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Spaziergang durch Höhenhaus„Et Rumpelstilzje“ und die Stationen seines Lebens

Lesezeit 6 Minuten
Da werden Erinnerungen wach: Als er ein Kind war, ist Fritz Schopps auf dem zugefrorenen Wassergraben von Haus Haan Schlittschuh gelaufen.

Da werden Erinnerungen wach: Als er ein Kind war, ist Fritz Schopps auf dem zugefrorenen Wassergraben von Haus Haan Schlittschuh gelaufen.

  • „Et Rumpelstilzje“ Fritz Schopps ist am Pfingstsonntag 2022 gestorben.
  • Im September 2017 führte uns Schopps durch sein Veedel, Höhenhaus, um uns Stationen seines Lebens zu zeigen.
  • Anlässlisch seines Todes haben wir diesen Text unverändert aus dem Archiv gehoben.

Köln-Höhenhaus – Bummeln durch Höhenhaus? Damit hat Fritz Schopps schon bei seinen Schülern gepunktet, als er ausschließlich Lehrer war und noch nicht als Bütten-Reimredner „Et Rumpelstilzje“ durch die Karnevalssäle tourte. Inzwischen ist er seit sieben Jahren in Pension, im Alter von 63 Jahren hatte er als Pädagoge aufgehört –  der Spaziergang durchs Veedel wird inzwischen also zum reinen Privatvergnügen.

Schopps hat Grund- und Hauptschullehrer studiert, Hauptfächer Englisch, Mathe und Geschichte. Er hat an der damaligen Peter-Petersen-Schule am Rosenmaar gearbeitet und später an der Willy-Brandt-Gesamtschule im Weidenbruch. „Alle paar Jahre habe ich Heimatkunde in den Unterricht eingebaut.“ Thema: das Naherholungsgebiet Dünnwald und Höhenhaus.

Mit dem Höhenfelder See, dem Dünnwalder Tierpark und der Wasserburg Haus Haan. „Das Thema hat mich oft im Vertretungsunterricht gerettet“, gesteht er, als er an der Gesamtschule vorbeispaziert. „Wenn ich in der fünften Stunde in eine Physikklasse kam, und wenn auch schönes Wetter war, dann fragten die Schüler: „Was machen wir?“ Und wenn die hörten: „Wir gehen raus“, schrien sofort alle: „Super!“

Immer nach Höhenhaus zurückgekehrt

Fritz Schopps ist Höhenhauser von Herzen, auch wenn seine Eltern aus der Altstadt, beziehungsweise aus Nippes stammen. Wahrscheinlich ist Sohn Fritz sogar eher Höhenhauser als Kölner. Darum freut er sich auch darauf, mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ durchs Veedel zu bummeln. „Da kann ich meinen Freunden von der Zentralkölner Rheinseite endlich die schönen Ecken von Höhenhaus zeigen.“

Er hat das Leben im Linksrheinischen zwar ausprobiert, hat in Ehrenfeld und in Lindenthal gelebt. Aber er ist immer zurückgekehrt nach Höhenhaus, das ist eben seins.

Am Thuleweg wurde er geboren, am Dierather Weg ist er aufgewachsen, mitten in der Finnensiedlung. „Mein Vater hat dort ein Haus gebaut“, sagt Sohn Fritz. Der Vater war in Nippes ausgebombt worden. „Ich nehme an, darum durfte er 1947 am Dierather Weg bauen; und auch als Wiedergutmachung“, glaubt Fritz Schopps. „Meine Oma war Jüdin, sie wurde ins Konzentrationslager deportiert, konnte aber fliehen. Ich vermute, dass ihr Schicksal ebenfalls ein Grund dafür war, warum mein Vater das Holz für unser Haus bekam.“

Malerisch sieht die Siedlung aus. Dunkle Holzhäuser stehen hinter akkurat gestutzten Hecken, die weißen Umrandungen der Fenster leuchten in der Sonne. Die mehr als 70 denkmalgeschützten Doppelhäuser könnten genauso gut als Kulisse für einen Inga-Lindström-Film dienen.

Karriere startet als Lektor in der Kirche

Fritz Schopps’ Talent  ist in der Siedlung entdeckt worden. Zwölf oder 13 war er da, ganz genau weiß er es nicht mehr. Aber, und da ist er sich sicher, er spielte Fußball, als ein schwarz gekleideter Mann auf ihn zukam und fragte: „Kannst du lesen?“ „Ich hab’ ihm erzählt, dass ich im Lesen immer eine »Eins« hatte. Da hat er nachgehakt, ob ich Lektor werden wollte in der Kirche »Zur Heiligen Familie«. Er war der Pastor.“ Die Eltern stimmten zu („mein Vater meinte, dann sei ich von der Straße weg“), und Sohn Fritz war stolz, als er zum ersten Mal am Ambo stand und das Wort Gottes vorlas.

