Samuel Koch im Interview„Das Kopfsteinpflaster um den Kölner Dom ist ziemlich dumm“

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Menschen reagierten sehr unterschiedlich auf seine Behinderung, sagt Samuel Koch.

Menschen reagierten sehr unterschiedlich auf seine Behinderung, sagt Samuel Koch.

  • Schauspieler Samuel Koch wurde durch einen Unfall bei der Sendung „Wetten dass...?” querschnittsgelähmt.
  • Bei einem Interview im Mai 2017 sprach er mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger” über Berührungsängste, die Menschen ihm gegenüber im Alltag haben und was er durch seine Behinderung gelernt hat.
  • Außerdem erzählte er, was ihm an Köln gefällt. Aus unserer Best-of-Reihe.

Köln – Schauspieler Samuel Koch (29) ist seit einem Unfall bei der ZDF-Show „Wetten, dass...?“ vom Hals an abwärts gelähmt. 2014 schloss er sein Schauspiel-Studium in Hannover ab und ist seitdem festes Mitglied im Ensemble des Staatstheaters Darmstadt. Darüber hinaus war er in einigen Filmen zu sehen.

Herr Koch, wie begegnen Ihnen Berührungsängste im Alltag?

Ganz unterschiedlich. Wer mit den Unterschieden vertraut ist, der hat auch im Alltag keine Berührungsängste. Das merke ich gerade bei kleinen Kindern. Die sind oft unverblümt. Mir ist es schon mal passiert, dass sie einen großen Bogen um mich machen. Sie sehen den Rollstuhl und haben großen Respekt davor. Da ist ein Mensch, der fast mehr aus Maschine besteht. So etwas haben sie dann noch nie gesehen. Andere Kinder sind neugierig, krabbeln auf meinen Schoß, um das große Viech auch mal zu steuern.

Haben Sie einen Trick, wie Sie Menschen die Scheu nehmen?

Es ist nicht nur eine Partei, die sich überwinden muss. Beide Seiten sollten sich einbringen. Das merke ich auch an mir. Das Miteinander funktioniert besser, wenn ich auf die Leute zu gehe. Ich kann ihnen eben nicht richtig die Hand schütteln. Dafür umarmen wir uns dann.

Köln ist supertolerant, heißt es immer, unter anderem in Karnevals-Liedern. Gilt das auch für Menschen mit Behinderungen?

Ich glaube schon. Ich war gerade zwei Monate in Köln für Dreharbeiten. Ich habe im Belgischen Viertel gelebt und auch Karneval gefeiert. Dieses Modewort Inklusion ist ja dann erreicht und quasi abgeschafft, wenn mir nichts Negatives aufgefallen ist. Ich war überall unterwegs, habe mitgefeiert und mitgelebt, ohne mich zu unterscheiden. Klar musste bei der ein oder anderen Kneipe eine Rampe angelegt werden. Aber danach war man einer unter vielen – auf Augenhöhe. Das habe ich in manchen Städten schon anders erlebt.

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Köln ist jüngst in einer „Aktion Mensch“-Studie auf dem letzten Platz aller Großstädte gelandet, was Barrierefreiheit angeht. Was stört Sie in Köln besonders?

Ich habe ein behindertengerechtes Auto. Daher kann ich nicht beurteilen, wie es ist, sich in der Stadt mit Bus und Bahn fortzubewegen. Eine Sache ist mir aber aufgefallen: In der Gegend um den Dom herum gibt es viel Kopfsteinpflaster. Das ist für Rollstuhlfahrer ziemlich dumm. Die Stadt hat diese abgeschliffen, aber wohl denkmalschutztechnisch bewahrt. So war die Fläche wieder angenehm zu befahren.

Was gefällt Ihnen besonders an Köln?

Ich mag den Dialekt hier. Ich komme gebürtig aus Neuwied am Rhein, dort wohnen auch noch meine Großeltern. Das Rheinländische weckt wahrscheinlich Heimatgefühle in mir.

Haben Sie einen Lieblingsort?

Ich schaue mir gerne das Sportmuseum an. Sport fasziniert mich immer noch. Er ist ein absoluter Vorreiter des inklusiven Lebens, weil er die Welt vereint – ob bei einer Weltmeisterschaft, bei den Olympischen Spielen oder beim Tag der Begegnung. Generell bin ich ganz gerne am Rhein in der Sonne, ob nun in der Ecke mit dem Schokoladenmuseum oder in Rodenkirchen bei den Restaurantbooten. Damit verbinde ich viele gute Erinnerungen.

Was ist das Wichtigste, was Sie durch Ihre Behinderung gelernt haben?

Ich würde nicht die Behinderung dafür verantwortlich machen. Diese Erfahrung hat mich um keine neuen Erkenntnisse bereichert. Eher hat sich die Perspektive verschoben, mit der ich auf scheinbar wichtige Dinge im Leben schaue. Mein Begriff von Freiheit hat sich erweitert. Man sollte nicht alles auf seine Leistung geben wie die Fähigkeit, noch surfen zu können. Die Erkenntnis, dass ich abhängig bin, macht mich frei.

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