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Seit 1990 vermisst„Ich hoffe, dass David lebt“ – einstige Freundin möchte Klarheit

Lesezeit 4 Minuten
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Der vermisste David Lück.

  • 1990 verschwanden Henriette Lück und ihr Sohn David im Brücker Wald spurlos.
  • Weder Ermittler noch Bekannte der Frau haben je ein Lebenszeichen der beiden erhalten.
  • Nun gibt es offenbar neue Hinweise.

Köln – Es gibt Menschen in Köln, für die die Wiederaufnahme der Suche nach der seit 1990 vermissten Henriette Lück und ihrem Sohn David eine hoch emotionale Belastung bedeutet.

Die damals 39-jährige Frau und das elf Monate alte Kind waren im Brücker Wald nahe ihrer Wohnung spurlos verschwunden – weder Ermittler noch Bekannte der Frau haben je ein Lebenszeichen der beiden erhalten.

Austausch über Geschehnisse von vor 26 Jahren

„Dass das jetzt alles wieder hochkommt, macht mir zu schaffen“, sagt Gisela K.. Sie trifft sich derzeit oft mit Freundinnen, die Henriette Lück auch gekannt haben, um sich über die Geschehnisse von vor 26 Jahren auszutauschen.

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Lück und K. wohnten lange zusammen. Sie lebt noch immer in dem kleinen Haus am Rand von Brück.

Bis heute hat sie sich nicht damit abfinden können und wollen, dass ihre langjährige Freundin „Henni“ tot sein soll. K.: „Zehn Jahre lang haben wir hier zusammengelebt, auch der kleine David hat sein erstes Lebensjahr hier verbracht, das vergisst man nicht.“

Suchaktion initiiert

Die heute 77-Jährige hat in den 90er Jahren Suchaktionen mit Familienangehörigen und Freunden der Vermissten initiiert, denn die Ermittlungen der Polizei seien ihrer Ansicht nach damals nicht ausreichend intensiv vorangetrieben worden.

„Ich hatte den Eindruck, die Beamten hätten mehr tun können, um Henriette zu finden“, sagt K. Auch der Darstellung, dass Lück einen Spaziergang mit ihrem Sohn durch den Wald gemacht habe, widerspricht sie.

„An dem Tag gab es ein verabredetes Treffen“

„An dem Tag gab es ein verabredetes Treffen von Henriette und Stjepan. Davor hat Henni sich gefürchtet. Es sollte besprochen werden, wie es zwischen den beiden weitergeht, und wie die Zukunft des Jungen aussehen soll“, erläutert Gisela K.

Ihr Wissen habe sie der Polizei damals auch mitgeteilt. K. hatte von Nachbarn erfahren, dass es schon zum Streit gekommen sein soll, bevor die beiden losgingen. So habe Davids Vater, Stjepan Ivesic, verlangt, dass er am Sorgerecht für den Jungen beteiligt werde.

Und bereits Wochen vor dem Treffen habe Ivesic laut K. darauf gedrängt, dass Lück ihn heirate. „Darüber hat sie sogar nachgedacht“, sagt K., „aber Henni war eine selbstbewusste Frau, die sich Zeit für ihre Entscheidungen nahm.“ Sie habe Angst davor gehabt, dass Ivesic ihr den Sohn wegnimmt.

K.: „Vor dem Treffen im April 90 hat Henriette mal zu mir gesagt: »Gisela, falls Stjepan kommt, wenn ich nicht da bin und er den Jungen haben will – gib ihn nicht heraus«.“

Die 77-Jährige zeigt zwar Verständnis für den Vater von David. „Natürlich wollte Stjepan mitentscheiden, was aus dem Jungen wird“, sagt sie. Aber er habe Lück unter Druck gesetzt – und den Polizisten bei der späteren Befragung nur ein KVB-Ticket als Alibi präsentiert.

„Was soll das beweisen?“, fragt die Freundin von Henriette Lück. Sie ist bis heute überzeugt, dass Ivesic zumindest indirekt für das Verschwinden von Mutter und Sohn verantwortlich ist.

Den Ermittlungen der Kripo zufolge wollte Lück Ivesic am fraglichen Tag zur Station „Lustheide“ begleiten, wo er in eine Bahn der Linie 1 gestiegen sein soll. Somit ist er der letzte Mensch, mit dem Henriette Lück und der Sohn gesehen wurden.

Die Polizei weiß derzeit nicht, wo Ivesic lebt, er stammt aus Kroatien. Einen gemeldeter Wohnsitz in Deutschland existiert den Beamten zufolge nicht. Laut „Express“ hält er sich allerdings derzeit in Kalk auf.

„Die Kollegen konnten Ivesic damals einfach nicht nachweisen, dass er für das Verschwinden von Frau Lück und David verantwortlich ist“, sagt Polizeisprecher Wolfgang Baldes. Von 1994 bis 1999 hatten Fahnder wegen Mordverdachts gegen Stjepan Ivesic ermittelt.

Baldes ergänzt: „Sie haben ihn zigmal vernommen. Und bis eine eigens eingerichtete Mordkommission die Arbeit einstellt – vorher hat die hartnäckig versucht, die Wahrheit herauszufinden.“

Gisela K. ist anderer Meinung: „Es gab so viele Hinweise darauf, dass Stjepan aus verletztem Stolz nicht hinnehmen wollte, dass nicht er selbst, sondern eine Frau die Entscheidungen trifft.“

Auch Suchaktionen der Polizei habe es „nur immer mal wieder“ gegeben, sagt K. Gisela K.s Hoffnungen ruhen nun auf den Beamten, die seit Wiederaufnahme des Falls bereits mehrmals mit ihr darüber gesprochen haben: „Die waren anders, ich hatte das Gefühl, dass die tatsächlich etwas herausfinden können“, sagt die Brücker Seniorin.

„Hoffe, dass die erneute Suche Klarheit bringt“

Nur darum habe sie sich – obwohl es ihr nicht leichtfällt – dazu entschlossen, mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die Geschehnisse von damals zu reden. Gisela K.: „Ich hoffe, dass David wirklich lebt und die erneute Suche endlich Klarheit darüber bringt, was damals passiert ist.“

Obwohl sich K. davor fürchtet, dass so auch der Tod ihrer Freundin Gewissheit werden könnte.

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