsausschuss“, so Wolff.

Im vorliegenden Fall käme der Änderungsantrag für eine höhere Bebauung mit mehr Wohnraum viel zu spät. Das Vorhaben der Areal ist längst genehmigt und hat begonnen. Die Bezirkspolitiker bedauern aber, nicht rechtzeitig über das Projekt informiert worden zu sein. Immerhin handelt es sich um ein 2400 Quadratmeter großes Areal mitten in Sülz. „Es wäre gut gewesen, uns über das Projekt in Kenntnis zu setzen“, sagt Schüler. „Wir hätten dann vorschlagen können, den Bebauungsplan zu ändern. Es wäre ja auch nicht zum Nachteil des Investors gewesen, wenn er dort mehrstöckig bauen kann“, so Schüler.

Auch Friedhelm Hilgers, Fraktionsvorsitzender der SPD in der Bezirksvertretung, ist mit dem Bauprojekt im Herzen von Sülz nicht glücklich. „Wir hätten uns gefreut, wenn dort mehr Wohneinheiten entstehen“, sagt er. „Das sollte uns eine Lehre für die Zukunft sein. Wir möchten die Verwaltung auffordern, uns über solche Vorhaben in Kenntnis zu setzen, damit wir gegebenenfalls erreichen können, dass der öffentliche Raum günstiger genutzt wird.“

www.areal.de/ak.wi.suelzmittendrin_impressum.php

KStA abonnieren