Neues ICE-Wartungswerk in Köln-NippesEin Meilenstein für mehr Pünktlichkeit?

Lesezeit 4 Minuten
Baustelle Nippes: 1300 Bohrpfähle für eine sichere Statik der 445 Meter langen Werkhalle wurden in den Untergrund getrieben.

Baustelle Nippes: 1300 Bohrpfähle für eine sichere Statik der 445 Meter langen Werkhalle wurden in den Untergrund getrieben.

Köln – Wenn Carsten Burmeister (28) seinen Job erledigt hat, könnte es sein, dass Bahnchef Rüdiger Grube (65) davon nicht mehr profitiert. Grubes Vertrag endet im Dezember 2017 – Verlängerung nach den Turbulenzen der vergangenen Monate noch ungewiss.

Für Burmeister gilt das nicht. Ihren Nachwuchsingenieuren, die drei Jahre lang ein duales Studium mit langen Praxisphasen absolviert haben, rollt die Bahn den roten Teppich aus. Weil es angesichts der maroden Infrastruktur derart viele Baustellen gibt, dass Ingenieure aller Fachrichtungen händeringend gesucht werden.

„Um meinen Arbeitsplatz muss ich mir keine Sorgen machen.“ – Carsten Burmeister, stellvertretender Projektleiter

„Um meinen Arbeitsplatz muss ich mir keine Sorgen machen.“ – Carsten Burmeister, stellvertretender Projektleiter

Carsten Burmeister profitiert davon. Mit 28 Jahren ein 220 Millionen Euro teures Bauprojekt in einer Führungsposition zu verantworten, „ist durchaus nicht alltäglich“. Hier schon. Burmeister steht allerdings ein erfahrener Projektleiter zur Seite. Für Wilfried Brandt ist Nippes das dritte Werk, das unter seiner Leitung geplant und gebaut wurde. Wenn es eröffnet ist, geht er in den Ruhestand.

Burmeister muss für absolute Pünktlichkeit sorgen. Und das im doppelten Sinn. Als stellvertretender Projektleiter des neuen ICE-Wartungswerks in Köln auf dem Gelände des ehemaligen Güter- und Rangierbahnhofs in Nippes trägt er die Verantwortung dafür, dass es wie geplant im Herbst 2017 fertig wird. Und ab dem Fahrplanwechsel im Dezember 2017 aus dem Kölner Hauptbahnhof kein ICE mehr mit Verspätung losfährt, weil er nicht rechtzeitig aus der Instandhaltung an den Bahnsteig gerollt ist.

Der Bau macht Fortschritte. 1300 Bohrpfähle für eine sichere Statik der 445 Meter langen Werkhalle wurden in den sandigen Untergrund getrieben. Von den 90 Dachbindern, die später das Hallendach tragen werden, sind 34 montiert, ein jeder von ihnen zehn Meter lang und 90 Tonnen schwer. 4,5 der 20 Kilometer Gleise sind auch schon verlegt, 14 von 45 Weichen eingebaut, die ersten Oberleitungsmasten gesetzt. Drei Bombenfunde 2015 haben die Baustelle zwar beeinträchtigt, „dennoch liegen wir voll im Zeitplan“.

400 Arbeitsplätze vom Wagenreiniger bis zum Ingenieur werden gebraucht

An bis zu 17 Zügen aller ICE-Baureihen, darunter auch die neue Generation des ICE 4, kann in Nippes auf vier Hallengleisen parallel gearbeitet werden. Die Halle ist so konzipiert, dass ein 400 Meter langer Doppelzug nicht getrennt werden muss, möglichst viele Rangierfahrten entfallen. Die Arbeiten werden sich vor allem auf die Abend- und Nachstunden zwischen 18 und sechs Uhr konzentrieren.

„Tagsüber müssen die Züge rollen“, sagt Burmeister. Rund 400 Arbeitsplätze vom Wagenreiniger bis zum Ingenieur werden gebraucht. Die Ausbildung der ersten Fachkräfte hat bereits begonnen. „Sie durchlaufen die Schulungen im alten Betriebswerk am Gladbacher Wall.“ Das werde nicht geschlossen, sondern ab 2018 dazu dienen, jene Züge einem Check zu unterziehen, die nach einer kurzen Wende in Köln gleich wieder auf die Reise müssen, sagt Burmeister.

Das ist ganz nach dem Geschmack des Bahnchefs, der beständig vom „Brot-und-Butter-Geschäft“ predigt und davon, dass die Bahn besser werden müsse.

2,8 Kilometer lang auf einer Fläche von 23 Fußballfeldern

Besser werden, das heißt im Fall der Fernzüge ganz konkret: Es geht kein Zug auf die Reise, bei dem eine oder gar mehrere Türen defekt, Sitzpolster verdreckt sind oder Toiletten nicht funktionieren. Für das Training der Mitarbeiter, die Jobs wie diese verrichten müssen, war Burmeister in den Jahren zuvor im ICE-Werk Frankfurt/Main verantwortlich. Jetzt muss er sich um die Hardware kümmern. Wenn der Laden steht, wartet auf ihn irgendein anderes Projekt in Bahn-Deutschland.

Das Bauprojekt entlang der Longericher Straße ist trotz seiner gigantischen Ausmaße kaum zu erahnen. Dabei ist es 2,8 Kilometer lang und dehnt sich auf einer Fläche von 23 Fußballfeldern aus. Neben der Werkhalle, das Herzstück der neuen Anlage, entstehen eine Außen- und Innenreinigungsanlage, eine Spezialwerkstatt, in der Radsätze abgedreht und mit einem neuen Profil versehen werden, ein Verwaltungsgebäude samt Werkstätten und Kantine und Aufstellflächen für die Züge mit Ausfahrten nach Norden und Süden. Die neue Anlage liegt in unmittelbarer Nähe der S-Bahn-Werkstatt, die vor einem Jahr in Betrieb ging.

Carsten Burmeisters tägliche Schicht beginnt und endet in einem ICE. Er wohnt in Frankfurt und pendelt täglich nach Köln. Ihn nach Verspätungen und Zugausfällen zu fragen, wäre nicht fair. Warum sollte er auch schlecht über seinen Arbeitgeber reden?

Im Gegenteil: Die Bahn habe ihm gute Berufsperspektiven geboten. Gebaut werde schließlich immer. „Um meinen Arbeitsplatz muss ich mir wohl keine Sorgen machen.“ Ganz im Gegensatz zu seinem Chef, dem Bahnvorstand.

KStA abonnieren