Mein VeedelMit Bananen-Künstler Thomas Baumgärtel durch Köln-Dellbrück

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Thomas Baumgärtel auf einem seiner Kunstwerke, einer Banane aus Beton, vor seinem Atelier im Industriegebiet Leskan-Park.

Thomas Baumgärtel auf einem seiner Kunstwerke, einer Banane aus Beton, vor seinem Atelier im Industriegebiet Leskan-Park.

Dellbrück – Sein Veedel liegt auf der Schäl Sick, weswegen für einige schon gar nicht in Frage kommt, nur über die Existenz dieses Stadtteils nachzudenken – Dellbrück. So ging es Bananensprayer Thomas Baumgärtel am Anfang auch, verrät er. Viel zu weit weg, viel zu wenig los. „Als ich mir aber die Halle angesehen habe, war ich wirklich begeistert“, sagt der Künstler über sein heutiges Atelier, vor dem wir uns treffen.

So eine schöne Halle, bekomme man nur einmal im Leben. Das war das Argument für Dellbrück und er bereut es bis heute nicht. Seit einem Jahr arbeitet er nun im Industriegebiet Leskan Park und schwärmt über die kreative Atmosphäre dort. „Ich liebe dieses Viertel, weil es wirklich schön ist, dass in der Nachbarschaft etwas passiert. Alle produzieren etwas, das ist für einen Künstler sehr anregend.“ Während er uns das erzählt, bekommen wir erst einmal Kaffee in Tassen mit Bananenmotiven.

Überall ist Kunst

Eigentlich wohnt Baumgärtel im Agnesviertel. „Wenn ich keine Familie hätte, wäre ich nur in Dellbrück.“ Teilweise verbringt er jetzt schon zehn bis zwölf Stunden in der großen hellen Backsteinhalle 20, die um 1910 erbaut wurde, ähnlich wie die anderen auf dem Industriegelände.

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Am Höhenfelder See geht der Künstler gern mit seiner Familie spazieren

Am Höhenfelder See geht der Künstler gern mit seiner Familie spazieren

Dann geht es los. Nur zwei Hallen weiter, durch das rege Treiben auf dem Industriegelände, sind wir an der ersten Station: der Dellbrücker Kletterhalle. „Ich klettere ab und zu mal, und weil es so nah ist, bringe ich meinen Sohn hierher.“ Der sei ganz begeistert von den hohen Wänden und den vielen Griffen. In einem Anfängerkurs lerne er die Grundlagen. Der Fünfjährige ist dort gut aufgehoben, wenn Papa auch mal am Wochenende zwei Stunden arbeiten muss. Die Atmosphäre in der großzügigen, hellen Halle ist freundschaftlich und locker. Für uns klettert Baumgärtel leichtfüßig die Wand hoch. Perfekt, um mal nach der Arbeit abzuschalten. Dann müssen wir aber auch schon weiter, der Künstler hat ein strammes Programm organisiert, er will uns viel zeigen.

Auf dem Weg zu nächsten Station schauen wir noch bei Nachbar Dirk Weis, von Berliner Luft, vorbei. In der Fertigungshalle stehen allerlei metallene Platten, Lüftungsteile und Rahmen herum. „Ist das nicht toll?“, schwärmt Baumgärtel. Das könne man sofort als Installation in die Tate Modern, das weltweit größte Museum für moderne Kunst, stellen. Weil ihn die nebeneinander stehenden Lüftungskanäle so inspirieren, macht er auch direkt ein Foto. Er strahlt, wir stehen etwas ratlos daneben. Bei Weis holt er viele Materialien für seine Kunstwerke. Für seine aktuelle Ausstellung „Heavy metal“ – Baumgärtel kann viel mehr als nur Bananen – hat er eine große Sprühdose gebaut, die noch bis Ende des Monats in der Kölner Galerie „30works“ zu sehen ist.

Benjamin Deißner (l.) kocht im Leskan Bistro

Benjamin Deißner (l.) kocht im Leskan Bistro

Weiter geht es zum Leskan-Bistro, direkt um die Ecke. Beim Eintreten winkt Koch Benjamin Deißner. „Es gibt sehr gutes Essen, immer frisch, viel Auswahl und in schöner Atmosphäre.“ Er lade hierher viele Geschäftskunden ein – und uns eben auch. Auch die Mitarbeiter der umliegenden Firmen essen dort. Man kennt sich. Es ist familiär und gemütlich. Auch Ateliernachbar Harald Klemm kommt zum Mittagessen.

Danach führt uns der Künstler direkt zu seinem nächsten Lieblingsort. Vor der Halle 63 steht ein silberner Mercedes SL aus dem Jahr 1962. Als er uns das Auto präsentiert strahlen seine Augen. Er streicht liebevoll über die geschwungene Motorhaube. „Den habe ich mir ausgeliehen“, freut sich Baumgärtel. Einen eigenen hat er (noch) nicht. Aber ab und zu so ein Schätzchen zu fahren, reiche ihm auch. Der Oldtimer-Verleih Oldie Rent befindet sich auch auf dem Gelände des Leskan-Parks. „Jeden Tag fahren die wunderschönen alten Autos an meinem Atelierfenster vorbei.“ Da ärgere er sich jedes Mal, dass er sein erstes Auto, einen Ford 17 M, wegen eines kaputten Anlassers zum Schrottplatz gegeben hat. „Ich hatte damals mit 18 einfach kein Geld, das reparieren zu lassen.“ Sein Vater fuhr immer einen Opel Admiral. Der sei auf vielen seiner Kinderfotos drauf.

