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Häufige GewaltausschreitungenKölner Rheinboulevard als Bühne für aggressive Besucher

Lesezeit 4 Minuten
Die Polizei geht inzwischen nicht nur am Wochenende immer wieder Streife auf der Ufertreppe.

Die Polizei geht inzwischen nicht nur am Wochenende immer wieder Streife auf der Ufertreppe.

Köln – Der Rheinboulevard in Deutz soll für Köln eine Attraktion und ein Aushängeschild sein. Die Stadt hat 26 Millionen Euro in den Bau investiert, damit Familien, Touristen und Jugendliche dort entspannen und den Blick auf die Altstadt genießen können.

An den vergangenen zwei Wochenenden ist es auf der Rheintreppe allerdings wiederholt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen gekommen. Es zeichnet sich ein negativer Trend ab. Die Polizei zählte im gesamten Jahr 2016 am Rheinboulevard 78 Einsätze – in den ersten drei Monaten dieses Jahres waren es bereits 35.

Die Atmosphäre habe sich laut Augenzeugen geändert

Die Polizei und das städtische Ordnungsamt haben deshalb ihr Personal vor Ort verstärkt und vor allem abends ihre Streifgänge ausgeweitet. „Wir stellen fest, dass sich dort eine Klientel aufhält, von der Gefährdungen für die anderen Besucher ausgehen – das ist eine Fehlentwicklung, der wir entgegentreten müssen“, sagt Ordnungsamtsleiter Engelbert Rummel. Die Stadt plane zudem, auf der Treppe so schnell wie möglich die Verwendung von Shishas zu verbieten, da zurzeit bis zu 50 solcher Wasserpfeifen gleichzeitig geraucht würden. Das sei zum einen für andere Besucher störend und zum anderen hinterlasse es starke Verschmutzungen.

Alles zum Thema Martin Börschel

Auch Augenzeugen bestätigen, dass sich die Atmosphäre am Rheinboulevard in den vergangenen Wochen verändert hat. „Wenn ich abends gemütlich irgendwo sitzen möchte, gehe ich auf keinen Fall dort hin“, sagt Sebastian M., als er von seinen Beobachtungen berichtet. Am vergangenen Freitag kam der 26 Jahre alte Kölner auf dem Weg zum Tanzbrunnen gegen 20 Uhr am Rheinboulevard vorbei. Die Treppe war belegt mit etlichen Gruppen junger Leute, die angetrunken sind und herumpöbeln. „Da war eine richtig aufgeheizte Stimmung“, sagt Sebastian M.. „Ich hatte das Gefühl, dass die Situation jederzeit eskalieren kann.“

Am Freitag prügelten sich 20 Personen nahe der Hollenzollernbrücke

Und so kam es auch: Gegen 22 Uhr geriet ein 17-Jähriger in Streit mit einer Gruppe und bekam einen Faustschlag ab, ein anderer verletzte ihn mit einem Messer. Der Abend des 17-Jährigen endete im Krankenhaus. Ein extremer Fall, der aber keine Ausnahme bleibt. Als Sebastian M. kurz nach Mitternacht wieder auf dem Weg zur Deutzer Freiheit war, bekamen er und seine Freunde mit, wie sich 20 Personen nahe der Hohenzollernbrücke prügelten.

Die Polizei geht zurzeit der Frage nach, was die aggressiven Besucher miteinander verbindet. Erste Erkenntnisse zeigen, dass sich am Rheinboulevard vermehrt junge Erwachsene im Alter von 17 bis 25 Jahren treffen, seit die Temperaturen gestiegen sind. „Viele von ihnen haben einen Migrationshintergrund“, sagt eine Polizeisprecherin.

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ stammen sie vorwiegend aus rechtsrheinischen Stadtteilen wie Kalk und Ostheim. Sie rauchen Shisha, trinken Alkohol – und einige von ihnen begehen Straftaten. Meistens geht es um Körperverletzungen und Drogendelikte.

Die Stimmung am Rheinboulevard ist aggressiv

Einige Jugendliche missbrauchen den Rheinboulevard auch als Bühne. „Der Aufenthalt dort hat offenbar Eventcharakter“, sagt die Polizeisprecherin. „Auseinandersetzungen mit der Polizei scheinen für die Klientel dort einen Unterhaltungswert zu besitzen und führen zu einer Solidarisierung der verschiedenen Gruppen.“

Die Stadt war am vergangenen Wochenende mit Sozialarbeitern vor Ort. „Wir haben geschätzt 1500 Jugendliche angetroffen, die Rheintreppe war komplett gefüllt“, sagt Streetworker Uwe Schärpf. Er verwendet die Begriffe „Event“ und „atemberaubend“, um die Situation zu beschreiben. Er habe die Stimmung zunächst als entspannt empfunden, ab 21 Uhr sei es aggressiver geworden. „Ich vermute, das hing mit der Menge des getrunkenen Alkohols zusammen“, so Schärpf. Die Jugendlichen würden sich in einem Supermarkt mit Getränken versorgen.

Polizisten der Einsatzhundertschaft unterstützen die Kollegen

„Im Gespräch haben wir den Eindruck bekommen, dass die meisten keinen Stress haben wollen“, sagt Schärpf. Da aber viele verschiedene Gruppen aufeinander treffen würden, käme es ab und an zu Konflikten. Die Streetworker wollen in den kommenden Wochen weiter den Dialog suchen und nach geeigneten Kooperationspartnern in der Umgebung suchen.

Polizisten der Einsatzhundertschaft unterstützen am Rheinboulevard inzwischen die Deutzer Wache. Diese Maßnahme scheint am Wochenende aber nur bedingt gegriffen zu haben. Die Beamten erteilten etliche Platzverweise und mussten mehrere Strafanzeigen aufnehmen. Stadt und Polizei arbeiten an einem neuen Konzept.

Wird der Boulevard ein krimineller Brennpunkt?

Die Ratspolitiker reagieren spürbar besorgt auf die jüngsten Vorkommnisse. „Jetzt ist ein konsequentes Einschreiten von Polizei und Ordnungskräften gefragt, die durch gemeinsames Handeln und erhöhte Präsenz für mehr Sicherheit sorgen müssen“, sagt SPD-Fraktionschef Martin Börschel. „Die Polizei muss hier dringend mit aller Härte durchgreifen“, fordert CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau. Der Boulevard dürfe nicht zu einem kriminellen Brennpunkt verkommen.

„Das darf nicht einreißen, jeder muss sich ohne Angst am Rheinboulevard aufhalten können“, so Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Jörg Frank. Linken-Fraktionschef Jörg Detjen fordert ein Konzept für eine verstärkte Sozialarbeit am Rheinboulevard. FDP-Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite will die Streetworker und das Haus des Jugendrechts vermehrt einbeziehen.

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