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Flughafen Köln/BonnIm Tower sitzen die Dirigenten der Flugzeuge

Lesezeit 5 Minuten
Der Kölner Tower wurde 1994 eingeweiht und ist 56 Meter hoch.

Der Kölner Tower wurde 1994 eingeweiht und ist 56 Meter hoch.

  • Die Deutsche Flugsicherung (DFS) übernimmt als externer Dienstleister alle anfallenden Fluglotsen-Tätigkeiten am Airport Köln/Bonn.
  • Vier Lotsen pro Schicht steuern den Verkehr am Boden und in der Luft aus ihrer Kanzel.

Porz-Wahn – So schnell wie sie das schwarze Fernglas zur Hand genommen hat, legt Alexandra Pape das Hilfsmittel auch wieder zur Seite. Die Lichtreflexion, die vor stahlblauem Himmel in der Ferne in einer weiten Kurve aus Leverkusen kommend in den Kölner Luftraum eindringt, ist die vom Lagezentrum gemeldete Iran-Air-Maschine Flug 729.

Die junge Frau zieht das Mikrofon zu sich heran: „Ira 729, 140 Degrees, 3 Knots, Runway 1, Four left – clear to land“, spricht sie, und das keineswegs in einer Geheimsprache. Der Pilot in seinem Anflug weiß nun dank der englischen Fachbegriffe Bescheid über die aktuellen Wetterverhältnisse, seinen Anflugwinkel und die zu benutzende Landebahn, erklärt Michael Fuhrmann, Sprecher der Deutschen Flugsicherung (DFS).

Wie ein Schuhkarton

Als externer Dienstleister übernimmt sein Unternehmen alle anfallenden Fluglotsen-Tätigkeiten am Airport Köln/Bonn. Den Wirkungsbereich, für den die DFS-Mitarbeiter in ihrem 56 Meter hohen Tower zuständig sind, könne man sich am ehesten wie einen Schuhkarton vorstellen, den jemand über den Flughafen gestülpt hat, erklärt Papes Kollege Jan Gattermann.

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Die Maße dieses Kartons: Ungefähr 20 Kilometer rund um den Flughafen herum, in die Höhe 3.000 Fuß (rund 900 Meter). „Wir übernehmen im Prinzip die ersten beziehungsweise die letzten vier bis fünf Minuten eines Fluges“, erklärt der 32-Jährige weiter. Davor und danach liegt der Staffelstab bei den Lotsen im übergeordneten Kontrollzentrum in Langen bei Frankfurt. Sie besitzen ein Lagebild sämtlicher Flugbewegungen über West- und Süddeutschland und fädeln die Maschinen in den internationalen Verkehr ein.

Vier Lotsen pro Schicht

In Köln selbst sind es pro Schicht vier Lotsen, die den Verkehr am Boden und in der Luft aus ihrer Kanzel steuern. Je nach Aufgabenbereich gilt es dabei bis zu fünf Bildschirme gleichzeitig im Auge zu behalten. Der erste Monitor liefert die Wetterdaten. „Gestartet wird immer mit dem Wind, damit die Flügel angeströmt werden und die Flugzeuge so besseren Auftrieb erhalten“, erklärt Gattermann.

Das Bodenradar daneben liefert ein grünliches Lagebild des gesamten Flughafenbereichs. Es hilft den Lotsen, bei Nebel und in der Dunkelheit die Position der Flieger am Boden zu erkennen. Monitor Nummer drei liefert die Daten zu den nächsten bekannten Flugbewegungen, Nummer vier das Luftradarbild und der letzte die Information, welches Gate (Ankunftsbereich) das jeweilige Flugzeug ansteuern soll.

