Ohne Numerus ClaususBulgarische Uni bietet Medizin-Studium - in Köln

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Firmenchef Hendrik Loll von Studimed will im Herbst 2017 mit 100 Studenten an den Start gehen.

Firmenchef Hendrik Loll von Studimed will im Herbst 2017 mit 100 Studenten an den Start gehen.

Köln – Wer Medizin studieren will, aber kein Top-Abitur vorweisen kann, braucht entweder viel Geduld oder einen großen Geldbeutel. Denn die Zulassungsberechtigung, der Numerus clausus, ist hoch, an Wartesemester müssen Bewerber schon mal sechs Jahre einplanen.

Viele Studenten weichen daher auf Medizinische Fakultäten im Ausland aus. Immer beliebter werden Hochschulen in Osteuropa, die ein Studium auf deutsch oder englisch anbieten. So studierten laut Statistischem Bundesamt 2013 – neuere Zahlen liegen nicht vor  – etwa 1900 Deutsche Medizin in Ungarn und 250 in Tschechien. Tendenz steigend.

Die Kölner Firma Studimed gehört zu den größten Vermittlern auf diesem Markt. Eigenen Angaben zufolge hat Studimed seit 2012 Dutzende deutscher Studenten in zehn osteuropäische Staaten und die Türkei vermittelt. Jetzt will das Unternehmen das Geschäftsmodell ausweiten und an  der Bonner Straße 271 in Bayenthal einen Medizinischen Campus in Zusammenarbeit mit der staatlichen Medizinischen Universität (MU) Sofia errichten. Im Frühjahr, spätestens im Herbst 2017 will Firmenchef Hendrik Loll mit etwa 100 Studenten an den Start gehen.

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Die Studenten würde das Studium in Bayenthal eine hübsche Stange Geld kosten. 13 600 Euro müssten die angehenden Akademiker an Studimed als Vermittlungsgebühr zahlen, und noch einmal soviel an die MU Sofia – pro Studienjahr. Der Unterricht, der bis zur Vorklinik in Köln und anschließend in Bulgarien stattfinden soll, wird auf englisch von deutschen und bulgarischen Dozenten abgehalten. Letztere müssten für Blockseminare eigens eingeflogen werden. Unklar ist noch, wie die Anatomiekurse durchgeführt werden sollen, in dessen Rahmen die Hochschüler Leichen sezieren. Loll denkt darüber nach, die Studenten entweder nach Sofia ausfliegen zu lassen oder Leichen zum Beispiel aus den USA zu importieren. Studimed stehe im Gespräch mit einem Kölner Pathologen, bei dem die Seminare dann abgehalten würden.

Deutsche Behörden kontrollieren die Zweigstelle nicht

Die Zweigstelle einer osteuropäischen Universität in Köln wäre ein Novum in der Stadt, wohl auch in ganz Nordrhein-Westfalen. Rechtlich gedeckt ist die Kooperation durch das Hochschulgesetz NRW: Laut Paragraf 75 dürfen Hochschulen aus EU-Ländern Niederlassungen eröffnen, wenn diese Ausbildung und Abschlüsse der heimischen  – also in diesem Fall der MU Sofia – anbieten. Auch die Kontrolle der Qualitätsstandards obliegt der  MU Sofia. Deutsche Behörden kontrollieren die Zweigstelle nicht, sagt ein Fachmann der Landesregierung, der namentlich nicht genannt werden will.

Unter Experten wird Lolls Geschäftsmodell kontrovers diskutiert. „Die Kontrolle der Qualitätsstandards wirft Fragen auf“, sagt der Geschäftsführer der Landesrektorenkonferenz, Gerd Maier. Deutlicher wird der Gesundheitsfachmann Karl Lauterbach: „Ich halte dieses Vorgehen nicht nur für windig und unseriös, sondern auch für unethisch – vor allem wenn man an das Sezieren der Leichen denkt“, so der SPD-Politiker. „Diese Menschen haben ihren Körper der Wissenschaft vermacht und sich wohl etwas anderes vorgestellt, als von Leuten ohne NC seziert zu werden, die einfach nur in der Lage sind, viel zu zahlen.“ Auch die Gesundheitsexpertin der Grünen im Landtag NRW, Ruth Seidl, sieht die Kooperation von Studimed und MU Sofia kritisch: Es sei „nicht seriös, für die bloße Vermittlung auf einen Studienplatz Geld bezahlen zu müssen, erst recht, wenn es sich um eine fünfstellige Summe handelt“.

Fraglich ist auch, was die deutschen Hochschüler mit ihrer Vorklinik nach bulgarischem Recht anfangen können: Seidl führt aus, dass das sechsjährige Medizinstudium in Bulgarien in der Regel dem deutschen Staatsexamen Medizin als gleichwertig anerkannt wird. Ein Wechsel mitten im Studium an eine deutsche Uni sei aber nicht so einfach: Die deutsche Hochschule muss in den höheren Semestern nicht nur einen Studienplatz zur Verfügung haben, sondern auch die Qualität der bulgarischen Module anerkennen. „Daher ist es wichtig, dass sich deutsche Studierende erkundigen, ob ihre Leistungen an den deutschen Universitäten später überhaupt anerkannt werden“, betont Seidl.

Loll wartet immer noch auf grünes Licht aus Bulgarien

Die Qualität der Ausbildung sieht Loll an der MU Sofia vollkommen gewährleistet: „Es gibt in der EU keine Universität, die Schmalspurärzte ausbildet.“ Im Gegenteil: „Wenn ich in Bulgarien im vierten Semester bin, dann darf ich quasi alles machen im Krankenhaus“, lobt Loll die praktische Ausbildung. „Der Arzt zeigt mir viermal, wie man einen Katheter legt – und dann lege ich einen Katheter. Ich würde mich lieber von jemanden untersuchen lassen, der sechs Jahre in Bulgarien studiert hat als von jemanden, der in Köln gelernt hat.“

Eigentlich wollte die Firma schon im Oktober des vergangenen Jahres mit dem neuen Angebot beginnen. Loll hatte eine Zusage der MU Sofia und des bulgarischen Bildungsministeriums aus dem Jahr 2013 in der Tasche. Doch am 20. September 2016 erhielt er ein Schreiben, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Darin teilte MU Sofia mit, dass noch eine Zustimmung des Ministerrat ausstehe.

„Das war eine Überraschung für uns, mit der wir nicht gerechnet haben“, sagte Loll.  Es kam noch schlimmer: Denn nach einer politischen Krise ist im November die bulgarische Regierung und somit auch der Ministerrat zurückgetreten. Und ohne Ministerrat vorerst kein Ministervotum. Loll hofft nun, dass zügig eine Übergangsregierung vereidigt wird, die über sein Anliegen entscheidet. „Zur Not legen wir erst im Oktober 2017 los.“

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