Mein Veedel mit Tanja SzewczenkoDie Weltklasse-Eisläuferin zeigt ihr Widdersdorf

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Eine kurze Rast am Aspelkreuz, das zum Jakobsweg gehört – Tanja Szewczenko genießt ihr Leben im Kölner Westen.

Eine kurze Rast am Aspelkreuz, das zum Jakobsweg gehört – Tanja Szewczenko genießt ihr Leben im Kölner Westen.

Widdersdorf – Wenn Tanja Szewczenko durch Widdersdorf spaziert, dann hat sie es nicht eilig. Sie marschiert nicht, sie bummelt, sie nimmt sich Zeit. Gerade so, als genieße die frühere Weltklasse-Eiskunstläuferin und heutige Schauspielerin jeden ihrer Schritte ganz bewusst.

Ob sie schon immer so gelassen war? „Das ist lustig“, antwortet sie, „das höre ich in jüngster Zeit öfter. Ich glaube, das liegt daran, dass ich mich angekommen fühle im Leben, insbesondere seit wir unsere Tochter haben, seit wir eine Familie sind. Und wer weiß“, meint sie und lacht, „vielleicht liegt es ja ganz einfach auch an Widdersdorf. Wir fühlen uns hier wirklich sehr wohl.“

2013 ist der Eisfloh, wie Szewczenko in der Eiskunstlaufszene hieß, mit ihrem Mann Norman Jeschke und Tochter Jona in den Kölner Westen gezogen. Als Pioniere, wenn man so will.

Treffpunkt Einkaufszentrum mitten in „Prima Colonia“

„Wir wollten nie in ein Neubaugebiet“, sagt Szewczenko. Und dann sicherten sie sich doch ihr Baugrundstück in Widdersdorf-Süd, dem mit 80 Hektar damals größten privaten Wohnungsbauvorhaben Deutschlands. Zum Vergleich: Ein Fußballfeld ist etwa einen Hektar groß. „Als wir herzogen“, erinnert sich die gebürtige Düsseldorferin, „da waren ringsum  Bagger da, die neue Keller ausgehoben oder neue Straßen angelegt haben. Da waren Gärtner, die Bäume gepflanzt haben. Und da war noch freies Feld, auf dem manchmal ein Zirkus gastiert hat.“

Mit der Videokamera hat sie einmal festgehalten,  wie die Zirkuskamele vor ihrem Grundstück grasten. „Klar, wir hatten lange Dreck und Matsch und Schotter. Aber wann kannst du das deinem Kind schon mal bieten? Jona hat das geliebt“, weiß die Mutter noch genau. „Wir haben uns oft gemeinsam die Matschhosen angezogen und sind miteinander durch die Pfützen gesprungen. Das gehört doch zur Kindheit dazu.“

Tanja Szewczenko

Dreimal ist sie deutsche Meisterin im Eiskunstlauf geworden, sie gewann Bronze bei Europa- und Weltmeisterschaften: Tanja Szewczenko. Verletzungen zwangen die gebürtige Düsseldorferin zum Karrierewechsel, heute ist sie eine der Hauptdarstellerinnen in der RTL-Seifenoper „Alles was zählt“.

Mit ihrer Familie lebt sie in Widdersdorf. Vom heutigen Dienstag an ist Tanja Szewczenko wöchentlich um 20.15 Uhr in der Vox-Sportler-Doku „Ewige Helden“ zu sehen.  

Szewczenko schlendert die Allee Unter Linden entlang, die Hauptstraße von Prima Colonia, wie die Verantwortlichen des Bauträgers Amand die neue Siedlung getauft haben. „Prima Colonia als Ausdruck eines Lebensgefühls, Leben auf gut Kölsch“, wirbt Geschäftsführer Jörg Wieck bis heute in einem Imagefilm auf der Homepage zur Siedlung.

Die Familie verlässt das Veedel kaum - „Wir haben hier alles“

Tanja Szewczenkos Blick schweift über Prima Colonia.

Tanja Szewczenkos Blick schweift über Prima Colonia.

Die Schauspielerin betritt das Café der Bäckerei Voosen am Ärztehaus Zur Abtei. Das Vormittagspublikum hat sich verteilt im lichtdurchfluteten Raum, ein Herr mit Zeitung sitzt am großen Holztisch vor dem Fenster, sein überdurchschnittlich großer schwarzer Riesenschnauzer hat sich neben ihm in die Sonne gelegt, zwei Damen plauschen überm Cappuccino auf der Eckbank. „Hier kehre ich gerne ein auf einen Kaffee“, erzählt Szewczenko, als sie die grüne Daunenjacke und den grauen Wollschal abstreift. „Ich find’s gemütlich hier.“

Überhaupt verlasse die Familie ihr Veedel kaum mehr. „Ich weiß gar nicht, wann wir zuletzt in der Stadt waren“, überlegt sie, „die brauchen wir gar nicht mehr. Wir haben hier alles.“ Gleich ums Eck sei das Einkaufszentrum mit Drogerie und Discounter, aber auch mit dem Supermarkt, der ein regelrechter Dorfmarkt sei. „Da trifft man alle Nachbarn und die anderen Mütter aus dem Kindergarten“, weiß die 39-Jährige. Die Ballettschule für die Tochter sei ebenfalls zu Fuß sehr gut zu erreichen. Nur zum Schwimmkurs, da müssten sie ins benachbarte Lövenich hinüberfahren.

Ferdi Ceylan berät Tanja Szewczenko an der Obst-Theke im Edeka-Markt.

Ferdi Ceylan berät Tanja Szewczenko an der Obst-Theke im Edeka-Markt.

