Mein VeedelMit Schauspielerin Annette Frier durch Rodenkirchen

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Veedelsspaziergang mit Annette Frier.

Rodenkirchen – Für eine Zeitreise braucht Annette Frier weder ein Kino noch ein Freilichtmuseum. Die Schauspielerin schwingt sich einfach auf ihr rotes Rad und fährt von ihrem Haus am Rand von Rodenkirchen ein paar Hundert Meter bis auf den Mater-nusplatz.

Den „Hotspot“ des Ortes, zentral gelegen zwischen der KVB-Haltestelle Bahnhof Rodenkirchen und dem Rheinufer, kennt sie seit Kindertagen. „Früher, als ich klein war, war hier noch eine riesige Parkfläche“, erzählt die heute 43-Jährige. „Total hässlich.“ Inzwischen sind rundherum Bäume gepflanzt worden. „Wenn die erst mal größer sind, dann könnte es demnächst ein … nicht ganz so hässlicher Platz werden.“

Zweimal in der Woche – mittwochs und samstags – gibt es einen Markt, donnerstags stehen regelmäßig ein paar Verkaufswagen mit Bioprodukten da. „Wir kommen mit der Familie immer am Wochenende her. Erst einkaufen und dann beim Franzosen einen Kaffee trinken.“

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Man kennt sich im Dorf

Frier dreht sich in der Platzmitte einmal um die eigene Achse. „Da drüben“, sagt sie und zeigt auf die nüchterne Randbebauung, „war früher das Eiscafé Cortina, da sind wir als Schüler immer hingegangen, wenn wir blau gemacht haben. Das war allerdings ein bisschen riskant, weil wir doch leicht gesehen und erkannt werden konnten.“

Einander kennen – das ist für Friers Beziehung zu Rodenkirchen ein wichtiges Stichwort. Hier ist sie aufgewachsen. Hier hat sie erst Hockey gespielt, später Theater. Und hierhin ist sie mit ihrer Familie zurückgekehrt, nachdem sie zuvor zeitweilig in München, Berlin und dann mit ihrer Schwester, die zugleich ihre Managerin ist, in der Südstadt gewohnt hatte.

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Annette Frier unterwegs in Köln.

„Mein Mann sagt immer, er hat das Gefühl, mich kennt hier jeder.“ Das Gesicht aus dem Fernsehen? Vielleicht auch. „Aber irgendwann ist das den Leuten wurscht“, glaubt Frier. Viel wichtiger als der Promifaktor seien am Ende die alten Bekanntschaften. „Ich habe mich jahrelang dagegen gewehrt, mir war das hier zu eng. Dabei ist es toll“ – gewachsene Beziehungen, die nicht hinterfragt werden; die, anders als Branchenkontakte, einfach gesetzt sind. „Das ist ein wahnsinniges Fundament.

Gerade für mich mit meinem künstlerischen Beruf, in dem ich ständig unterwegs bin. Meine Kinder sind mit den Kindern meiner besten Schulfreunde eng befreundet. Auch das ist ein extrem starkes Netz.“

Annette Frier ist mittlerweile fest in Rodenkirchen verwurzelt

Auf ihrer Tour durchs Viertel beweist Frier, was sie behauptet. Vor Walterscheidts Obst- und Gemüseladen, der auch frischen Fisch im Angebot hat, trifft sie auf Petra Walterscheidt, die Juniorchefin. Die hat im Hinterhaus vor ein paar Jahren ein Restaurant eröffnet, das „Bistro verde“. Wenn sie in Rodenkirchen Mittagessen gehe, dann hier, sagt Annette Frier. „Ich wollte dir eigentlich Bescheid sagen, dass ich heute auf einen Kaffee komme.“ – „Du, Annette, ich habe unverhofft frei, weil ich aus Versehen zwei Service-Mitarbeiter parallel in den Dienstplan geschrieben habe. Aber ich komme mit rein.“

Durch einen Torbogen geht es in das Lokal, dessen Größe eher an einen Schankraum erinnert. Die Gäste sitzen auf Bänken an langen Holztischen. Einem schielt Frier auf den Teller. „Macht man nicht, aber der isst meinen Klassiker: Möhren untereinander mit Frikadelle. Gern auch mit zwei Frikadellen.“

Anette Frier auf dem Fahrrad

Gefüllte Weinregale an den Wänden ringsum bringen die mediterrane Note ins Bistro verde. Jahreszeitlichen Kolorit steuert die Deko in Grün-Gelb bei, den Farben der „Rodenkirchener Botterblömcher“. Und Präsidentin Angelika Dreisbach höchstselbst serviert im Bistro den Kaffee. „Welch eine Ehre“, sagt Annette Frier und deutet lachend eine Verneigung an. „Hör mal, Annette“, sagt Chefin Petra Walterscheidt, „wo du grade da bist: Kannst du mir einen guten Schauspielkurs für meine Tochter empfehlen? Die will lieber Theater spielen als Hockey.“

Da ist sie bei Frier an der Richtigen. Schließlich hat sie den Beruf selber einmal in Köln gelernt. Gleich mehrere Namen und Adressen hat sie für Petra Walterscheidt parat.

