SattlerinEine der Letzten ihrer Zunft

Lesezeit 3 Minuten
Ina May ist eine der letzten Sattlerinnen und Täschnerinnen weit und breit.

Ina May ist eine der letzten Sattlerinnen und Täschnerinnen weit und breit.

Klettenberg – Als sie vor 32 Jahren anfing, war sie die erste Frau in dieser Männerdomäne. Inzwischen ist Ina May eine der letzten Sattlerinnen und Täschnerinnen weit und breit. Es gibt in Köln zwar auch andere, die sich auf die Sattelherstellung oder das Anfertigen von Taschen verstehen. Aber einen weiblich geführten Meisterbetrieb – noch dazu einen, der derart viele Bereiche abdeckt – suchte man in dieser Stadt bisher vergebens.

Es ist erst wenige Wochen her, dass die 49-Jährige ihren Tätigkeitsbereich von Hürth nach Klettenberg verlegte, nahe dem Weisshaus-Kino ihr Geschäft mit integrierter Werkstatt bezog und dort nun Taschen repariert und herstellt, Gürtel, Halfter, Leinen und sogar Stühle mit Ledersitzfläche und Lehne fertigt.

An Zufälle glaubt sie nicht

Sattlerei- und Täschnerei Meisterbetrieb Ina May: Luxemburger Straße 247 in 50939 Köln-Klettenberg. Telefon: 0221/99 02 99 07. Öffnungszeiten dienstags, mittwochs und donnerstags 10 bis 18, samstags 10 bis 13 Uhr. Vor Weihnachten ist die Täschnerin stundenweise auch freitags im Geschäft.

Wenn die gebürtige Hannoveranerin erzählt, fällt oft das Wort „Zufall“, woran sie im Grunde jedoch selber nicht glaubt. Vielmehr betrachtet sie vieles als Schicksal und Glück. Möglicherweise war es das schon damals, als das pferdevernarrte Mädchen feststellte, dass es ihr zur Ausübung ihres Berufswunsches als Pferdewirtin eindeutig am erforderlichen Reittalent mangelte. Als wenig später der Sattler fragte, ob sie denn schon eine Ausbildungsstelle habe, kam es Ina May jedenfalls wie ein Wink mit dem Zaunpfahl vor.

Ihr alter Lehrmeister habe viel verlangt und keine Rücksicht darauf genommen, dass sie ein Mädchen war. Als kaum 17-jähriger Teenager lernte sie, wie man Stallhalfter näht und Kutschen ausstattet. An der Art, wie May das „siebzehnfach gefaltete Leder“ betont, merkt man, wie viel Kraft sie für ihre Ausbildung benötigte.

Glücklich ist aus heutiger Sicht auch der Umstand, dass May bei jedem ihrer insgesamt sieben Stellenwechsel ein anderes Metier kennenlernte. Der eine Betrieb war auf die Fertigung von Hundesportartikeln, der nächste auf die Reparatur von Koffern spezialisiert, was May so gut machte, dass sogar ein Museum in Hannover Stücke von ihr restaurieren ließ.

„Star-Wars“-Laden umgebaut

Durch ihre Anstellung bei einem Reisegepäck-Hersteller im Sauerland lernte sie weitere Arbeitsbereiche kennen – ebenso wie beim Lederwarenhersteller Bree, in dessen Reparaturabteilung sie tätig war. Als – inzwischen in Köln gelandet – der Wunsch nach Selbstständigkeit größer wurde, stellte sich „wieder einer dieser komischen Zufälle“ ein: Sie erhielt einen Anruf von den Erben des lange in Köln-Sürth ansässigen Täschners Willi Hanf – ob sie das Inventar des 2011 verstorbenen Mannes kaufen wolle. Mit den beiden Nähmaschinen und der übrigen Sattler-Ausstattung, hatte sie nun alles, um sich auf eigene Beine zu stellen.

Inzwischen deutet nichts mehr darauf hin, dass das in Beerentönen gestrichene Ladenlokal mit dem schönen, rötlichen Steinboden jahrelang eine Verkaufsstelle für Star-Wars-Figuren war. May und ihr Mann benötigten kiloweise Spachtelmasse, um das heruntergekommene Ladenlokal in Schuss zu bringen. Wenn die Täschnerin nun morgens die Tür aufschließt, denkt sie jedes Mal voller Freude: „Das ist jetzt meins!“

KStA abonnieren