Live-Stream aus Kölner RatssaalRats-TV „erinnert an Opas Kino – zum Einschlafen“

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Blick von der Zuschauertribüne in den Ratssaal (Symbolbild)

Blick von der Zuschauertribüne in den Ratssaal (Symbolbild)

Köln – Am Anfang habe der ein oder andere „ein leichtes Unwohlsein und eine gewisse Kamerascheu verspürt“, erinnert sich ein erfahrener Ratspolitiker. Die ehrenamtlichen Volksvertreter waren es nun einmal nicht gewohnt, während einer Rede für Live-Übertragungen im Internet gefilmt zu werden. Doch die Besorgnis, vor den Augen der Öffentlichkeit ein unvorteilhaftes Bild abzugeben, ist längst verflogen – denn so gut wie niemand schaut zu.

Während der Ratssitzung im vergangenen Monat starteten gerade einmal 294 Bürgerinnen und Bürger den Live-Stream auf der städtischen Homepage. Als im Juni der Haushalt beschlossen wurde, in den Augen der Fraktionen die wichtigste Abstimmung des Jahres, wurden sogar nur 155 Besuche gezählt. Durchschnittliche Verweildauer: drei Minuten und 26 Sekunden. Mit einer Reihe von Verbesserungen hoffen die Politiker, aus dem Quotentief zu kommen.

Stream gibt es seit drei Jahren

Seit drei Jahren bietet Köln den Stream an. Lebendig wirkt die Übertragung aus dem Ratssaal allerdings nicht, die starre Position der beiden Kameras lässt kaum Abwechslung zu. Eine ist auf das Rednerpult gerichtet, das andere Objektiv auf Oberbürgermeisterin Henriette Reker als Leiterin der Versammlung. Nahaufnahmen sind nicht vorgesehen, Schwenks in die Reihen der Politiker und auf die Zuschauertribüne sind aus Gründen des Datenschutzes untersagt.

Alles zum Thema Henriette Reker

„Was den Bürgern derzeit geboten wird, erinnert an Opas Kino – zum Einschlafen“, sagt FDP-Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite.Von seiner Partei stammte der Antrag, die Sitzung im Internet zu übertragen. Es gehe darum, das „allgemeine Interesse an der kommunalen Selbstverwaltung“ zu fördern, heißt es in dem Ratsbeschluss aus dem Jahr 2013. „Der Bürger wird befähigt, das Verhalten der Fraktionen und der Ratsmitglieder zu bewerten und hieraus die politischen Konsequenzen zu ziehen.“

Geister-TV kostet jährlich 23.000 Euro

Die Stadt lässt sich ihr Geister-TV jährlich 23.000 Euro kosten. In seiner bevorstehenden Sitzung am 20. Dezember soll der Rat entscheiden, ob weiteres Geld investiert wird. Die Verwaltung sieht mehrere Möglichkeiten zur Verbesserung, darunter eine „attraktive Bildführung“, Untertitel, einen Gebärdendolmetscher und eine Echtzeit-Benachrichtigung mittels Twitter, welcher Tagesordnungspunkt als nächstes aufgerufen wird.

Denkbar sei zudem, die Übertragungen auf Youtube zu veröffentlichen und somit für einen längeren Zeitraum nutzbar zu machen. Derzeit lassen sich die Bilder nicht archivieren. Nicht zuletzt deshalb, weil die Amateur-Politiker befürchten, im Internet durch unfreiwillig komische Auftritte blamiert zu werden.

Das Rechtsamt hat Verständnis für derlei Einwände: „Wenn eine Aufzeichnung über einen gewissen Zeitraum im Internet verfügbar ist, könnten Nutzer sie kopieren und zu einem späteren Zeitpunkt an anderer Stelle im Internet abrufbar machen.“ Ohnehin sei die Aufzeichnung einer Ratssitzung ausschließlich mit „Einwilligung des betroffenen Personenkreises“ erlaubt.

„Wir wollen mehr Transparenz schaffen“

„Grundsätzlich wollen wir mehr Transparenz schaffen, sagt CDU-Chef Bernd Petelkau, der Vorsitzende des Rechtsausschusses. „Bei einer Optimierung des Live-Streams geht es auch um Persönlichkeitsrechte jedes Einzelnen, deshalb wollen wir das mit breitem Einverständnis klären.“ Trotz des geringen Interesses denkt keine Fraktion daran, die Übertragungen einzustellen.

„Das ist in gewisser Weise ein Erfordernis der Zeit“, findet die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Susana dos Santos Herrmann. „So etwas wird heutzutage einfach erwartet“, bestätigt Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Jörg Frank. „Wir müssen die neuste Technik nutzen“, fordert FDP-Mann Breite, „und bei wichtigen Themen wie dem Ausbau des FC- Gelände über Facebook und Twitter auf unseren Live-Stream hinweisen.“

So machen es andere Städte

Das Streaming-Modell im Stadtrat gibt es unter anderem auch in den Städten Bonn, Düsseldorf und  München. Die Kosten differieren  zwischen 1.600 Euro (Düsseldorf) und 2.500 Euro (München). Ebenso bei den Klickzahlen, die zwischen 100 und 4.000 Aufrufen liegen.

Unterschiedlich wird auch die Datensicherung gehandhabt: Werden die Aufnahmen in Düsseldorf gespeichert und sind öffentlich abrufbar, stehen sie in Bonn schon nach Ende der Ratssitzung nicht mehr zur Verfügung.

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