Auf dem Weg über die Kirchstraße zum „Treppchen“ am Rhein kommt Annette Frier ins Schwärmen. „Du hast hier Dorf, du hast hier Kaff, den Rhein hinauf bist du in drei Minuten auf dem Land – aber du bist auch in zehn Minuten in der Südstadt, und einer Viertelstunde am Dom“ – am Rheinufer entlang, auf der schönsten Strecke, die man sich überhaupt nur vorstellen könne. „Ich finde ja ohnehin, das Beste an Köln – neben dieser kleinen Kirche mit den zwei Türmen am Hauptbahnhof – ist der Fluss. Total geil.“

Total – eine von Friers Lieblingsvokabeln. Ihr bevorzugter Platz, das Bootshaus MS Rodenkirchen mit seinen Zweierplätzen auf der dem Fluss zugewandten Seite: „Total schön.“ Auch wegen des kleinen Bootsanlegers vor dem Restaurantschiff. „Man hat für einen Moment das Gefühl: Ich bin in Köln und doch nicht in Köln.“

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Veedelsspaziergang mit Annette Frier.

Auch das findet Frier – total schön. Und die anderen Partyschiffe? Das Rhein Roxy oder die Alte Liebe? Sind ebenfalls super, beeilt sie sich hinzufügen. „Ich will jetzt nichts gesagt haben.“ Auf der Alten Liebe habe sie „das erste Mal geknutscht“. Alles hier ist für sie mit Erinnerungen behaftet.

Vor 15 Jahren hat sie das Bootshaus für sich entdeckt. „Wenn ich meine Ruhe haben und nachdenken will, gibt es für mich nichts Besseres, als bei Sonnenuntergang hier rumzuhängen.“ Sie zeigt auf das Flussufer, die Kranhäuser, die an diesem Tag in milchigem Dunst liegen, und auf die Rodenkirchener Brücke. „Ich will jetzt nicht mit San Francisco kommen. Aber ein bisschen was von »Golden Gate« hat sie doch, oder? Man muss sich halt immer was ausmalen können.“

Der verwunschene Garten

Mit dem 12-Uhr-Läuten von der kleinen weißen Rodenkirchener Kirche, in der ihre Schwester voriges Jahr geheiratet hat („ein großes Familienfest“), geht es weiter flussaufwärts Richtung Godorfer Hafen. „Nach Süden wird es immer schöner, immer wilder. Das meine ich, wenn ich sage, es gibt gute Gründe, hier zu wohnen. Also, mir nach, Männer!“, ruft Frier und tritt in die Pedale.

Am Kilometer 682 biegt sie nach rechts in den Auenweg ab. „Total idyllisch.“ Ihre Großmutter hat hier gewohnt. Beim Jahrhunderthochwasser von 1995 „mussten wir Oma Irma in einer Mülltonne aus dem Haus holen und wegpaddeln.“ Ziel der Tour ist „ein Geheimtipp, der keiner ist“: der Forstbotanische Garten. Kennt doch jeder? Vom Namen vielleicht, weiß Frier. Aber wenn sie mit Besuchern herkommt, gäben die meisten zu: Drin im Park waren sie noch nie. „Total verwunschen“, sagt Annette Frier und beißt in einen Apfel, dass es kracht. „Macht man normalerweise auch nicht im Interview, aber es ist ja nicht fürs Fernsehen.“

Der Park gehört wie das Rheinufer zu Friers „Rückzugsorten“. Auf ihrer einstündigen Joggingrunde morgens komme sie sich vor „wie in der Trumanshow: Ich treffe immer die gleichen Leute zur exakt gleichen Zeit. Und wehe, da verschiebt sich was.“ Auch sie selbst sei Teil dieser Inszenierung. „Manchmal denke ich, jeden Moment kommen die Bühnenbildner und räumen die Kulissen weg.“

Weg aus Köln? Ging nicht

Es gab eine Zeit, in der sie definitiv weg wollte aus Köln. Am liebsten nach Berlin. „Aber jedes Mal, wenn ich einen Mietvertrag unterschreiben sollte, kam ein Anruf aus Köln mit einem Angebot. Es war wie verhext. Köln hat einfach nach mir gegriffen und mich nicht mehr losgelassen.“

Als dann die Kinder da waren und sie mit ihnen am Rhein spazieren ging, habe sie gedacht: „Unfassbar! Jetzt ist es passiert, du bist in einer Zeitschleife gelandet und hängst hier fest.“ Irgendwann aber habe sie die Waffen gestreckt. „Ich glaube, so geht das den Kölnern mit ihrer Stadt seit Tausenden von Jahren. Das wird sich niemals ändern hier.“

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