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Drama im Kölner ZooTierpflegerin ließ offenbar Tür offen

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Am Samstagnachmittag ist im Kölner Zoo ein Tiger ausgebrochen.

Am Samstagnachmittag ist im Kölner Zoo ein Tiger ausgebrochen.

Köln – Der Tigerangriff auf eine Tierpflegerin im Kölner Zoo ist offenbar auf einen Fehler der getöteten Mitarbeiterin zurückzuführen. „Wir können uns derzeit nicht erklären, warum der erfahrenen Pflegerin ein derart verhängnisvolles Versehen unterlaufen konnte“, sagte Zoodirektor Theo Pagel am Abend. Die 43 Jahre alte Ruth K. arbeitete seit 21 Jahren im Kölner Zoo, die letzten zwölf Jahre war sie Revierpflegerin bei den Raubtieren. Nach Informationen des Express war die Pflegerin bereits im Jahr 2005 bei der Kontrolle des Gepardengeheges von einem Tier angefallen worden Damals habe sie schwere Halsverletzungen erlitten.

Anders als die Polizei zunächst berichtete, spielte sich das tragische Geschehen laut Zooleitung nicht in einem Wirtschaftsgebäude neben dem Gehege ab, sondern im überdachten Tigerstall, der an das Freigehege angrenzt. Offenbar wollte Ruth K. am Vormittag routinemäßig den Unterschlupf reinigen. Zuvor soll sie versäumt haben, den Tiger auszusperren. „Eine Tür, die hätte zu sein sollen, war nicht zu“, sagte Pagel. Und weiter: „Der Tiger war in einem Bereich, wo er sein sollte.“ Die Pflegerin hätte sich nicht zur selben Zeit dort aufhalten dürfen.

Vermutlich habe das Sibirische Tigermännchen Altai die 43-Jährige von hinten angefallen und in den Hals gebissen. Dann habe er von ihr abgelassen. Der eine Biss sei tödlich gewesen. Als eine Kollegin von Ruth K. gegen zwölf Uhr das Gehege betrat, sah sie die 43-Jährige auf dem Boden liegen, Altai saß neben ihr. Die Mitarbeiterin holte sofort Hilfe.

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Auch Polizei und Feuerwehr wurden alarmiert. Auf Anweisung der Einsatzleitung habe Zoodirektor Theo Pagel den Tigerkater erschossen. „Er hat die entsprechende Ausbildung und die Waffe für so einen Ernstfall“, begründete Polizeisprecher Carsten Möllers. Pagel sei auf den Stall geklettert und habe durch eine Dachluke geschossen. „Der Tiger war sofort tot“, schilderte Pagel. Er sprach vom „schwärzesten Tag in meinem Leben“. Nachdem Altai erlegt war, konnten Rettungskräfte das Gehege betreten. Aber für Ruth K. kam jede Hilfe zu spät.

Der Sibirische Tiger gilt als einer der größten Katzen der Welt. Er kann eine Körperlänge von 2,80 Meter und ein Gewicht von über 250 Kilogramm erreichen und hat eine Lebenserwartung von bis zu 20 Jahren.

Wie alle Unterarten des Tigers ist auch der Sibirische Tiger in freier Wildbahn von der Ausrottung durch den Menschen bedroht.

Nachdem sein Bestand im Jahre 1940 auf lediglich 20 bis 30 Tiere gesunken war, wurde er unter strengen Schutz gestellt.

Heute überleben etwa 200 Sibirische Tiger in einem einzigen Schutzreservat im Amur-Ussuri Gebiet in Sibirien.

In Zoos sind Sibirische Tiger jedoch häufig vertreten. Durch gezielte Zuchtprogramme wird die Zoopopulation weiter aufgebaut.

Die Zahl der in den Zoos der Welt gehaltenen Sibirischen Tiger übersteigt heute 1000 Tiere.

Die Polizei ermittelt nun die genauen Umstände des tragischen Angriffs. Deshalb sei ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet worden, teilte die Polizei Köln mit. Aus Rücksicht auf die Angehörigen der getöteten Mitarbeiterin  wollte der Zoo keine weiteren Informationen mitteilen. „Den Angehörigen gilt unser tiefstes Mitgefühl. Der ganze Zoo steht unter Schock und trauert mit ihnen“, heißt es in einer Mitteilung. Oberbürgermeister Jürgen Roters, der zurzeit im Rahmen eines Städtepartnerschaftsbesuchs in Lioverpool weilt, zeigte sich äußerst bestürzt. In einem Telefonat ließ er sich von Zoodirektor Theo Pagel über den tödlichen Unfall informieren. "Mein tiefes Mitgefühl gilt den Angehörigen der verstorbenen Tierpflegerin“, so OB Jürgen Roters. „Wir trauern mit ihnen. Außerdem denke ich an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Zoos, die vom tragischen Tod ihrer Kollegin tief betroffen sind.“ Die Ursache müsse nu sorgfältig ermittelt und aufgearbeitet werden.

Nachdem Ruth K. gefunden worden war, hatte die Zooleitung den Tierpark sofort evakuieren lassen – eine reine Vorsichtsmaßnahme. Aber wie sich schnell herausstellte, hatte Altai sein Gehege zu keinem Zeitpunkt verlassen. „Es bestand keine Gefahr für unsere Besucher“, sagte Pagel. Eine Stunde später, gegen 13 Uhr, wurden die Eingänge wieder geöffnet.

Die für den Abend geplante „Sommernacht im Zoo“ wurde dennoch abgesagt – mit Rücksicht auf die Angehörigen der Getöteten und der Beschäftigten, wie Pagel betonte. Auf seiner Internetseite will der Zoo schnellstmöglich bekannt geben, wie bereits gekaufte Eintrittskarten zurückgegeben werden können.

Noch im Jahresbericht 2011 hatte Pagel begeistert von seinen Amurtigern geschrieben, wie die Sibirischen Tiger auch genannt werden. Erst im Frühjahr 2011 waren Weibchen „Hanya“ und Männchen „Altai“ aus Frankreich und Großbritannien im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) nach Köln gekommen. „Es war „Liebe auf den ersten Blick““, schrieb er. „Schon nach relativ kurzer Zeit konnten wir die Tiere zusammenlassen.“ Schon Anfang November warf das Weibchen vier Junge. Eines verendete nach wenigen Tagen, die anderen entwickelten sich gut. Sie wurden „Jegor“, „Mila“ und „Finja“ genannt. Sie durften Anfang Februar zum ersten Mal auf die Außenanlage.

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