In der Kirche hat er später auch seine Kinder taufen lassen, die Söhne Martin und Michael. Michael lebt mit seiner Familie ebenfalls in Höhenhaus und arbeitet als Fotograf in Bergisch Gladbach. Martin ist selbst Karnevalist geworden, lebt mit seiner Familie in Bergisch Gladbach, besucht aber den Vater zum Beispiel in Höhenhaus, damit sich die beiden  gemeinsam Ideen für die neuen Sessionsreden ausdenken können. Martin sei fleißiger, bemerkt Papa Fritz, er selbst hänge mit seiner Rede hinterher.

Das Reimen hatte er als Kind schon gemocht

In Höhenhaus – wo sonst? – war es übrigens auch, wo seine Karriere in den Karneval startete. An der Peter-Petersen-Schule gab’s eine Sitzung unter der Patenschaft der ortsansässigen KG Naaksühle. Schopps hatte mit den Lehrerkollegen Jürgen Bachem und Walter Heilmann 1972 das Trio „Ärm Söck“ gegründet.

Und das gefiel den Naaksühle so gut, dass sie die Band für die eigene Sitzung im Bunker an der Honschaftsstraße verpflichteten: Die drei sollten spielen, dafür durften sie sich mit ihren Frauen die Sitzung bei freiem Eintritt anschauen. Dort wurden die Fidelen Junge aus Dünnwald aufmerksam auf die „Ärm Söck“ und engagierten sie ebenfalls, für 20 Mark. „Ich weiß noch“, fällt es Schopps ein: „Als ich das hörte, habe ich gefragt: Wie sollen wir das denn durch drei teilen?“

Der Rest ist Legende: Die „Ärm Söck“ trennten sich, als sich Bachem und Heilmann für Karrieren im Schuldienst entschieden, Schopps gab das Singen dran und wurde 1979 lieber Reimredner. Das Reimen hatte er als Kind schon gemocht, als Schüler wollte er auf Elternabenden freiwillig Balladen aufsagen wie Schillers „Die Kraniche des Ibykus“, „Die Bürgschaft“ oder Fontanes „John Maynard“. Er war im Alter von 16 Jahren auch Präsident der Schulsitzung am Herder-Gymnasium und hatte als erster sämtliche Auftritte in Reimform an- und abmoderiert.

Als er in den professionellen Karneval startete, war seine erste Figur „Ne antiautoritäre Lehrer“, bis 1983 „Et Rumpelstilzje“ entstand, passend zum Sessionsmotto: Karneval wie im Märchen.

Denkmal am Wupperplatz erinnert an eine Sage

Passend zu Höhenhaus auch, wenn man die Märchen noch um Sagen erweitert: Immerhin soll sich eines der Heinzelmännchen nach Höhenhaus geflüchtet haben, nachdem die neugierige Schneidersfrau den hilfreichen Zwergen Erbsen auf die Treppe geschüttet, die Wichtel so zu Fall gebracht und aus der Stadt vergrault hatte.

Der Grinkenschmied, das Heinzelmännchen, das die Eisenbeschläge für Karren schmiedete, flüchtete nach Höhenhaus und fand – laut einer Sage des Dünnwalder Mundartdichters Franz Peter Kürten – Zuflucht in einer Höhle am Emberg. Genannt: Aan de siebe Bäum. Fritz Schopps zeigt das Denkmal am Wupperplatz, das an die Geschichte erinnert.

Es ist Markttag, der Wupperplatz ist voller Leben, Menschen kaufen Obst, Gemüse und Blumen ein. Die Wespen fliegen auf die Plattpfirsiche, der Sonnenhut strahlt goldgelb. Fritz Schopps macht Halt am Stand von „Obst und Gemüse Bertram“, einem Händler aus der Voreifel. „Was machst du denn hier?“, spricht ihn plötzlich Achim Sehrig an. „Och, dich hab ich ja lange nicht gesehen!“, freut sich Fritz Schopps. Die beiden haben 1966 miteinander das Abitur bestanden und Fußball gespielt („Weißt du noch? Das Spiel mit der Stadtauswahl? Köln gegen Liverpool?“).

Einkehr in der Stammkneipe „Zum Grinkenschmied“

Heute spielt Fritz Schopps Fußball nur noch mit den Enkeln oder er schaut vor dem Fernseher zu: Auch das gern mal am Wupperplatz. Da liegt seine Stammkneipe, „Zum Grinkenschmied“, benannt nach dem Heinzelmännchen. „Die Wirtsleute sind großartig“, schwärmt Gast Schopps. „Wenn draußen mal kein Tisch mehr frei ist, schleppen sie einfach einen von den Holztischen raus und schaffen Platz.“ Ob sie das für jeden Gast tun? „Klar“, beteuert Gastronom Bert Müllrick, den die meisten nur Bätes nennen. „Die sollen sich bei uns doch wohl fühlen“, sagt er, als er seinen Blick über den Marktplatz schweifen lässt.

Dort hatte er selbst noch Obst und Gemüse verkauft, bevor er mit seiner Frau Barbara die Kneipe übernahm. Hier fühlt sich Fritz Schopps zum Beispiel auch dann wohl, wenn er mit Ehefrau Gaby von einem seiner Streifzüge durchs Veedel einkehrt. Die macht er bis heute gern.

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