Baumgärtel liebt Oldtimer und leiht sich gern einen.

Baumgärtel liebt Oldtimer und leiht sich gern einen.

Und weil er natürlich auch zeigen will, was sein Leih-Vergnügen so kann, fahren wir mit dem Zweisitzer vom Gelände des Leskan Parks runter. Nach kurzer Fahrt parken wir auf einem Schotterplatz. „Ich zeige euch jetzt einen wunderbaren Ort.“ Um das Geheimnis zu lüften, gehen wir einen verschlungenen Waldweg hinunter, das Rauschen der Straße wird immer leiser. Dann stehen wir vor einem Waldsee, dem Höhenfelder See, auf dem der Wind hektische Wellen schlägt. „Ich bin hier als Student schon immer mit dem Fahrrad hingefahren. Zuerst mit meiner damaligen Freundin, als wir getrennt waren, auch allein.“

Es schwingt ein bisschen Nostalgie mit, beim alterslosen Bananensprayer. Es sei wunderbar zum Spazierengehen und Entspannen. Viele seien zu faul her zu laufen, deswegen sei es auch an schönen Sommertagen immer angenehm leer. Mittlerweile kommt er regelmäßig mit Sohn und Frau, seiner kleinen Familie. „Eigentlich dürfe ich euch das gar nicht verraten, jetzt kommen vermutlich viel mehr Leute“, sagt er lachend. Ländlich und doch mitten in der Großstadt, das ist es, was Dellbrück auszeichnet. Auch der Thurner Hof gehört zu den versteckten Perlen des Viertels.

Ländlich und mitten in der Großstadt: Thurner Hof.

Ländlich und mitten in der Großstadt: Thurner Hof.

Im Grünen, abseits der Hektik ist eine gute Atmosphäre für persönliche Fragen. Ob er schon immer Künstler werden wollte? Nein, nach der Schule wusste er noch nicht, wo es hingehen soll. Zur Kunst kam er im Krankenhaus. „Mein Vater wollte, dass ich Medizin studiere, deswegen habe ich meinen Zivildienst im katholischen Krankenhaus in Rheinberg gemacht.“ Dort habe er eines Tages, als ein Kreuz von der Wand gefallen war, einfach seine Frühstücksbanane drangenagelt, aus einer Laune heraus. Die gekreuzigte Banane hat den Patienten sehr gut, den Nonnen eher weniger gefallen und Baumgärtel auf den richtigen Weg gebracht. „Ich habe sie heute noch und sie ist mein wertvollstes Stück“, erzählt er.

Fürs Sprayen verhaftet

Dann war klar, er will Kunst studieren. „Und weil ich nicht wusste, ob ich da reinkomme, habe ich mich auch für Psychologie beworben.“ Letztendlich hat er beides studiert. Heute, 30 Jahre später, macht er pro Jahr 40 bis 50 Ausstellungen, nicht nur in Deutschland. Der 56-Jährige ist für seine Bananen-Graffiti bekannt geworden, die er an Galerien und Museen hinterlässt. „Ich wollte sprühen, aber mit Methode. Ich bin Wissenschaftler, deswegen habe ich da gesprüht, wo es mir gefällt.“

Auf die Frage, warum er als Künstler in Köln geblieben sei, erwidert Baumgärtel: „Köln ist eine freie, liberale Stadt. Das muss man wirklich hochhalten. Hätte ich in München gesprüht, wäre die Banane nie so groß geworden.“ Das ist keine steile These, die der Künstler einfach aufstellt, sondern eine Tatsache. Als er in der bayrischen Landeshauptstadt eines seiner kleinen Kunstwerke im öffentlichen Raum platzierte, wurde er erwischt und musste er für einen Tag ins Gefängnis. „Aber Graffiti hat ja auch etwas mit Rebellion zu tun“, sagt er. Für die Freiheit der Kunst kämpfe er seit 30 Jahren.

Das beste Nusseis in Dellbrück gibt es bei Eis Panciera.

Das beste Nusseis in Dellbrück gibt es bei Eis Panciera.

Zum Abschluss, und weil Baumgärtel noch eine Runde mit seinem silbernen Flitzer fahren möchte, geht es auf die Dellbrücker Hauptstraße zur Eisdiele Panciera. „Am Nusseis erkennt man, ob eine Eisdiele gut ist.“ Und diese ist gut, findet er. Da stimmen ihm die anderen Kunden zu und schlecken genüsslich ihr Eis. Im Familienbetrieb wird jeder Kunde herzlich begrüßt und eingehend beraten. Ein Ort, an den Baumgärtel sich zurückzieht, wenn er mal eine kreative Pause braucht.

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