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Scheinurteil gerügtStaatsanwaltschaft prüft Anfangsverdacht gegen Kölner Amtsrichter

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Symbolbild

Köln – Eine derart heftige Kollegenschelte unter Richtern haben selbst erfahrene Justizbeamte noch nicht erlebt. Die schriftliche Urteilsbegründung der ersten Instanz sei „schlicht eine Frechheit“, befand Kammervorsitzender Helge Eiselt vom Landgericht.

Was der Kölner Amtsrichter Hans-Dieter Küchel (Name geändert) verfasst habe, sei ein „Scheinurteil“; es sei „grob fehlerhaft“ und werde nicht nur den Prozessbeteiligten, „sondern auch und gerade dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit in keiner Weise mehr gerecht“. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ beschäftigt sich eine Spezialabteilung der Staatsanwaltschaft mit dem Fall. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich der Amtsrichter wegen Rechtsbeugung verantworten muss.

Viel zu geringe Strafe gegen Lkw-Fahrer

„Die Akten sind der zuständigen Fachabteilung zugeleitet worden. Dort wird geprüft, ob ein Anfangsverdacht besteht“, bestätigte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer.

Am Anfang der Affäre stand eine anscheinend viel zu geringe Strafe, die der Amtsrichter im Februar 2015 gegen einen Lkw-Fahrer verhängt hatte. Küchel verurteilte den Mann wegen fahrlässigen Vollrauschs zur Zahlung von 90 Tagessätzen zu je 40 Euro.

Der Berufskraftfahrer war auf einem Parkplatz unter starkem Einfluss von Alkohol und Haschisch auf eine Gruppe feiernder Jugendlicher zugerast und hat dabei einen von ihnen am Fuß verletzt. Nachdem der Täter wenig später von Polizeibeamten gestellt wurde und zur Blutprobe gebracht werden sollte, wehrte er sich mit Schlägen und Fußtritten.

Die Staatsanwaltschaft legte Berufung gegen das Urteil ein. Das Landgericht gab dem weitgehend statt. Wegen gefährlicher Körperverletzung, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr erhielt der Angeklagte eine Freiheitsstrafe von 13 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde (Aktenzeichen 152 Ns 59/15).

Vorgehen des Richters sei „höchst bedenklich"

Nach Auffassung der 2. Berufungskammer hat Amtsrichter Küchel nicht nur zu milde geurteilt. Die von ihm vorgelegte schriftliche Begründung entspreche nicht einmal ansatzweise den Vorschriften. Anstatt die Beweise zu würdigen habe er weitgehend „völlig sinnfrei“ einen Schriftsatz mit der Argumentation des Verteidigers sowie weitere Unterlagen aus den Akten in das Urteil kopiert.

Das Vorgehen des Amtsrichters sei „höchst bedenklich“, auch mit Blick auf die Tatbestände Strafvereitelung im Amt und Rechtsbeugung. Laut Strafgesetzbuch wird ein Richter, der sich bei einer Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei der Beugung des Rechts schuldig macht“, mit einer Gefängnisstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

Dass ein Richter tatsächlich einmal verurteilt wird, geschieht in Deutschland äußerst selten. „Wir haben jährlich rund 25 000 Verfahren, so ein Fall ist mir in meiner bisherigen Laufbahn nicht bekannt“, sagt der Sprecher des Amtsgericht, Wolfgang Schorn. „Nachdem der Sachverhalt hier bekanntwurde, hat die Behördenleitung die erforderlichen Maßnahmen ergriffen.“ Einzelheiten nannte er nicht. Wie im Justizzentrum an der Luxemburger Straße zu erfahren war, ist Amtsrichter Küchel im vorigen Jahr im Alter von 62 Jahren in Ruhestand gegangen.

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