NeubauChristuskirche stellt Wohnungen für Kölner Flüchtlinge zur Verfügung

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  • Die Christuskirche am Stadtgarten ruft zu Mieten von bis zu 19,14 Euro pro Quadratmeter (inklusive Nebenkosten) auf.
  • Nun überlässt die Kirche der Stadt zur Unterbringung von Flüchtlingsfamilien fünf der 21 Wohnungen.

Köln – Ein Bauwerk sorgt nicht nur in der Nachbarschaft für heftige Diskussionen. Nach dem Abbau der Gerüste an den Neubauten rund um den alten Turm der Christuskirche am Stadtgarten hat man freien Blick auf die riesige Stahlfassade zwischen den weißen Riegeln für Wohnungen und Büros. Mancher bestaunt die bauliche Umsetzung der Pläne von Kirchengemeinde und Architekten, andere empfinden das Gebäude als viel zu dominanten Fremdkörper im Viertel.

Doch es ist nicht nur die Architektur, die polarisiert. Die evangelische Kirche hat für die neuen Wohnungen in bester Lage stattliche Mieten aufgerufen. Während in anderen beliebten Stadtvierteln Kirchenvertreter vor der Gentrifizierung warnen, weil durch steigende Mieten die Durchmischung verloren gehe, ruft die Christuskirche am Stadtgarten Mieten von bis zu 19,14 Euro pro Quadratmeter (inklusive Nebenkosten) auf. Sozialwohnungen gehörten nicht zum Bauprojekt.

Wohnungen für Flüchtlinge

Nun überlässt die Kirche der Stadt zur Unterbringung von Flüchtlingsfamilien fünf der 21 Wohnungen. Gezahlt wird der übliche Sozialwohnungssatz, die Kirche übernimmt die Differenz zur Nettokaltmiete, mit der sie ursprünglich kalkuliert hatte. „Wir wollten ein Stück Verantwortung übernehmen“, sagt Pfarrer Christoph Rollbühler. Die Familien aus verschiedenen Ländern, darunter zwei behinderte Menschen im Rollstuhl, werden in den nächsten Tagen im Rahmen eines betreuten Wohnprojekts der Stadt einziehen.

Neue Nachbarn: Die Wohn- und Bürogebäude bilden nicht nur einen Kontrast zum alten Kirchturm, sondern auch zu den Gründerzeithäusern der Umgebung.

Neue Nachbarn: Die Wohn- und Bürogebäude bilden nicht nur einen Kontrast zum alten Kirchturm, sondern auch zu den Gründerzeithäusern der Umgebung.

Korrigiert die Gemeinde so Fehler, die die Verantwortlichen vor einigen Jahren möglicherweise gemacht haben? Rollbühler, der damals noch nicht dabei war, verweist auf die Zwänge, in denen man sich befunden habe, als der Neubau beschlossen wurde. Es sei darum gegangen, nicht nur den Standort für die Gemeindearbeit langfristig zu erhalten, sondern auch einen spannenden Ort in der Stadt zu schaffen, so Kirchensprecherin Annette Scholl. „Ein schöner Ort muss finanziert werden.“

Dass die Durchschnittsmieten in beliebten Lagen derart steigen würden, habe man genauso wenig voraussehen können wie die immer noch stabilen Kirchensteuer-Einnahmen, sagt Pfarrer Rollbühler. „Man sah damals sorgenvoll in die Zukunft. Jetzt haben wir eine andere Situation.“

Kredit durch Mieten zurückzahlen

Rund zehn Millionen Euro investiert die Gemeinde in den Um- und Neubau. Der dafür aufgenommene Kredit soll durch die Mieteinnahmen – rund eine halbe Millionen Euro pro Jahr – zurückgezahlt werden. Interne Berechnungen gehen davon aus, dass man nach 35 Jahren schuldenfrei ist. Bis dahin bleibt nur ein kleiner Teil der Einnahmen in der Gemeindekasse. So wollte man sich unabhängig von Kirchensteuer-Einnahmen machen. „Hätte man mit Sozialwohnungen geplant, wäre es ein ganz anderes Projekt geworden“, so Rollbühler.

Heute wäre es für die Kirche deutlich schwerer geworden, ihr Konzept umzusetzen. Nicht nur, weil das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Wohnungsbaupolitik, die soziale Mischung fördert, gewachsen ist. Der Stadtrat hat zudem mit dem so genannten „kooperativen Baulandmodel“ verbindlich festgelegt, dass bei Neubauprojekten ein Drittel der Wohnungen im Rahmen des geförderten Wohnungsbaus errichtet werden muss. Danach hätten am Stadtgarten sogar sieben Wohnungen für finanzschwächere Familien, Studenten oder andere Berechtigte zur Verfügung stehen müssen.

„Es musste sich lohnen“

Das Beispiel illustriert ein grundsätzliches Problem: Mit sozialem Wohnungsbau verdient man deutlich weniger als mit frei finanziertem. Hier erlag sogar die evangelische Kirche dem Reiz eines Anlagemodells, das durch den Wohnungsmangel besonders lukrativ wird. „Der Einnahmewunsch hat die Planungen beeinflusst“, sagt Christian Pahl von der mit der Vermietung beauftragten Antoniter Siedlungsgesellschaft offen. „Es musste sich lohnen.“ Das Wohnungsunternehmen gehört dem evangelischen Stadtkirchenverband. Seine Aufgabe ist eigentlich der soziale Wohnungsbau. Ein Objekt wie das Am Stadtgarten gehört nicht zum üblichen Geschäft. Die Preise, die man dort verlange, orientierten sich am Preisniveau im Viertel, so Pahl.

Die vier Wohnungen, für die man noch Mieter suche, seien die teureren mit bestem Blick auf den Stadtgarten. Für 128 Quadratmeter zahlt man 2450, für eine Einzimmerwohnung mit knapp 58 Quadratmetern 1010 Euro. Zum Vergleich: Für eine geförderte Wohnung kann man nur rund ein Drittel dieser Preise verlangen.

Eröffnung der Kirchenräume verzögert sich erneut

Zwischen den beiden Riegeln mit Wohnungen und Büros ist auch ein neues Kirchenschiff entstanden. Ursprünglich war geplant, nur einen kleinen Andachtsort zu schaffen. Nun ist ein großer Altarraum mit einer 18 Meter hohen Decke entstanden. Die Umplanungen, aber auch Schwierigkeiten beim Bau sorgten für Verzögerungen. Jetzt hat die Gemeinde die für Mai angekündigte Eröffnung erneut verschoben. Sorgfalt gehe vor Schnelligkeit, sagt Pfarrer Christoph Rollbühler. Einige Gewerke bräuchten noch etwas Zeit. Die Eröffnung sei nun für Ende Juni, Anfang Juli geplant.

Die Kirche ist 1894 im Stil der Neugotik gebaut worden. Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde an den alten Turm eine Behelfskirche angebaut. 2008 beschloss die Gemeinde, den sanierungsbedürftigen Bau abzureißen und durch den Neubau zu ersetzen.

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