Spurensuche in KölnAls in Köln-Poll ein Citroën-Werk stand

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Das Citroën-Werk in Poll um das Jahr 1930.

Das Citroën-Werk in Poll um das Jahr 1930.

  • Am Poller Holzweg produzierte der französische Auto-Hersteller Citroën von 1927 bis 1935 Lastwagen, Busse und Autos.
  • Noch vor Ford war das Poller Citroën-Werk Kölns erstes Automobil-Werk mit Fließbandfertigung.
  • 1940 wurden die Produktionsstätten beschlagnahmt – zugunsten des Unternehmens Klöckner-Humboldt-Deutz, das dort Panzer und U-Boote reparierte.

Poll – Wer etwas über das Kölner Citroën-Werk erfahren will, sollte nicht unbedingt an den Poller Holzweg fahren. Hier produzierte der französische Auto-Hersteller zwar von 1927 bis 1935 Lastwagen, Busse und Autos und war damit – also noch vor Ford – Kölns erstes Automobil-Werk mit Fließbandfertigung.

Aber zu sehen ist von der „Citroën Automobil AG Köln-Poll“ nichts mehr. Längst dehnt sich das Vertriebszentrum des  deutschen  VW-Konzerns  aus, wo früher unter anderem der Citroën Traction Avant vom Band lief. Genau 1823 der berühmten  „Gangster-Limousinen“ kamen aus Köln – nur drei davon soll es noch geben.

Eine gute Adresse, um etwas über die kurze und weitgehend unbekannte Geschichte des Poller Werks zu erfahren, ist hingegen das Archiv von Immo Mikloweit. Der 71-Jährige beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit der untergegangenen Produktionsstätte, dessen letzte Reste erst vor kurzem niedergerissen wurden.

Immo Mikloweit, der selbst Jahrzehnte lang bei Citroën beschäftigt war, hat viele Hintergründe recherchiert und Fotos zusammengetragen. Und er hütet das womöglich letzte Überbleibsel des Citroën-Werks. Es ist ein Kugelkopfschlüssel   – ein kleines verrostetes Stück Eisen, mit dem einst die Vorderachse des Traction Avant eingestellt wurde.

Ein Schlüssel-Erlebnis

Immo Mikloweit weiß noch genau, wann er es gefunden hat, nämlich 1984. „Ich wollte am Poller Holzweg Holunderbeeren pflücken“, sagt er. Dabei habe er rein zufällig den Schlüssel entdeckt, der nur ein winziges Stück aus der Erde ragte. Als Kfz-Meister wusste Mikloweit sofort, um welches Werkzeug es sich  handelte, schließlich hatte er noch selbst damit gearbeitet. Doch erst dieses Fundstück aus dem Jahr 1934 veranlasste ihn, sich intensiver mit der Kölner Citroën-Produktion zu beschäftigen. „Das war mein Schlüssel-Erlebnis“, sagt der Automobil-Historiker aus Poll.

Immo Mikloweit in Poll mit Kugelkopfschlüssel.

Immo Mikloweit in Poll mit Kugelkopfschlüssel.

Insgesamt 18.710 Fahrzeuge liefen am Poller Holzweg vom Band. Es waren Autos vom Typ B 14, C 4, C 6, der Rosalie-Reihe und schließlich der Gangsterwagen, in Deutschland auch kurz Poller genannt. Hinzu kamen verschiedene Nutzfahrzeug-Typen. Citroën war in Deutschland beliebt: „Die Franzosen waren in der technischen Entwicklung den deutschen Fabrikaten vor und nach dem Ersten Weltkrieg eindeutig überlegen“, so Mikloweit. Die Autos galten zudem als besonders günstig und zuverlässig.

Warum die Produktion in Poll ein Ende fand

Dass Citroën in den 1920er Jahren einen Standort in Deutschland suchte, war den schwierigen Zeiten geschuldet. „Ab 1925 gab es das so genannte Milchkannen-Gesetz“, sagt Immo Mikloweit. Um die deutsche  Wirtschaft zu stärken, wurden montierte Importgüter mit hohen Einfuhrzöllen belegt. Weil Einzelteile davon ausgenommen waren, transportierte Citroën die Autoteile einfach in Kisten von Paris nach Köln, wo sie dann zusammengesetzt wurden. Citroën umging die deutschen Gesetze also mit einem gewissen Esprit.

Sogar Firmengründer André Citroën (5.v.l.) schaute in Poll vorbei.

Sogar Firmengründer André Citroën (5.v.l.) schaute in Poll vorbei.

Gründe für eine Niederlassung am Rhein gab es viele. Die Nähe zu Paris, die franzosenfreundliche Gesinnung der Kölner und die gute Eisenbahn-Anbindung waren einige davon. „Citroën kam aber auch wegen des wirtschaftlichen Umfelds“, sagt Immo Mikloweit: „Die damalige Industriestadt Köln verfügte über viele und gut ausgebildete Fachkräfte besonders in technischen Bereichen.“

In der Umgebung gab es zudem viele Zulieferer. Günstig war auch, dass der Firmensitz nicht erst mühsam aufgebaut werden musste. Die Hallen am Poller Holzweg standen bereits, sie hatten dem Rheinwerk Köln-Poll gehört, einer Waggon- und Maschinenfabrik, die 1925 ihren Standort aufgegeben hatte.

Citroën-Karossen warten auf auf ihre Lackierung.

Citroën-Karossen warten auf auf ihre Lackierung.

Zeitweilig arbeiteten bis zu 500 Menschen für Citroën. Durchschnittlich 32 Fahrzeuge montierten sie pro Tag. Mit der Zeit verarbeiteten sie zunehmend Teile aus deutscher Fertigung, denn nach dem Ersten Weltkrieg und vor allem unter dem Nazi-Regime war die Bevölkerung angehalten, deutsche Produkte zu kaufen.

Als 1934 das deutsch-französische Handelsabkommen aufgelöst wurde und Waren aus Frankreich gar nicht mehr importiert werden durften, ging es allmählich abwärts mit dem Poller Citroën-Werk: „Auf einige Teile aus Frankreich war man schließlich angewiesen“, so Mikloweit. Als finanzielle Probleme des Pariser Stammwerks hinzu kamen, war es Ende 1935 vorbei mit Citroën-Fahrzeugen made in Köln. Ein paar Jahre nutzte Citroën die Poller Hallen noch als Reparaturwerkstatt. 1940 war die französische Ära aber endgültig passé.

Die Produktionsstätten am Poller Holzweg wurden beschlagnahmt – zugunsten des Unternehmens Klöckner-Humboldt-Deutz, das dort Panzer und U-Boote reparierte.  1949  wurde die Beschlagnahmung des im Krieg stark zerstörten Citroën-Werks zwar aufgehoben. Citroën war aber nicht mehr daran interessiert, zu aufwendig wäre der Wiederaufbau gewesen.

Der Konzern erhielt im Zuge eines Geländetauschs Grundstücke an der Aachener Straße und in Westhoven, wo die Deutschland-Zentrale aufgebaut wurde.  Nie wieder sollte es eine Citroën-Produktion in Deutschland geben.

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