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SeebergDie Heimat von Big-Brother-Jürgen

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Veedelspaziergang mit Jürgen Milski in Seeberg.

Veedelspaziergang mit Jürgen Milski in Seeberg.

Seeberg/Köln – In Alt-Seeberg hat er sich seinen Traum verwirklicht. „Hier wollten wir schon immer ein Haus haben. Die Lage ist perfekt“, schwärmt Jürgen Milski, besser bekannt als Big-Brother-Jürgen. Die erste Staffel der Container-Show hatte den gelernten Feinblechner prominent gemacht, heute arbeitet er als Fernsehmoderator und Sänger.

Warum es ausgerechnet ein Haus in Seeberg sein sollte? „Ich bin in Chorweiler aufgewachsen“, erzählt Jürgen, der stets unter seinem Vornamen auftritt. Er wohnte in einem der Hochhäuser an der Stockholmer Allee, die Reihenhäuser in Alt-Seeberg kannte er von Besuchen im Seeberger Park. „Da habe ich meine Freizeit verbracht“, erinnert er sich. Es scheinen schöne Erinnerungen zu sein, die ihm da kommen. Als er übers Fußballspielen mit den Kumpeln erzählt, lächelt er, und die Lachfältchen um seine Augen kräuseln sich. „Erst haben wir Hausaufgaben gemacht“, beschreibt Jürgen, „dann sind wir im Park kicken gegangen.“

An eben diesem Park wollte er gern einmal wohnen. Den Traum hat er seiner Lebensgefährtin, der Tochter und sich verwirklicht. „Wenn ich mal sonntags zu Hause bin, treffe ich die alten Kumpel heute noch zum Fußballspielen“, sagt er. Das klappt aber selten. Jürgen ist meist fünf Tage die Woche unterwegs. Er moderiert in München bei Sport 1 eine Quiz-Show, singt während der Karnevalssession in Sälen in einem Umkreis von 100 Kilometern rings um Köln. Im Sommer tritt er zweimal pro Woche auf Mallorca auf – donnerstags im Oberbayern, sonntags im Bierkönig. Nur über die Almhütten tourt er im Winter nicht mehr. „Das lohnt sich nicht, die Anfahrten sind zu lang, das mache ich nicht mehr.“

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Halt bei der Familie

Jürgen hat sein Glück gemacht. Nach Big Brother bekam er Angebote für Fernsehshows, sollte Singles aufnehmen. Aber das war zu viel für ihn, vor Big Brother hatte ihn keiner gekannt, plötzlich wollte jeder etwas von ihm. Er zog sich zurück, arbeitete weiter als Feinblechner bei Ford in Niehl, suchte Halt bei seiner Familie. Als er sich nach dieser Auszeit dann doch fürs Entertainment-Geschäft entschied, hat es sich gelohnt für ihn: „Damals hatte ich eine 37,5-Stunden-Woche, heute arbeite ich etwa dreimal so viel. Dafür verdiene ich heute am Tag aber auch so viel wie damals im Monat.“

Warum es da ausgerechnet das Haus in Seeberg sein musste? Er könnte sich doch auch andere Viertel leisten. „Ich finde es perfekt hier“, sagt er, und seine Stimme wird energisch. „Viele verwechseln Chorweiler mit Seeberg und haben dadurch ungerechtfertigte Vorurteile. Dabei ist die Lage ganz ruhig hier“, sagt er, „wir sind unmittelbar am Park. Ich kann da joggen, Rad fahren. Ich lebe einfach gerne hier.“

Einkaufen fürs Familienfrühstück

Das soll so bleiben; jedenfalls, wenn es nach der Passantin geht, die er auf dem Weg in die Fußgängerzone trifft. „Hallo, Jürgen“, ruft sie ihm zu, „bleib uns treu!“ Er lacht, nickt in ihre Richtung. „Siehste“, sagt er. Seeberg ist dreigeteilt. Die Fußgängerzone liegt in Seeberg-Nord, das mit seinen Hochhäusern an Chorweiler grenzt. In Seeberg-Süd heben sich die Häuser von Bungalow-Höhe hin zu mehrstöckigen Gebäuden. Das Bild von Alt-Seeberg, wo Jürgen wohnt, ist geprägt von Reihenhäusern.

