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PolitikRatsmitglieder trennen sich von „Deine Freunde“ und nennen sich „Die Guten“

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Köln – Es hat etwas Skurriles, wenn Oberbürgermeisterin Henriette Reker das Abstimmungsverhalten der einzelnen Gruppen im Stadtrat zu Protokoll gibt: „Gegen die Stimmen der Guten“ sei die Entscheidung gefallen, hält sie fest, bevor sie wenig später den „Guten“ das Wort erteilt, damit einer von ihnen ans Rednerpult treten kann. Unbescheidener hat wahrscheinlich noch keine politische Gruppierung für sich in Anspruch genommen, immerzu auf der richtigen Seite zu stehen. Die forsche Namensgebung sichert Aufmerksamkeit.

Wer sich an das Ergebnis der Kommunalwahl erinnert, wundert sich: Niemand hat „Die Guten“ gewählt, sie haben gar nicht kandidiert – und trotzdem sitzen zwei Vertreter der „Guten Wählergruppe Köln“ im Stadtrat, diskutieren fleißig mit, bekommen Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgelder und zusätzlich eine finanzielle Zuwendung in Höhe von fast 50 000 Euro pro Jahr, von denen sich einer der beiden „Guten“ selbst als deren Referent angestellt hat.

„Die Guten“ hießen mal „Deine Freunde“. 7815 Kölner haben diese politische Gruppe bei der Kommunalwahl 2014 gewählt. 1,98 Prozent der Wählerstimmen reichten für zwei Mandate im Stadtrat – für den kleinen Verein, der vor allem im hippen Ehrenfeld seine Basis hat, ein Riesenerfolg. Die Mandatszahl hatte sich verdoppelt. Als Zwei-Mann-Gruppe bekommt man Geld aus der Stadtkasse zur professionellen Unterstützung der Ratsarbeit. Zusammen mit seiner neuen Kollegin im Rat, Ute Symanski, entschied sich der wiedergewählte Ratsherr Thor Zimmermann dafür, das Geld zur Umwandlung seines ehrenamtlichen Mandats in ein berufliches zu verwenden – eine Perspektive, die für fast alle anderen Ratsmitglieder unerreichbar ist (siehe „Kaum Berufspolitiker in der Kommunalpolitik“).

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Man habe diese Entscheidung wohl nicht gut in der Wählergruppe „kommuniziert“, sagt Ute Symanski im Rückblick. In jedem Fall gingen danach nicht mehr alle Freunde freundlich miteinander um. Man habe sich bewusst dafür entschieden, anders zu sein als die anderen Parteien, rebellierten Mitglieder. Die Professionalisierung des Ehrenamts passe nicht zur Idee von „Deine Freunde“. Man stritt über Geld und die Frage, wer bestimmt, wofür es ausgegeben werden darf.

Während die kleine Ratsgruppe nach und nach bei immer mehr Prozessen im Rat mitmischte, pochte die Basis auf alte Verabredungen. Zimmermann spricht von „klassischen Auseinandersetzungen“ zwischen „Fundis“ und „Realos“, „Basis“ und Vorstand. Ein bisschen ging es wohl auch um Politik: Nicht nur in der Ehrenfelder Szene wunderte man sich, als Zimmermann „Deine Freunde“ schließlich sogar zum Bündnispartner von CDU, Grünen und FDP bei der Verabschiedung des Doppelhaushalts machte, ohne dabei eigene inhaltliche Akzente zu setzen. Die Minigruppe war – zumindest für einige Tage – im Zentrum der Macht angekommen.

Kurze Zeit später waren „Deine Freunde“ auch offiziell keine Freunde mehr. Thor Zimmermann und der für Ute Symanski im Rat nachgerückte Tobias Scholz traten aus und gründeten „Die Guten“. Ehemalige Mitstreiter forderten, dass sie ihr Mandat niederlegen sollten, damit diese wieder von „Deine Freunde“-Vertretern wahrgenommen werden konnten. Es gibt aber keine rechtliche Handhabe, jemandem nach einem Parteiaustritt das Mandat abzunehmen.

Inwieweit das mit den moralischen Ansprüchen vereinbar ist, mit der die Kandidaten zuvor um Wählerstimmen geworben haben, ist eine andere Frage. Noch im vergangenen Juni schimpfte Zimmermann auf die großen Parteien, weil sich diese für eine neue Sperrklausel bei Kommunalwahlen einsetzen wollten und den Eindruck erweckten, manche Entscheidung nur um des Machterhalts willen zu treffen. „Über die Zusammensetzung des Rates soll allein der Wähler entscheiden“, so Zimmermann.

Die Verantwortlichen bei „Deine Freunde“ aber auch bei den „Guten“ wollen den Bruch nicht zu hoch hängen. Öffentlich soll keine schmutzige Wäsche gewaschen werden. „Eine Abspaltung ist mit Sicherheit nicht das Klügste“, schreiben Zimmermann und Scholz auf ihrer Homepage nach ihrer Abspaltung. „Doch nach monatelangen Querelen sahen wir für uns keine andere Möglichkeit“. Dass man die Mandate behält, begründet Zimmermann auch damit, dass sich an der inhaltlichen Ausrichtung der Ratsarbeit wenig ändere. Gestritten habe man schließlich nur über das „Wie“.

Ute Symanski, weiterhin Vorstandsmitglied bei „Deine Freunde“, bedauert, dass ihre Gruppe keine Ratsmandate mehr hat. Die Frage, ob die beiden ihre Mandate zurückgeben müssten, sei „berechtigt“. Sie betont aber auch, dass deshalb aus den alten Freunden noch keine Feinde geworden seien. Man habe sich eben „nur unterschiedlich entwickelt“.

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