SpurensucheAls eine Glanzstoff-Fabrik am Kölner Festungsring stand

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Auf dem weitläufigen Areal der Glanzstoff-Werke in Niehl arbeiteten bis zu 2500 Menschen.

Auf dem weitläufigen Areal der Glanzstoff-Werke in Niehl arbeiteten bis zu 2500 Menschen.

  • An der Neusser Landstraße stand einst eine Produktionsstätte für Kunstfasern.
  • Mehrere Bauwerke zeugen noch heute von der Firma auf dem Gelände in Niehl.

Niehl – Kinder laufen über die Wiese vor der ehemaligen Verwaltung der Glanzstoff-Werke und spielen Fußball. Hinter dem Backsteingebäude im Niehler Chemiegürtel, in dem zurzeit Flüchtlinge wohnen, ragen Fabrik-Schornsteine empor. Weithin erkennbar ist auch der sogenannte Winkel-Turm, der an eine überdimensionale Zigarre erinnert.

Beide Bauwerke sind bis zum heutigen Tag sichtbare Zeichen einer ebenso glanzvollen wie dunklen Industriegeschichte.

Bis 1967 befand sich auf dem Gelände an der Ecke Neusser Landstraße und Militärring eine Produktionsstätte für Kunstfasern. Der Ausgangspunkt lag Anfang der 1920er Jahre.

Damals plante das britische Unternehmen Courtaulds, das Kunstseide herstellte, den Bau einer Fabrik in Deutschland. Als die deutsche Konkurrenz – die Vereinigten Glanzstoff-Fabriken aus Wuppertal-Elberfeld – von dem Vorhaben erfuhr, bot sie den Briten kurzerhand die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens an. So entstand 1925 die Firma Glanzstoff Courtaulds.

Die Unternehmer erkoren als Standort das Gelände an der Neusser Landstraße in Köln aus, auf dem sich zuvor Anlagen des Festungsrings befanden. Der damalige Oberbürgermeister Konrad Adenauer hatte sich für die Ansiedelung dort stark gemacht. Diese Entscheidung sorgte später noch für einigen Wirbel.

Wie das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ knapp vier Jahrzehnte danach berichtete, kaufte Adenauer einige Jahre nach der Gründung mit geliehenem Geld Aktien einer amerikanischen Tochtergesellschaft der Vereinigten Glanzstoff-Fabriken, der American Glanzstoff Corporation. Während der Weltwirtschaftskrise verloren die Anteile allerdings deutlich an Wert, woraufhin der damalige Glanzstoff-Chef ihm zum Ausgleich der Schulden leihweise ein Paket Glanzstoff-Aktien überließ.

Die Nationalsozialisten unterstellten Adenauer später Bestechlichkeit – ein Vorwurf, der jedoch nie bewiesen wurde. Auch erneute Ermittlungen und juristische Auseinandersetzungen in den 1960er Jahre konnten das nicht belegen.

Nach dem Bau der Fabrik wurden ab 1928 in Köln unter den Markennamen Colcesa, Colomat und Colcord sogenannte Viskose-Filamentgarne hergestellt. Als Colva, Colvadur und Colvalan waren Viskose-Spinnfasern bekannt, die ebenfalls an der Neusser Landstraße produziert wurden.

Wie die Geschichte der Glanzstoff-Werke zu Ende ging

In den 1930er Jahre beschäftigte Glanzstoff bereits 2500 Arbeiter – die Produkte wurden immer stärker nachgefragt. Die Personalzahl konnte auch während des Zweiten Weltkriegs weitgehend gehalten werden, da es sich um eine kriegswichtige Produktion handelte.

An dieser Stelle begann das dunkelste Kapital in der Geschichte der Kölner Glanzstoff-Werke. Im Gegensatz zu anderen deutschen Standorten wurden in Köln zwischen 1940 und 1943 mehr als 250 jüdische Zwangsarbeiter beschäftigt. Hinzu kamen 1100 Kriegsgefangene aus Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Italien.

In dieser Zeit entstand der an eine Zigarre erinnernde Winkel-Turm, der heute unter Denkmalschutz steht. Der 29 Meter hohe Luftschutzbunker – benannt nach seinem Erfinder Leo Winkel – wurde im Juni 1940 fertiggestellt. Der Betonkegel war aufgrund seiner schmalen Bauweise nur schwer von Bomben zu treffen und konnte ihnen auch standhalten. In die Turmspitze wurden vier Schlitze eingelassen, durch die man nach Luftangriffen entstehende Brände beobachten konnte, um sie möglichst schnell zu melden.

Der Bunker bot 600 Menschen Platz und wurde sowohl von Glanzstoff-Mitarbeitern als auch von Anwohnern genutzt. Das Gebäude kann heute besichtigt werden.

1967 endete die Geschichte der Glanzstoff-Werke in Köln. Das Unternehmen wurde liquidiert. Heute befinden sich auf dem weitläufigen Areal unter anderem eine Flüchtlingsunterkunft, der Club Die Kantine, eine Gastankstelle, ein DHL-Logistikzentrum, ein Betonhersteller sowie eine Produktionsstätte des Glanzstoff-Nachfolgeunternehmens Akzo Nobel.

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