Wenn er einkauft fürs Familienfrühstück, läuft Jürgen in die Fußgängerzone, besorgt dort drei normale Brötchen, ein Mehrkorn und ein Croissant bei Bäcker Newzella. „Hallo, Jürgen“, grüßt ihn Verkäuferin Handan Haciyusufoglu. Er bleibt auf einen Kaffee, setzt sich in die karnevalistisch geschmückte Ecke. Lieber Kaffee als Tee? „Ja, klar“, er zieht die Brauen hoch, verzieht den Mund. „Tee kommt mir nicht in die Tasse, außer, ich bin krank.“

Zwei mal wöchentlich im Fitnesstudio

Aber davor schützt er sich, er will gesund sein für seine Auftritte. Mit Stefan Stürmer hat er für die Session „Zu mir oder zu dir“ aufgenommen, ein Hit vom neuen Album „Immer gut gelaunt“. Fit hält er sich mit zwei Besuchen die Woche im Fitnessstudio. Und er kauft frische Mandarinen beim Obst- und Gemüsehändler Aks!yon, gleich neben dem Bäcker. „Diebstahl ist aber verboten“, scherzt eine Passantin mit ihm. „Ich klau nix!“, beteuert er.

Ein Stückchen weiter stoppt Jürgen vorm Kinder- und Jugendzentrum Treff. „Hier hatte ich meinen Konfirmandenunterricht“, berichtet er. „Das war eine tolle Truppe“, schwärmt er. „Wir haben viele Wochenendfahrten von hier aus gemacht, aber frag mich nicht mehr wohin. Eine Stunde Busfahrt, dann waren wir da.“ In der achten Klasse sind Jürgen und seine Mitschüler allerdings mal nicht in einer Jugendherberge gelandet. „Daran erinnere ich mich noch genau“, erzählt er. „Die Lehrerin hat in der Jugendherberge angerufen, die haben gefragt, welche Schule das sei. «Hauptschule Karl-Marx-Allee», hat sie geantwortet. Und dann haben die gesagt: «Nee, Kommunisten nehmen wir nicht.»“ Er lacht, schüttelt den Kopf. Ein Erlebnis, das seinen Nachfolgern nicht mehr passieren kann, die Schule ist inzwischen nach dem früheren Bundespräsidenten Gustav Heinemann benannt.

Wie in einem Ghetto

Geändert hat sich über die Jahre auch sein altes Viertel Chorweiler. Darüber denkt Jürgen nach, als er am Fühlinger See entlang spaziert, in Richtung der Hochhäuser blickt. „Chorweiler ist über die Jahre sehr heruntergekommen“, findet er. „Ich war 1972 einer der ersten Mieter an der Stockholmer Allee, das war eine gute Gegend damals. Aber inzwischen hast du Angst, wenn du nur in die Straße gehst. Das sind amerikanische Ghetto-Verhältnisse.“

Der Wind bläst kalt vom Wasser herüber, Jürgen zieht die Jacke mit dem „Cologne“-Schriftzug ein wenig enger um die Schultern. Es ist ein Stück der Köllektion, seiner Köln-Mode. Matsch klebt inzwischen an seinen Turnschuhen. Er lässt seinen Gedanken freien Lauf. Wie lange er noch im Unterhaltungsgeschäft bleiben will? 50 wird er im November, wollte er da nicht mal aufhören? „Stimmt“, gesteht er, „das habe ich vor anderthalb Jahren gesagt, da war mir alles zu viel.“ Aber das sei vorbei.

„Das macht alles so einen Bock, ich mach doch noch ein paar Jährchen weiter.“ Wie lange? Da mag er sich nicht festlegen. „Jürgen Drews bewundere ich sehr“, sagt er, „wie der mit 67 noch aussieht, wie der auftritt, das ist schon top.“ Also weitersingen bis 67? „Weiß ich nicht. Vielleicht haben wir ja irgendwann ein kleines Hotel, das könnte mich auch glücklich machen.“ In den Bergen irgendwo; aus Seeberg will er aber dennoch nicht weg. „Selbst wenn wir ein Hotel in den Bergen eröffnen würden, mein Haus in Seeberg würde ich nie aufgeben“, stellt er klar. „Hier bin ich verwurzelt, und meine Wurzeln würde ich nie kappen.“ Und außerdem: Wer gäbe denn schon freiwillig sein Traumhaus auf?

www.der-juergen.de

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