Abo

Fassaden-KunstEmpörung über Suizid-Streetart in Köln-Mülheim

Lesezeit 3 Minuten
Gegenüber dem Norbert-Burger-Seniorenzentrum zeigt das Wandbild einen männlichen Kopf mit übergestülpter Plastiktüte.

Gegenüber dem Norbert-Burger-Seniorenzentrum zeigt das Wandbild einen männlichen Kopf mit übergestülpter Plastiktüte.

Mülheim – Ein großformatiges Wandbild auf einer Fassade in der Dünnwalder Straße im Kölner Stadtteil Mülheim erregt die Gemüter. Der US-amerikanische Maler Axel Void stellt auf ihm einen jungen Mann dar, der Selbstmord begeht. Er hat sich eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt und diese mit einem Strick am Hals zugeschnürt.

Das Bild entstand vor etwa einer Woche im Rahmen des internationalen Straßenkunstfestivals „Cityleaks“, das in diesem Jahr seinen Schwerpunkt in Mülheim hat.

„Ich mag Kunst und gehe gern in Museen“, sagt Gabriele Bauer, eine Mülheimerin, die in der Nachbarschaft wohnt. Aber müsse es ausgerechnet ein Toter sein, noch dazu direkt gegenüber des Seniorenzentrums „Norbert Burger“?

„Endlich passiert etwas in Mülheim“, habe sie gedacht. Doch als das Werk fertig war, sei sie entsetzt gewesen, sagte Bauer. Die Anwohnerin argwöhnt, dass auch ein zweites Wandbild, nur 100 Meter von dem Selbstmörder entfernt, einen Toten darstellt. Hier liegt ein Ägypter, von Fliegen umgeben.

Ähnlich sieht es Michael Ewald, Sozialpädagoge im nahe gelegenen Jugendzentrum Don-Bosco-Club: „Es ist schon ein bisschen makaber mit der Tüte.“ Ob auch das Bild mit dem Ägypter eine Leiche zeige, erschließe sich ihm aber nicht. Auch unter den Bewohnern des Seniorenheims gibt es Unmut über das Bild.

Hauseigentümer ist einverstanden

Das Festival Cityleaks wird vom Verein „artrmx“ ausgerichtet. Vorstand Iren Tonoian ist von der Reaktion aus dem Stadtteil nicht überrascht: „Frau Bauer hat mich angerufen. Ich finde es gut, dass sie sich äußert.“ Allerdings sei es Sinn des Festivals, Themen anzusprechen, die eine Diskussion im öffentlichen Raum erzeugen. Die Menschen mit schönen Bildern zu erheitern, sei dagegen weniger das Ziel. Bisher seien die Reaktionen aber durchweg positiv.

Void beschäftige sich immer mit düsteren Themen. Tonoian: „Seit mehr als einem Jahr widmet er seine Arbeiten dem Suizid.“ Ob das Bild ausgerechnet gegenüber einer Senioreneinrichtung prangen muss, darüber könne man allerdings streiten.

Der Hauseigentümer, an dessen Fassade das Gemälde zu sehen ist,sei mit der Gestaltung einverstanden, sagt Iren Tonoian: „Leider ist er in Urlaub gefahren, bevor Void seinen endgültigen Entwurf fertig hatte.“ Nun wartet sie auf die Reaktion. Wenn der Inhaber der gleichen Meinung sei wie Gabriele Bauer, werde das Bild entfernt.

Erklär-Tafeln geplant

Das zweite umstrittene Wandgemälde stelle laut Tonoian keinen Toten dar: „Vielmehr handelt es sich um einen ägyptischen Muslim, der zu Hause in Trance seine Religion ausübt.“ In der ägyptischen Mythologie sei die Fliege ein lebensbejahendes Symbol. Tonoian kann sich vorstellen, Erklärungstafeln an beiden Werken anzubringen, um den Sinn besser verständlich zu machen.

Das Festival wurde unter anderem vom Kulturamt der Stadt unterstützt. Leiterin Barbara Foerster ist gelassen: „Natürlich haben wir nicht alle Bilder gesehen, doch muss man der künstlerischen Freiheit Raum geben.“ Es sei Kunst im urbanen Umfeld und teils sehr politisch. Foerster: „Ich finde, das sollte man öffentlich diskutieren.“

KStA abonnieren