Römermauer und „Tongern-Denkmal“Vandalismus der Verwaltung

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Das „Monument T-2000“ braucht dringend eine Rostbehandlung.

Köln – Immer wieder erlebe ich es, dass Leser des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit mir Kontakt aufnehmen: „Haben Sie dies oder jenes schon gesehen? Darüber sollten Sie in Ihrer Kolumne etwas sagen!“ So kommt es, dass ich Ihnen heute die antike Römermauer am Stadtmuseum zeige. „Da wachsen überall Bäume raus“, hatte mir jemand gesagt und gemeint, „darum müsste man sich doch kümmern, bevor die Mauer kaputtgeht.“

Ich muss gestehen, ich hatte mir die Stelle vorher nie angeschaut. Sie war mir auch noch nie aufgefallen. Aber ich behaupte in meiner Kolumne ja regelmäßig: Man sieht nur, was man weiß. Also bin ich gleich am nächsten Tag vorbeigegangen. Und siehe da: Es stimmt genau! Am Ansatz der Abdeckung auf der Mauerkrone haben Buschwerk und junge Bäume Wurzeln geschlagen, und nach der schon erreichten Größe zu urteilen, nicht erst seit einem oder zwei Jahren. Ein großer Wurzelstock ist offenbar mal abgehauen, der Stumpf aber an Ort und Stelle belassen worden. Auf der zur Burgmauer hin gelegenen Seite – in der Antike die Stadtseite - geht es mit Wildwuchs und den Schäden am Mauerwerk noch, aber wenn man einmal um die Mauer herumgeht auf die andere, einst der freien Fläche außerhalb der Stadt zugewandte Seite, dann ist das dort wirklich kein Spaß mehr.

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Das antike Mauerwerk ist von Pflanzen überwuchert.

Man sieht an den Verwerfungen in der Mauer ganz gut, wohin es führt, wenn man dem Pflanzenwuchs seinen Lauf lässt. Der Belag  ist zum Teil  hochgehoben und bereits stark angegriffen. Natürlich ist diese Abdeckung der Mauerkrone selbst kein Relikt aus der Römerzeit, das an sich schutzbedürftig wäre. Aber sie schützt ihrerseits die antike Bausubstanz. Geht sie kaputt, läuft das Regenwasser in den Mauerkern und führt dort zu Korrosion.

Alles zum Thema Barbara Schock-Werner

Baudenkmal sträflich vernachlässigt

In ihrem Führer „Das Römisch-Germanische Köln“ schreibt Gerta Wolff über diesen Mauerabschnitt: „Der Weg führt nun fast 90 Meter weit an einem noch in drei Meter Höhe erhaltenen Stück der Stadtbefestigung entlang. Man sieht von der Burgmauer aus im unteren Bereich einige Schichten der Grauwacke-Schale. Im Übrigen ist der Gussmauerkern, der am östlichen und westlichen Ende offenliegt, mit einer modernen Ziegelmauer verblendet. Außen, an der Feldseite (Zeughausstraße), sind noch große Stücke des Originalmauerwerks erhalten.“

Was die Autorin hier als Zeugnis der Stadtgeschichte und als bedeutendes Baudenkmal einer so ausführlichen Beschreibung für wert erachtet, wird heute sträflich vernachlässigt. Aber von wem eigentlich? Auf Anhieb könnte ich beim besten Willen nicht sagen, wer „von Amts wegen“ dafür zuständig wäre, Buschwerk und Bäume auf der Mauer zu entfernen. Der Stadtkonservator? Das Römisch-Germanische Museum als verantwortliche Institution für die Bodendenkmalpflege? Müsste vielleicht das Grünflächenamt tätig werden? Oder die Bezirksregierung als Besitzerin des Parkplatz-Grundstücks? Der Rheinische Verein für Denkmalpflege hat den Umgang der Stadt mit ihren Baudenkmälern vor kurzem unter dem Stichwort „Administrativer Vandalismus“ diskutiert: Jahrelange Vernachlässigung führt zu Riesenschäden, die mit viel Geld wieder beseitigt werden müssen. Und dann die immer gleiche Frage: Wer ist verantwortlich? Vermutlich ist die Suche nach der richtigen Adresse nicht Teil einer Lösung, sondern Teil des Problems. Bei der Römermauer wäre jede der genannten Institutionen auf ihre Weise kompetent – zuständig ist am Ende nur eine. Die müsste sich jetzt bloß noch zuständig wissen.

Ich für meinen Teil weiß eines: Um noch größere Schäden zu vermeiden, die zu reparieren dann richtig aufwendig wäre, sollte der Bewuchs schleunigst verschwinden. Die erforderlichen Arbeiten müssten danach regelmäßig wiederholt werden.

T-2000 gehört dringend gereinigt

„Ach, und wenn Sie schon an Ort und Stelle sind, Frau Schock-Werner“, hatte der zu Beginn erwähnte Leser ergänzt, „dann werfen Sie bitte auch einen kritischen Blick auf das Tongern-Denkmal!“ Worauf,  bitte? Tongern-Denkmal? Haben Sie davon je etwas gehört? Also, ich musste mich – das nächste Geständnis dieser Art – erst einmal schlaumachen. Die beiden parallel zueinander aufgestellten Betonplatten mit Figuren in Tief- und Halbrelief wurden von dem Bildhauer Ralf Verjans zum 2000-jährigen Bestehen der belgischen Stadt Tongern 1987 geschaffen. Alle zehn römischen Schwesterstädte – unter ihnen Rom, Tournai, Metz, Maastricht, Nijmegen, Trier und eben Köln - erhielten als Andenken eine Nachbildung des Kunstwerks, das offiziell „Monument T-2000“ heißt. Es erhielt seinen Platz an der Straße Auf dem Berlich im Abschnitt zwischen Zeughausstraße und Burgmauer.

Im Jahr 2016 gehört T-2000 erstens dringend gereinigt und zweitens einer Rostbehandlung unterzogen. Offenbar ist der Betonguss um die Eisenarmierung im Inneren an einigen Stellen zu dünn, so dass Wasser an das Metall gelangt. Noch wäre eine Sanierung nicht sonderlich schwierig. Aber wenn man nichts unternimmt, sprengt der Rost irgendwann den Beton. Das Objekt als solches muss einem ja nicht unbedingt gefallen. Ich frage hier bewusst weder nach der Sinnhaftigkeit noch nach dem Kunstwert des Ganzen. Aber wenn man es schon in den öffentlichen Raum stellt, sollte irgendjemand auch ein Auge darauf haben. Das ist die Stadt  der Skulptur schuldig und auch sich selbst. Oder soll es einmal heißen: Die Kölner haben das Geschenk der Belgier so lange vergammeln lassen, bis es nicht mehr zu retten war?

Aufgezeichnet von Joachim Frank

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