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Schauspieleragentur-Chefin Fendel„Köln ist ein Dorf, der Rest ist Vorstadt“

Lesezeit 6 Minuten
Agentur-Chefin Heike-Melba Fendel.

Agentur-Chefin Heike-Melba Fendel.

Köln – Frau Fendel, Sie organisieren viele Preisverleihungen und Galas. Ist Ihnen schon mal eine so peinliche Panne passiert wie letztens bei den Oscars, als ein Gewinner-Umschlag verwechselt wurde?

Klar, Schauspielerin Hanna Schygulla sollte den Ehrenpreis des hessischen Ministerpräsidenten bekommen. Alle waren schon da, aber ihr Flugzeug kreiste und kreiste über Frankfurt. Wir hatten glücklicherweise eine Klezmer-Band mit einem großen Repertoire da, die einfach 30 Minuten weiterspielte. Als sie endlich kam, herrschte so ein Gedränge, dass ein Kameramann sich hektisch umdrehte und Hanna Schygullas Begleitung bewusstlos schlug.

Wie behält man dabei die Nerven?

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Wenn ich weiß, etwas liegt nicht mehr in meiner Macht, dann werde ich ruhig. Ansonsten bin ich wie ein Duracell-Hase, will immer alles perfekt machen, immer auf dem Sprung.

Heutzutage scheinen Stars und Fernsehsender allgegenwärtig. Als Sie vor 20 Jahren mit Ihrer Agentur in Köln anfingen, da war das noch eine andere Zeit.

In den 90er Jahren kamen die ersten Privatsender, es gab jede Menge öffentliches Geld für Medienprojekte. Das war eine Umbruchstimmung, die auch politisch gewollt war – vor allem vom damaligen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement. Kohle abbauen, Medien aufbauen, hieß es.

Die Banken warfen der Medienbranche die Kohle hinterher und Sie konnten Ihr Barbarella-Projekt aufbauen?

Ja, die Banken waren ganz offen dafür, obwohl ich überhaupt keine kaufmännische Ahnung hatte. Man musste nur das Zauberwort Medien sagen.

Köln ist keine Schauspieler-Stadt

1999 haben Sie auch in Berlin ein Büro aufgemacht. War Köln zu piefig?

Es war damals so und ist noch heute so: Drei Viertel aller deutschen Schauspieler und Moderatoren leben in Berlin, das restliche Viertel auch nicht in Köln. Gedreht wird hier zwar viel, aber die Stadt hat nicht genug Anziehungskraft, um die Leute zu halten. In Berlin brannte vor 20 Jahren die Luft, es war die Verheißung der großen weiten Welt.

Die große deutsche Welt haben Sie jedenfalls in Ihre Agentur geholt. Sie vertreten viele der am meisten beschäftigten Schauspieler und Moderatoren: Matthias Brandt, Maria Furtwängler, August Zirner, Bettina Böttinger, Dunja Hayali, Ingo Zamperoni. Lässt sich eine Maria Furtwängler von ihrer Agentin überhaupt etwas sagen? Ich hätte etwas Angst vor dieser Persönlichkeit.

Ja, eine Maria Furtwängler lässt sich durchaus etwas sagen. Und das zeichnet sie auch aus. Kluge Menschen lassen sich immer etwas sagen. Sie wissen, was sie können und was sie nicht können. Da ist sie meisterlich. Das macht die Arbeit völlig reibungslos. Unsichere Menschen sind schwierig, sie rufen ständig an, lassen sich von vielen Menschen reinreden.

Stars sind verwundbar

Sie tragen eine große Mitverantwortung für die Karrieren. Wie hält man da Kontakt?

Es ist ähnlich persönlich wie eine private Beziehung. In Planungsphasen telefoniert man täglich, sitzt einmal in der Woche zusammen. Und bei Krisen – wenn etwa lange keine Aufträge mehr kommen – muss man auch eine Art psychologische Betreuung bieten. Stars stehen für Flops mit ihrem Gesicht. Das macht sie verwundbar. Viele Menschen glauben, sie hätten ein Recht an Prominenten, jeder kann sie fotografieren und belatschern. Selbst eine gestandene Journalistin wie Dunja Hayali hat da schon mal Momente, in denen sie denkt: Sind denn alle verrückt geworden?

Wer waren die ersten Schützlinge?

Esther Schweins, eine Freundin von mir. Der erste Nicht-Schauspieler war Max Moor, der damals noch Dieter hieß. Bei Moderatoren haben wir inzwischen fast alle, die ich haben wollte. Da fehlen uns nur noch zwei, aber ich bleibe dran...

Sie pendeln zwischen Berlin und Köln. Welche Stadt bevorzugen Sie?