Alle paar Stunden tauschen die Lotsen unter einander die Aufgabenbereiche

Um sich einen besseren Überblick zu verschaffen, dirigiert Alexandra Pape inzwischen im Stehen. Gerade hat sie eine Air-Berlin-Maschine nach etwas Wartezeit an der Startbahn in Richtung Mittelmeer geschickt. Die Abstände, mit denen sie die einzelnen Flieger abheben lässt, sind dabei keineswegs zufällig gewählt. Sie dienen dazu, den tückischen Wirbelschleppen aus dem Weg zu gehen, die an den Tragflächenspitzen der Flugzeuge entstehen.

Die Faustformel dabei: Je größer ein Flugzeug, desto stärker der Wind, den es hinter sich herzieht. „Je nach Konstellation der beteiligten Maschinen müssen Sicherheitsabstände zwischen drei und acht Meilen eingehalten werden“, erklärt Gattermann. Würde er etwa auf einen Airbus A330 ohne ausreichende Wartezeit direkt ein kleineres Luftfahrzeug vom Typ Piper in die Luft schicken, würde der Sportflieger in starke Turbulenzen geraten. „Diese Wirbelschleppen muss man sich wie kleine Tornados vorstellen.“

Hohe Konzentration nötig

Weil die Arbeit im Tower eine durchweg hohe Konzentration erfordert, tauschen die Lotsen-Besatzungen alle paar Stunden unter einander die Aufgabenbereiche. Derer gibt es vier: Delivery (Anlassfreigabe), Ground (Rolllotse), den eingangs erwähnten Tower-Controller sowie dessen Assistenten, den Coordinator, der vor allem mit der elektronischen Weiterverarbeitung von Daten betraut ist.

Der Delivery-Lotse ist generell der erste Ansprechpartner für den Piloten vor dem Start: Er erteilt die Erlaubnis, die Triebwerke anzulassen. „Von unserer Seite her gibt es mehrere Gründe, die dagegen sprechen können, die Triebwerke anzulassen, auch wenn schon alle Passagiere und Crewmitglieder an Bord sind“, sagt Gattermann. Jeder Flieger erhält sein individuelles Zeitfenster (Slot), in dem er starten darf. „Es macht zum Beispiel keinen Sinn, weiteren Piloten das Anlassen zu gewähren, wenn schon 15 Maschinen über das Flugfeld rollen.“ Der Rolllotse könnte durch zu viele Bewegungen am Boden überlastet werden – und auch unter Umweltschutzaspekten ist jedes Triebwerk im Ruhezustand ein Gewinn.

Viel Arbeit bei Gewitter

Die Funktion des Rolllotsen übernimmt an diesem Vormittag Jannis Clamann. Er ist im Nachgang zum Delivery dafür zuständig, die Piloten aus ihrer Parkposition über die Rollfelder und Taxiways zur Start- und Landebahn zu navigieren.

„Ja es ist ein sehr verantwortungsvoller Job“, bestätigt Gattermann die gängigen Vermutungen. Irgendwann lerne man jedoch, all die Menschen in den Bäuchen der Flugzeuge auszublenden: „Ich habe Arbeitsmuster, anhand denen ich agiere. Ich glaube, man würde sonst verrückt, wenn man immer hochrechnen würde, wie viele Menschenleben man gerade betreut“. Ob Lotsen dem späteren Grundstress auch wirklich gewachsen sind, wird schon beim Auswahlverfahren vor dem Ausbildungsstart eingehend geprüft.

„Wir arbeiten immer so, dass wir noch Puffer nach oben haben, damit wir auch noch unvorhergesehene Sondersituationen handhaben können“, so Gattermann, der sich mit seinem Beruf nach dem Abitur einen Kindheitstraum erfüllt hat. Insbesondere Gewitter seien sehr komplex und arbeitsintensiv. „Die Piloten sagen sich: »Ich möchte da nicht durchfliegen«, und wir müssen das dann irgendwie umsetzen. Alles, was sonst auf Schienen läuft, läuft dann plötzlich anders, und ein Luftraum wird plötzlich sehr klein.“ Echte Notsituationen habe er zum Glück aber noch keine erlebt.

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