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Mit Wolf Maahn in DellbrückEin schönes Mittelding

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Auch im schlechten Wetter auf den Straßen Dellbrücks unterwegs: Deutschrocker Wolf Maahn

Auch im schlechten Wetter auf den Straßen Dellbrücks unterwegs: Deutschrocker Wolf Maahn

Dellbrück – Es regnet in Strömen, eigentlich kein Wetter für einen Spaziergang, aber Wolf Maahn wollte sein Veedel unbedingt an einem Donnerstag zeigen, denn Donnerstag ist Markttag in Dellbrück. Und der Markt in Dellbrück ist für Maahn und seine Frau ein Muss.

Der kleine Marktplatz ist voller Pfützen, trotzdem haben die Händler viel zu tun, die meisten Menschen hier wollen nicht flanieren – sie sind Stammkunden, die mit dem Einkaufszettel in der Hand von Stand zu Stand gehen. „Ich habe schon auf Sie gewartet“, sagt Denise und reicht Angelika Maahn den frischen Lachs über die Theke.

Im Sommer Selbstversorger

„Meine Frau achtet auf gesunde Ernährung, sie ist da sehr konsequent. Wir essen wenig Fleisch, zweimal die Woche Fisch, viel Gemüse und Obst“, berichtet Wolf Maahn und bleibt vor einem Gemüsestand stehen. „Im Sommer sind wir autark, wir haben hier in Dellbrück einen großen Garten und essen den ganzen Sommer Salat, Zucchini, Rhabarber, Kohlrabi aus eigenem Anbau – das ist Luxus pur. Es ist ein Zaubergarten, den meine Frau angelegt hat. Da wachsen unglaubliche Dinge.“

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Dellbrück sei ein schönes Mittelding, nicht wirklich Innenstadt, aber auch nicht Provinz, so beschreibt der Musiker den Stadtteil. „Ich bin megaviel in Deutschland auf Tournee, und die Ideen kommen meistens on the road. Aber hier im Veedel werden die dann vertieft. Unterwegs entstehen die ersten zwei Zeilen, die vier anderen später zu Hause, bis der Refrain fertig ist. Musiker brauchen ihren Schutzraum. 30 Minuten Fahrt in die Innenstadt, das ist auch ein wenig Schutz vor zu viel Party.“

Zum frischen Lachs passt Wein, deshalb steuern die Maahns den Ökoweinhandel direkt am Marktplatz an. Der Inhaber ist Moselaner, aber seit 40 Jahren im Rechtsrheinischen verwurzelt. „Nur Wein verkaufen, das reicht heute nicht mehr, seitdem die Discounter den Biowein entdeckt haben. Wir bieten den Laden als Location für Musik und Theater an, für Lesungen und Weinproben. Klassischer Einzelhandel braucht Stammkunden“, sagt der Winzer und klopft dem Idol seiner Jugend auf die Schulter. „Damals war ich im Publikum und er auf der Bühne, jetzt kenne ich ihn persönlich.“

Wir stehen inzwischen auf der Dellbrücker Hauptstraße, auf der es trotz Schmuddelwetters geschäftig zugeht – Menschen, Autos, Fahrräder, Kinderwagen. „Hier pulsiert das Leben, hier gibt es alles, was das Leben lebenswert macht. Dellbrück ist ein Stadtteil, der sich noch vieles bewahrt hat. Aber auch in Dellbrück sind in den letzten Jahren drei oder vier Bäcker einfach verschwunden. Das ist schade. Ich denke, dass wir als Verbraucher dagegen steuern müssen und können, die Dellbrücker sind da eigentlich vorbildlich.“

Maahn bleibt vor einem kleinen Strumpfladen stehen: „So weit es geht, versuche ich das ganze Set hier einzukaufen; meine Mützen, Socken und Unterhosen.“ Wir schlendern weiter, an zahlreichen kleinen Fachgeschäften vorbei und landen vor dem Schmuck-Doktor. „Kann ich nur empfehlen“, sagt der Musiker und zeigt auf seine Halskette, ein in Silber gefasstes Plektron. „Das ist mein Talisman. Ich habe ihn seit acht Jahren, er hat mir schon mehrmals Glück gebracht, vor allem bei Konzerten, als in der Hektik das Plektron plötzlich weg war. Er ist mein ständiger Begleiter, Dinge können auch Freunde sein.“

Wolf Maahn lebt seit 30 Jahren auf der Schäl Sick. Heute kann er meist unerkannt wie jeder andere über die Dellbrücker Hauptstraße spazieren, und er genießt den Salat aus dem eigenen Garten. Das klingt bieder für einen Rockmusiker, der in den 1980er Jahren mit „Fieber“ und „Rosen im Asphalt“ und in den 90er Jahren mit „Direkt ins Blut (Un)plugged“ seine größten Erfolge feierte.