Berlin hat sich inzwischen sortiert. Die Mieten sind nicht mehr so billig, Restaurantplätze werden nach Wichtigkeit vergeben. Die Luft glimmt nur noch. Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich mal ganz nach Berlin gehen werde, aber habe es dann doch nicht gemacht.

Warum Köln gegen Berlin gewonnen hat

Wodurch hat Köln wieder gewonnen?

Das ist eine ganz persönliche Sache: Ich habe die Stadt als meine Heimat wiederentdeckt. Vieles, was ich schrecklich fand, mag ich jetzt. Zum Beispiel das sehr kleine Zentrum. Ich hatte geschätzt 15 verschiedene Wohnungen, alle im Belgischen Viertel. Und das Büro wurde auch nur von der Brabanter Straße an die Aachener Straße verlegt. Köln ist ein Dorf, der Rest ist Vorstadt.

Das ist natürlich auch sehr eng.

Ja, das ist die Kehrseite. Die, die immer hiergeblieben sind, meinen trotzig: Wir lassen uns unsere Köln-Folklore nicht wegnehmen. Die Gemütlichkeit ummantelt eine gewisse Antriebslosigkeit und Mutlosigkeit. Leider prangen einem ja schon auf dem Flughafen die schrecklichen Kölner Gebote entgegen. Kölscher Imperativ: bloß nicht so viel wollen.

Was könnte man dagegen tun?

Wir bräuchten Schlüsselpersönlichkeiten und Orte, die integrieren und anziehen. Man spricht ja nicht umsonst noch heute von Gigi Campi und seinen Läden, wo sich Musiker, Fernsehleute, Journalisten und Künstler trafen. Am ehesten kommt da vielleicht noch das Schmitz-Restaurant-Imperium hier an der Aachener Straße heran, das übrigens von meinem Schulkameraden Dirk Mecky aus Longerich geführt wird. So schließen sich wieder die Kreise. Was hier auch fehlt, ist ein schönes Premierenkino. Alle wichtigen Premieren werden in Essen gefeiert, weil die Lichtburg einfach groß und wunderschön ist.

Könnten Sie da nicht auch noch einsteigen?

Ich wollte mal die lange leerstehende Lupe 2 am Mauritiussteinweg übernehmen, aber da siegte das einzige Mal in meinem Leben die unternehmerische Vernunft.

Karrierebeginn als Gogo-Tänzerin

Woher kommt der Vorname Melba? Ist der echt?

Ich bin mit 17 von zu Hause weg und in ein besetztes Haus an der Ecke Antwerpener/Brüsseler Straße gezogen. Es war eines der Objekte des berüchtigten Immobilienunternehmers Günther Kaußen. Mit Freunden haben wir dort erste Super-8-Filme gedreht. Ich ging als angeblich berühmte amerikanische Schauspielerin in Pelzmantel und Abendkleid durch Köln. Das war so ein Experimentalquatsch, wir haben gefilmt, wie die Leute reagieren. Für die Rolle legte ich mir den Namen Melba Crown zu. Der blieb an mir hängen.

Und dann sind Sie unter dem Namen in New York als Gogo-Tänzerin aufgetreten?

Ja, ich bin nach New York gegangen, habe Schauspielunterricht genommen und zwei Jahre in einem Club getanzt. Da war ich 19.

Was haben Ihre Eltern dazu gesagt?

Die wussten nicht so genau, was ich da mache, es gab noch kein Internet und man hat selten telefoniert. Ich fand es erst schick, dachte, so etwas gehört eben zu der großen Stadt. Aber dann ist mir die Ausbeutung hinter dieser Arbeit klar geworden. Die Zeit ist mir nicht peinlich, aber ich bin auch nicht stolz drauf.

Neben Ihren Projekten haben Sie nun Ihren zweiten Roman geschrieben, er spielt auf der Berlinale und erzählt von einer Frau, die das Kino liebt. Wie schaffen Sie das alles?

Ich habe in meinem Leben Gemütlichkeit immer zu verhindern gewusst.

Könnten Sie da nicht auch noch den Deutschen Fernsehpreis, der seit Jahren vor sich hinsiecht, mal auf Vordermann bringen? Oder sollte man diese langweilige Selbstbeweihräucherungsveranstaltung ganz lassen?

Der Gedanke, dass man sich als Branche feiern möchte, ist grundsätzlich richtig. Aber die immer gleichen Rituale langweilen Macher und Zuschauer. Dann lieber was Neues ausprobieren und fulminant scheitern.

Heike-Melba Fendel wurde 1961 in Köln geboren. 1991 gründete sie die Agentur „Barbarella Entertainment“. Heute hat sie 15 Angestellte in Köln und Berlin, die zahlreiche Schauspieler und Moderatoren betreuen. Außerdem organisiert Fendel Galas wie den Bayerischen Filmpreis und den Deutschen Theaterpreis. Soeben erschienen ist ihr Roman „Zehn Tage im Februar“ über die Berlinale.

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