Silvesternacht in KölnSextäter zu einem Jahr und neun Monaten Haft verurteilt

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Das Ordnungsamt konnte an Silvester der unübersichtlichen Situation vor dem Hauptbahnhof nicht Herr werden.

Köln – Drei Aliasnamen, drei Asylanträge unter falschem Namen, eine Abschiebung und eine illegale Wiedereinreise in die Bundesrepublik: Der Mann mit den verschiedenen Identitäten wurde am Donnerstag vor dem Kölner Amtsgericht als Sextäter aus der Silvesternacht für ein Jahr und neun Monate hinter Gitter geschickt. Das Gericht erkannte auf tätliche Beleidigung, Diebstahl und Verstoß gegen das Aufenthaltsrecht. Die Staatsanwältin hatte eine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren gefordert. Laut Anklage hatte der gebürtige Libyer in der Silvesternacht mehrfach Frauen ans Gesäß, den Busen und an die Genitalien gefasst und ihnen Handys gestohlen.

„Es war wie bei einer Krake. Ich hatte Hände an Körperstellen, wo man sie nicht haben will“, sagte Doro S. (47, Name geändert, Unternehmerin) im Zeugenstand. Ihrer gleichaltrigen Freundin erging es ebenso: „Die Hände waren vorne und hinten, überall am Körper, über und in der Hose.“ Die beiden Frauen gehören zu den Opfern des Silvestergeschehens auf der Domplatte. Fünf Monate später hatte die Polizei bei Mohamed A. (laut Anklage 25 Jahre alt) im Rahmen einer Personalienüberprüfung eines der gestohlenen Handys sichergestellt. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Seine Verteidigungsstrategie ist offensichtlich: Er war es gar nicht, war gar nicht in Köln, sondern zum Tatzeitpunkt in einer Düsseldorfer Diskothek. Dort will er unmittelbar nach Mitternacht von einem Unbekannten das gestohlene Handy für 30 Euro erworben haben. „Sie strapazieren Zufälle auf ein unzumutbares Maß“, hieß es dazu in der Urteilsbegründung.

Schwierigkeiten bei Identifizierung des Täters

Die alles entscheidende Frage im Prozess ist der Aspekt der Wiedererkennung – und da bestanden zunächst einige Zweifel. Bei der Polizei hatte sich eine Frau angeblich eindeutig negativ hinsichtlich der Identifizierung geäußert, im Prozess sagte sie nun das genaue Gegenteil: „Er war es. Da bin ich mir zu 100 Prozent sicher.“ Sie habe sich damals zwar resolut gewehrt: „Ich habe geschrien, um mich geschlagen, getreten.“ Doch ihr offensives Verhalten täuscht nicht darüber hinweg; um das Geschehen zu verarbeiten, hatte sie therapeutische Hilfe gesucht, denn. „Die Täter haben mir meine Sicherheit genommen.“

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Auch Jurastudentin Tina S. (28, Name geändert) – ebenfalls Opfer aus der Silvesternacht – hat das Erlebte nachhaltig beeinflusst: „In Köln gehe ich abends nicht mehr ohne Begleitung aus.“ Die Studentin war mit ihrem Freund auf dem Heimweg, wollte zum Zug, zuvor hatte sie Silvester auf der MS Loreley gefeiert, als sie auf dem Weg zu den Gleisen plötzlich von hinten eine Hand im Schritt spürte: „Es war ein gezielter Griff zwischen die Beine.“ Ihr Freund zog sie einfach weiter, oben auf dem Bahnsteig brach sie schließlich in Tränen aus, zwei Tage später erstattete sie Strafanzeige.

Angeklagter hat Sicherheitsgefühl in Bevölkerung beeinträchtigt

Bei der polizeilichen Lichtbildvorlage hatte sie den Angeklagten mit 50-prozentiger Sicherheit erkannt, im Gerichtssaal schwanden auch letzte Zweifel. Immerhin habe sie sich nach der Sex-Attacke sofort umgedreht und direkten Blickkontakt mit dem Angreifer gehabt, begründete sie ihre Identifizierung.

Der Prozess zeigte einmal mehr das Dilemma der juristischen Aufarbeitung der Silvesternacht: Zeugenaussagen sind nur bedingt aussagekräftig, oft unverschuldet widersprüchlich, die Zuordnung der Taten und eine Identifizierung gelingen selten einwandfrei. So sprach die Anklägerin in ihrem Plädoyer von einer ausgesprochen „schwierigen Beweislage“ und einem „relativen Beweiswert“ einer Zeugenaussage. Strafschärfend wertete die Staatsanwältin die Tatsache, dass der Angeklagte durch sein Verhalten erheblich dazu beigetragen habe, dass das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung seit Silvester erheblich beeinträchtigt sei.

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