„Wenn ich hier unterwegs bin, fühle ich mich auch als Normalo. Ich habe nicht den Drang, mich als Promi zu geben. Manchmal erkennen mich ein paar Leute, die rufen schon mal „Na, Wolf, wie is et?“ Und mit der Schäl Sick, da habe ich gar keine Probleme. Ich bin in Berlin geboren, in München aufgewachsen, war in Bergisch Gladbach auf dem Gymnasium. Ich bin rechtsrheinisch verwurzelt. Was mir eher Sorge macht, ist die schleichende Tendenz, dass man aus meinem Veedel ein Lindenthal der Schäl Sick machen möchte. Davor graut es mir. Und die ersten Anzeichen gibt es schon: Die Mieten steigen, die Immobilienpreise steigen. Ich wünsche mir so sehr, dass Dellbrück das Erdverbundene, das Normale behält.“

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Das Wetter wird nicht besser, aber Wolf Maahn scheint das nicht zu stören. Er geht immer weiter auf der irgendwie unendlichen Dellbrücker Hauptstraße. „Beim ersten Arsch-Huh-Festival lautete die Ansage: Nur Kölsche Tön! So durfte ich dort leider nicht auftreten. Ich spreche auch nach 40 Jahren Köln kein Kölsch, bin aber ein großer Bläck-Fööss-Fan. Da gibt es ein paar Lieder, bei denen ich ins Träumen komme: „Kaffeebud“, „In unserm Veedel“ oder „Buuredanz“ – einfach genial. Mit Bayrisch wäre ich dabei gewesen.“

Maahn war und ist ein wachsamer, ein politischer Bürger, verfolgt die Weltlage und versucht seit Jahren, durch seine Musik etwas zu transportieren. „Aktuell arbeite ich an einem Lied über ein Schiff, das auf Kurs bleiben muss. Ich denke in diesem Lied über das Kurshalten nach, das meine ich auch gesellschaftspolitisch. In den 80er Jahren, da gab es die beiden Blöcke Ost und West, ganz klare Feindbilder. Heute ist die Situation diffuser. Während der letzten Kögida-Demo haben wir zu Hause das Licht ausgemacht. Es ist egal, wie viele Leute das mitkriegen, aber man hat das Gefühl, man muss etwas tun, weil es einen wütend macht.“

Mitten in der Natur

Der fast 60-jährige wirkt immer noch jugendlich. Er ist schlank, sieht sportlich aus. Und das obwohl er es mit Churchill hält – „No Sports“. „Mir reicht es zu gehen, da vertiefe ich mich in meine Gedanken, ich beobachte, wie sich die Natur verändert. Der Königsforst ist die grüne Lunge des Veedels, aber auch der Thielenbrucher Wald. In München bin ich in einem geteerten Hinterhof groß geworden, der Hausbesitzer wohnte daneben mit einem großen Garten, den wir Kinder nie betreten durften. Aufgewachsen bin ich also ohne Kontakt mit der Natur. Jetzt wohne ich mittendrin.“

Wir haben inzwischen die Bergisch Gladbacher Straße erreicht, Maahn möchte unbedingt noch seinen Lieblingsbioladen und seinen Lieblingsitaliener vorstellen. Im Haus mit der Nummer 968 gibt es seit 30 Jahren die Sonnenblume, ein Bioladen für Insider. Der Besitzer ist Kurde, seine Frau führt einen Mittagstisch mit makrobiotischen Gerichten. „Wir sind keine Fundis“, sagt Maahn, „aber meine Frau ist begeistert von dieser Ernährungsphilosophie, und wir kaufen hier regelmäßig ein.“

Der Spaziergang endet im Restaurant Santoz. An der Theke sitzt Wolfgang Fahrian, der Fußball-Nationaltorwart der 60er Jahre, auch er wohnt in Dellbrück, das Santoz gehört seinem Enkel. Hat der Musiker Maahn doch eine sportliche Affinität? „Nein, nein, alles Zufall. Die Küche ist hier hervorragend, außerdem sympathisiere ich mit zwei Fußballvereinen, dem FC und Fortuna Köln.“

Am Ende kommt dann doch noch ein wenig Kritik auf. „Das Straßenbahn-Museum in Thielenbruch wäre eine wunderbare Konzertlocation, leider wehren sich die Anwohner massiv, das ist ziemlich kleinlich, die Stadt verschenkt eine super Halle für Events, die das Kulturleben hier rechtsrheinisch um einiges bereichern könnte.“

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