NSU-NagelbombeVerwaltungsgericht weist Klage ab

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Abdulla Özkan wurde beim NSU-Nagelbombenanschlag verletzt. Vor dem Verwaltungsgericht scheiterte er mit seiner Forderung nach einer höheren Entschädigung.

Abdulla Özkan wurde beim NSU-Nagelbombenanschlag verletzt. Vor dem Verwaltungsgericht scheiterte er mit seiner Forderung nach einer höheren Entschädigung.

Mülheim – Abdulla Özkan wirkt aufgewühlt, als er den Gerichtssaal verlässt. „Ich kann nicht verstehen, dass man in Deutschland als Opfer so abgeschmettert wird“, sagt der 39-Jährige. Er ist eines der 22 Opfer, die bei dem Nagelbombenanschlag des NSU am 9. Juni 2004 in der Keupstraße verletzt worden waren. Vor dem Verwaltungsgericht Köln klagte er nun  auf eine höhere Entschädigung. Je 13 000 haben die Geschädigten erhalten, Abdulla Özkan  forderte nun  weitere  17 000 Euro, vier weitere Verfahren sollten folgen.

Doch das Gericht wies seine Klage ab. Der Vorsitzende Richter begründete die Entscheidung vor allem damit, dass die Entschädigung eine „freiwillige Sofortleistung“ des Staates gewesen sei. „Es ist letztlich eine Entscheidung der  Politik, ob sie mehr Geld zur Verfügung stellt“, sagte er. Er äußerte trotzdem Verständnis für  den Kläger: „Die Erkenntnis, dass Sie Opfer, und nicht Täter sind, kam spät – das hätte bei der Bemessung der Entschädigungssumme berücksichtigt werden müssen.“

Özkans Anwalt Reinhard Schön sagte: „Wir sprechen hier über das schrecklichste Verbrechen, das in der deutschen Nachkriegsgeschichte begangen wurde.“ Es sei grotesk, das so schematisch abzuhandeln. „Vor allem das Fehlverhalten des Staats muss mit einbezogen werden.“ Er bezeichnete die Haltung der Bundesregierung als „völlig verlogen“.

Vor allem die Tatsache, dass viele Geschäftsleute der Keupstraße sieben Jahre lang nicht wie Opfer behandelt, sondern als Tatverdächtige immer wieder verhört wurden, rechtfertigt seiner Meinung nach eine höhere Entschädigungssumme. „Mein Mandant ist ein gebrochener Mann“, sagte Reinhard Schön. „Er war damals zufällig beim Friseur, als zwei Rechtsradikale eine Bombe zündeten, aber die Behörden haben nur im türkischen und kurdischen Milieu ermittelt – es gab so viele Versäumnisse.“ Die 13 000 Euro könne  man nur als Almosen bezeichnen.

Doch das Gericht tat sich schwer damit, den Aspekt miteinfließen zu lassen, dass die Opfer jahrelang falschen Verdächtigungen ausgesetzt waren – dazu müsse man den Behörden eine Willkür nachweisen. „Aber man kann nicht sagen, dass sie ihre Pflichten verletzt haben“, sagte der Richter. „Als 2011 fest stand, dass das Attentat ein terroristischer Anschlag war, wurden die Opfer sofort entschädigt.“ 

Abdulla Özkan  und die anderen Opfer des Anschlags leiden vor allem unter den psychischen Folgen. Noch heute bekommt er Panik, wenn jemand hinter ihm steht. Als die Nagelbombe vor dem Friseursalon explodierte, stand der er gerade mit dem Rücken zur Tür. Der Elektroinstallateur hat immer noch Schlafstörungen und sehr viel Gewicht zugenommen. Wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung ist er gerade wieder in Kur. „Ich will gesund werden und mit meiner Frau und meinen beiden Kindern alt werden“, sagt er. Ob er weiter für mehr Geld kämpfen wird, weiß er noch nicht. Sein Anwalt sagt: „Wir prüfen, ob wir in die nächste Instanz gehen.“

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