Sänger der Broilers im Interview„Von Helene Fischer erwarte ich mehr“

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Sänger Sammy Amara (2. v. r.) mit seinen Broilers-Bandkollegen Andreas Brügge, Ines Maybaum, Christian Kubczak und Ronald „Ron“ Hübner (v. l.)

Sänger Sammy Amara (2. v. r.) mit seinen Broilers-Bandkollegen Andreas Brügge, Ines Maybaum, Christian Kubczak und Ronald „Ron“ Hübner (v. l.)

Köln – Sammy Amara, halb Deutscher und halb Iraker, gründete die Broilers 1994 im Düsseldorfer Süden gemeinsam mit Schlagzeuger Andreas Brügge. Ihren Namen verdanken sie dem rüden, von englischen Bands wie Cock Sparrer oder Cockney Rejects inspirierten Oi!-Punk, den die Broilers damals noch spielten.

Nach Jahren als nur szeneintern bekannte Band unterschrieben die Broilers 2011 einen Vertrag bei JKP, dem Label der Toten Hosen, und kamen mit dem Album „Santa Muerte“ erstmals in die Charts (Platz 3). Die beiden Nachfolger „Noir“ (2014) und nun „(Sic!)“ erreichten sogar jeweils auf Anhieb Platz eins.  

Mit uns sprach er im Interview über ihr größtes Konzert, „Lokalfaschismus“ und politische Botschaften in der Musik.

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Herr Amara, an der Spitze der deutschen Charts tummeln sich normalerweise Schlagerstars und sehr radiotaugliche Popmusiker. In den vergangenen Wochen war das anders: Da lagen mit Kreator, der Antilopen Gang und Ihrer Band Musikstile wie Metal, Rap und Punk ganz weit vorne. Ein Grund zum Feiern für Fans der alternativen Musik?

Ja. Das ist etwas Tolles. Denn alle drei Bands sind authentische Bands. Sie machen Musik aus Leidenschaft. Und es tut einfach der ganzen Sache gut, dass nicht immer die gleichen Geister da oben rumkreisen. Die meisten Interpreten in den Charts sind doch von der Stimme und dem Sound her identisch. Da ist es wichtig und gut, wenn so ein paar Störer wie wir reinkommen, denen das alles aus Versehen zugestoßen ist und die das nicht geplant haben.

Nun spielen die Broilers am 25. März das bislang größte Konzert der Bandkarriere nicht in Düsseldorf, sondern in Köln. Ihre Label-Kollegen von den Toten Hosen haben den Zwist zwischen diesen beiden Städten kultiviert. Wie gehen Sie damit um?

Dieser Zwist interessiert uns überhaupt nicht. Wir sind – bis auf unsere Bassistin Ines und unseren Gitarristen Ron – keine Fußballfans. Und wir feiern auch keinen Karneval. Dieser Lokalfaschismus, so nenne ich das mal, ist vielleicht im besten Fall ein bisschen lustig. Und im schlimmsten Fall treffen sich ein paar Hooligans auf der Wiese. Aber ich brauche das alles nicht. Das einzige, was ich diesbezüglich anbringen möchte: Das eine Bier schmeckt zugegebenermaßen besser als das andere... Und ich fände es gut, wenn Köln ein paar Altbierhäuser erlauben würde. Es gibt in Düsseldorf ja auch Kölsch-Brauhäuser.

Nun ja: Marketingexperten sagen, dass das helle Kölsch schlichtweg cooler und moderner als das dunkle Alt sei.

Lirum, larum, Löffelstiel. Das ist kein Argument. Gucken Sie sich die Charts an: Da sind jetzt auch unmoderne Bands auf Platz eins!

Die Toten Hosen sind mit „Tage wie diese“ mittlerweile in den Bierzelten angekommen. Wie würden Sie reagieren, wenn so etwas einmal Ihnen passieren sollte?

Ich würde hoffen, dass der Song, der dann da läuft, ein politischer Song ist. Denn das würde bedeuten, dass wir über diesen Weg den Samen in die Köpfe der Menschen gesät hätten. Den Samen, dass wir aufpassen müssen, nicht wieder in die Zeiten zu geraten, die unsere Großeltern erlebt haben. Dass wir gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aufstehen. Und wenn das dann meinetwegen im Bierzelt sein sollte, wäre das egal. Dann wäre die Botschaft wichtiger als die eigene Befindlichkeit.

Apropos „Botschaft“: Das neue Nummer-Eins-Album ihrer Band, (Sic!), ist extrem politisch geraten.

Ja. Denn derzeit drehen ja wirklich alle am Rad. Die Leute kümmern sich nicht umeinander. Empathie ist ein Fremdwort. Wir müssen sehr gut aufeinander aufpassen.

Fühlen Sie sich gerade als Musiker dazu verpflichtet, in einer solchen Situation Ihre Meinung zu äußern und die Leute aufzurütteln?

Ja. Ich will etwas sagen. Wohlgemerkt: Ohne den Zeigefinger zu heben, denn Ausschimpfen hat noch nie etwas gebracht. Aber ich will Denkanstöße liefern. Und das ist eine Sache, die ich mir von viel mehr Künstlern wünsche. Es sind nämlich immer die üblichen Verdächtigen, die das Maul aufmachen.

Und wer sind die anderen?

Vor allem im musikalischen Mainstream sind es nur ganz wenige. Die meisten halten schön ihre Schnauze, machen ihre Radiomusik und wollen bloß nicht anecken, um keine Hörer zu verprellen. Helene Fischer etwa hält sich ja nicht umsonst zurück… Wissen Sie: Von der Schlagerszene an sich will ich ja noch nicht einmal so viel erwarten. Aber von ihr schon. Denn sie ist extrem erfolgreich. Die Leute hören ihr zu.

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