Aber selbst zum sechsten Geburtstag der Tochter will die Familie im Ort bleiben. „Jona hat Karneval Geburtstag und sie freut sich schon seit Monaten darauf“, verrät Szewczenko. Sechs Jahre alt zu werden, das bedeute, endlich zu den Großen zu gehören, vom Sommer an die Schule zu besuchen. Und um das gebührend zu feiern, hat die Familie einen Raum im „Gut in Widdersdorf“ gemietet, dem Mehr-Generationen-Wohngenossenschaftsprojekt Unter Linden. „Da feiern viele Familien“, hat Szewczenko schon miterlebt, „die haben da einen Spielplatz im Innenhof, die Kinder können toben. Was braucht man mehr?“ Na gut, ein familientaugliches Restaurant im Veedel, das wäre noch schön. Aber sonst? Scheint sie ihr Paradies gefunden zu haben.

Nach Ehrenfeld entschied sich die Familie für das Veedel Widdersdorf

Vielleicht fühlt sie sich ja auch deshalb so wohl, weil sie im Stadtteil von Beginn an Wurzeln geschlagen hat. Von 2002 bis 2009 hatte sie schon einmal in Köln gelebt, in Ehrenfeld, bevor sie mit ihrem Mann nach Dortmund zog, weil Norman Jeschke überlegte, dort als Trainer anzufangen. Auch er ist in seiner ersten Karriere Eiskunstläufer gewesen. Allerdings entschied er sich – wie seine Lebensgefährtin – gegen die Trainerlaufbahn, Szewczenko ist Schauspielerin geworden und vor allem bekannt für ihre Hauptrolle in der RTL-Seifenoper „Alles was zählt“, die in Ossendorf gedreht wird.  

Jeschke arbeitet als Bauberater in Frechen, verkauft Häuser. Und als sich Tochter Jona ankündigte, überlegten ihre Eltern: Wo wollen wir hin? Sie entschieden sich für Widdersdorf, weil ihnen das familienfreundlich erschien.

Und egal, ob auf der Allee Unter Linden, ob am Aspelkreuz oder im Rosmarinweg: Überall im Viertel schieben Frauen Kinderwagen umher. Beim Spaziergang fallen diverse Schmusetücher oder kleine Kuscheltiere auf, die Finder gut sichtbar in den immergrünen Hecken deponiert haben – Spielzeug, das aus den Buggys geflogen ist,  spätestens vorm Zubettgehen aber wieder eingefordert wird. Laut und ausdauernd.

Vom Parkplatz am Kölner Golfclub aus haben Szewczenko und ihr Mann im Jahr 2012 regelmäßig beobachtet, wie ihr Veedel, wie ihr Zuhause entstand. „Wir sind hergefahren“, sagt sie, „und dann haben wir geschaut: Was hat sich verändert? Wo ist das nächste Geschoss gebaut?“

Das Klackern der Golfbälle und Szewczenkos Lieblingsplätze

Golfer schieben ihre Trolleys über das Grün.

Golfer schieben ihre Trolleys über das Grün.

Sie haben beobachtet, wie die Reihenhäuser, die Doppelhaushälften, die Stadtvillen und die Mehrfamilienhäuser wuchsen. Wie die Feldfläche verschwand.

„Ich habe mir immer vorgestellt, was das für eine Situation gewesen sein muss, als hier der Grund und Boden verkauft worden ist“, sagt der  Fernsehstar am Rand des Golfplatzes, der zu Widdersdorf-Süd gehört. Hinter der bunt bemalten Lärmschutzmauer auf der einen Seite ist das Rauschen des Verkehrs auf der A1 zu hören, auf der anderen Seite des Wegs klackern die Golfbälle der Spieler. Die Bälle verteilen sich  auf dem Übungsbereich, der Driving Range,  wie Gänseblümchen übers Grün.

„Das meiste hat Landwirten gehört, die über Generationen die Felder bestellt haben. Und dann kommt da eines Tages einer“, malt Szewczenko sich die Szene aus, „klingelt an deiner Tür, sagt, guten Tag, ich biete Ihnen ein paar Millionen für Ihr Grundstück. Ich glaube, ich hätte im ersten Moment an die Versteckte Kamera gedacht!“ Szewczenko lacht und schüttelt das blonde Haar, dass die Strähnchen  in der Sonne blitzen.

Sie läuft vom Golfplatz aus den Aspelweg entlang in Richtung Spielplatz („ein Dreh- und Angelpunkt im Viertel, mit Möglichkeiten zum Klettern, Fußballspielen und Picknicken“) bis hin zum Aspelkreuz. „Das ist hier ein Pilgerweg“, weiß Szewczenko. Es  handelt sich um eine Etappe des Jakobswegs, die zur Abtei Brauweiler führt. Von hier aus sind es  noch 2004 Kilometer  Pilgerstrecke bis  nach Santiago de Compostela. Dafür wird sich Tanja Szewczenko keine Zeit nehmen. „Wir nutzen den Weg lieber als Skate- und Radfahrstrecke, hier fahren keine Autos, das ist ideal“, sagt sie. Oder fürs Spazieren. Ohne Eile. So, wie sie es mag.

Tanja Szewczenkos Lieblingsplätze

Auf einen Cappuccino setzt sich Tanja Szewczenko gern ins Café der Bäckerei Voosen, Zur Abtei 35. Auf dem Spielplatz am Aspelweg schaukelt sie auch selbst: „Wir erlauben es uns, mit unserer Tochter Kind zu sein“, erzählt sie – und schaukelt nicht bloß aus, sie springt lieber ab.

Im Restaurant Köln 11 im Golfclub am Freimersdorfer Weg 43 kehrt die frühere Weltklassesportlerin schon mal ein und genießt den Blick über Widdersdorf.

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