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AusstellungDer Diktator spielt Tennis

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In einem Scherzartikelgeschäft entdeckte Achim Duchow die Hitler-Maske. Sie wurde zum zentralen Bestandteil zahlreicher Fotos.

In einem Scherzartikelgeschäft entdeckte Achim Duchow die Hitler-Maske. Sie wurde zum zentralen Bestandteil zahlreicher Fotos.

Nippes – Wir schreiben das Jahr 1991. Der Künstler Achim Duchow und der Fotograf Alfred Särchinger halten sich im Rahmen eines Fotoprojektes auf Ibiza auf. Während der arbeitsfreien Zeit durchstreifen die beiden die Insel. Und auf einem dieser Streifzüge passiert es, dass sie in einem kleinen Laden für Scherzartikel Gummimasken von Diktatoren aus aller Welt entdecken. Und was machen Künstler in einer solchen Situation? Sie kaufen sich die Maske vom Schlimmsten aller Diktatoren, von Adolf Hitler.

Der Künstler Achim Duchow wurde 1948 in Otterndorf geboren. Er studierte von 1971 bis 1977 bei Sigmar Polke und Ulrich Rückriem an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. Ausgehend von den Formen der Pop-Art pflegt er in seiner Malerei und seinen Fotoserien sehr unterschiedliche bildnerische Ansätze. Achim Duchow verstarb 1993 im Alter von 45 Jahren an einer Krebserkrankung in Düsseldorf.

Als Deutsche aus der Generation der Nachkriegskinder empfinden sie eine solche Maske gleichermaßen befremdlich wie faszinierend. Denn anders als Briten oder US-Amerikaner haben sie als Deutsche verinnerlicht, dass Scherze über Adolf Hitler eine größtenteils tabuisierte, in jedem Fall aber zwiespältige Angelegenheit sind. Bereits wenige Stunden später hatte sie das Andenken zu allerhand fixen Idee angeregt. Tags darauf entstand die Idee für das kleine Projekt mit dem Titel „ER ist wieder da – wieder hier“, das die beiden Freunde sogleich in die Tat umsetzten.

Duchow schlüpfte dazu in ein edles schwarzes Jackett, streifte die Maske über und sah tatsächlich aus wie Adolf Hitler. Jedenfalls erwecken die Fotografien diesen Anschein, die Särchinger damals vom verkleideten Duchow an unterschiedlichsten Orten in verschiedenen Posen machte. Die Bilder dieser Serie sind jetzt in der Galerie Kunstwerk Nippes erstmals öffentlich ausgestellt.

Kritische Substanz vieler Motive

Was ist zu sehen? Hitler „privat“ beim Spaziergang auf einer Landstraße. Und beim zärtlichen Schnüffeln an einer weißen Blüte? Hitler in einer engen Toilettenkabine beim Hitlergruß. Und zwischen Supermarktregalen mit einer Konservendose in der Hand. Hitler beim Lesen der Bild-Zeitung. Und auf der Stehtribüne in einem verlassenen Sportstadion. Hitler in weißer Kleidung mit einem Tennisschläger. Und Hitler im Liegestuhl zwischen Palmen mit einem Telefonhörer am Ohr. All diese Fotos lösen beim Publikum unterschiedliche Reaktion hervor. Die einen lachen herzerfrischt über die Lächerlichkeit, mit Hitler von Duchow als Maskengestalt inszeniert wird. Nicht wenige Betrachter sind erstaunt über die kritische Substanz vieler Motive. Wieder andere sind sich dagegen nicht sicher, ob die politische Korrektheit solche Rollenspielereien nicht verbietet.

Man muss sich rückblickend ins Bewusstsein rufen, dass diese Fotos nur ein Jahr nach der deutschen Wiedervereinigung entstanden und damals künstlerisch und politisch eine ordentliche Sprengkraft besaßen. Aber nicht deshalb wurden sie damals nicht veröffentlicht. Sondern weil der 1948 geborene Achim Duchow nur ein Jahr später starb, und die Negative in Vergessenheit gerieten. Die hat Alfred Särchinger jetzt wiedergefunden. Und tatsächlich sind die Fotos in ihrer Mischung aus Witz und tieferer Bedeutung so aktuell wie vor 21 Jahren. Zwischen Schuldgefühlen und kritischer Wachsamkeit ist der Umgang mit der historischen Gestalt Adolf Hitlers in der deutschen Gesellschaft seitdem keineswegs entkrampfter geworden. Und gleichzeitig ist der braune Sumpf trotz eines breiten demokratischen Konsenses in Deutschland noch immer weit davon entfernt, restlos ausgetrocknet zu sein.

Galerie Kunstwerk Nippes, Baudristraße 5, geöffnet Do, Fr 15-19, Sa 11-15 Uhr, bis 26.5.

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