SpurensucheFriedhof aus grauer Vorzeit – 2000 Jahre alte Hügelgräber bei Dünnwald

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Die Hügelgräber sind verflacht, doch leichte Wölbungen im Dünnwalder Wald sind geblieben.

Die Hügelgräber sind verflacht, doch leichte Wölbungen im Dünnwalder Wald sind geblieben.

Köln-Dünnwald – Nicht sofort findet Marion Euskirchen, was sie sucht. Zuletzt war sie im März im Wald am Rande Dünnwalds unterwegs, nun tragen die Bäume Laub und verdecken die Sicht.

Doch dann entdeckt sie ein paar Meter neben dem Wanderweg doch eine leichte Unregelmäßigkeit im Boden. Marion Euskirchen, wissenschaftliche Referentin am Römisch-Germanischen Museum, ist sich sicher: Das ist ein Hügelgrab aus der Eisenzeit. Gleich daneben findet sie zwei weitere Grabstellen. Es sind ganz sanfte Wölbungen im ansonsten meistens flachen Gelände. Wer nicht weiß, dass er sich auf dem Terrain eines weit mehr als 2000 Jahre alten Friedhofs befindet, schenkt den Hügeln keine Beachtung. An diesem Morgen freut sich immerhin der Dackel einer Spaziergängerin über den interessanten Spielplatz.

Im Wald bei Dünnwald befinden sich in zwei Arealen, getrennt vom kleinen Katterbach, rund 400 Gräber aus grauer Vorzeit. Angelegt wurden sie zwischen 900 bis 400 vor Christus. Große Wälder wie heute gab es damals nicht, die Topografie in der Eisenzeit beziehungsweise Hallstattzeit vergleicht Euskirchen eher mit der der Toskana – eine Busch- und Heidelandschaft, hier und da unterbrochen von einem Gehöft oder einem kleinen Dorf und vereinzelten Bäumen. Der sandige Boden des Rechtsrheinischen sei nicht besonders fruchtbar gewesen, die Menschen hätten vor allem von Viehzucht gelebt und nicht vom Ackerbau, wie er im Linksrheinischen mit seinen ertragreichen Lössböden verbreitet war.

Auf dem Scheiterhaufen verbrannt

„Die Toten wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt und die Asche in der Regel in keramische Töpfe gefüllt“, erklärt die Archäologin: „Darauf kam ein kleines Beigefäß, eine Tasse etwa oder eine kleine Schale.“ Einige der Urnen sind in der Dauerausstellung des Römisch-Germanischen Museums und im Rheinischen Landesmuseum Bonn zu sehen. Über dem Gefäß wurden dann mehrere Meter hohe Hügel aus Sand aufgeschüttet, manche waren größer, manche kleiner, zum Teil kamen auch mehrere Urnen in einen Hügel. Obwohl es um Menschen aus der Eisenzeit ging, gab es jedoch nur selten Grabbeigaben aus Metall. Nur vereinzelt wurden Messer oder Gewandspangen aus Metall gefunden.

Im Rechtsrheinischen existieren noch rund 3000 Urnengräber aus der Hallstattzeit, wahrscheinlich gab es jedoch mehr. Sie befinden sich vor allem entlang dem Mauspfad, der schon damals eine wichtige Reise- und Handelsroute war und wegen seiner erhöhten Lage verschont blieb von Hochwasser. „Sie erstreckten sich einst schon von Weitem als Landmarken“, sagt Marion Euskirchen: „Sie sollten gesehen werden zum Gedächtnis der Toten.“ Heute existieren unter anderem auf dem Ostfriedhof am Dellbrücker Mauspfad noch Hügelgräber aus der Eisenzeit.

Gräber als einzige Spuren einer vergessenen Zeit

Dass die größeren Gräber für die Asche hochrangiger Menschen aufgeschichtet wurden, hält Euskirchen für wahrscheinlich, angesichts des Aufwands, den die Materialbeschaffung bedeutete. Anhand der Grabbeigaben lasse sich dies jedoch nicht bestätigen: Denn bescheiden fielen sie immer aus.

Die Hügelgräber – im Zuge der Waldpflanzungen im 19. Jahrhundert deutlich abgeflacht – sind die einzigen Relikte der Hallstattzeit. Reste damaliger Siedlungen sind bisher nicht entdeckt worden. Auch ein Großteil der Grabinventare ist abhanden gekommen, jahrhundertelang haben sich Bürger oder Wissenschaftler daran zu schaffen gemacht. Erstmals schriftlich beschrieben wurden die Gräber 1845, danach ließ Grundstücks-Eigentümer Graf von Fürstenberg-Stammheim die ersten 20 Hügel systematisch öffnen und untersuchen, die Funde blieben in Privatbesitz.

Zu den Wissenschaftlern zählte Ende des 19. Jahrhunderts der Kölner Prähistoriker Carl Rademacher. Er verkaufte viele Grabinventare an das Archäologische Museum in Berlin, wo sie im Krieg überwiegend zerstört wurden. Auch das Kölner Museum für Früh- und Vorgeschichte im Bayenturm, dessen erster Direktor Rademacher war, fiel den Bombardierungen des Kriegs zum Opfer. „Dafür, dass es tausende von Hügelgräbern in Köln gab, haben wir nur wenige Inventare daraus“, so Euskirchen.

In der Bevölkerung war das so genannte Urnenstechen schon im 16. Jahrhundert ein beliebter Volkssport. Die Gräber wurden geplündert, die Urnen landeten dann nicht selten auf dem heimischen Kaminsims. Später waren sie eine harte Währung. Nach dem Ersten Weltkrieg hätten Urnen aus der Eisenzeit als Tauschware gedient, sagt Euskirchen: Britische Soldaten hätten für eine Urne zehn Pfund Bohnenkaffee geboten.

Spukgeschichten um kopflose Pferde

Zusätzlich rankten sich dunkle Sagen um die Grabfelder. Ein Ross ohne Kopf soll sich hier in nachts herumtreiben, heißt es in alten Beschreibungen. Ein anderes lege dem, der sich ihm nähere, seine Vorderhufen auf die Schultern und starre ihn mit feurigen Augen an. Noch binnen Jahresfrist werde er dann sterben.

Heute gilt es nur den Arm des Gesetzes zu fürchten. Wer ein Grab öffnet, um es zu plündern, muss mit harten Strafen rechnen. Denn die Hügelgräber sind eingetragene Bodendenkmäler. Selbst die Wissenschaftler des Römisch-Germanischen Museums lassen die Grabstellen, von denen einige noch nicht ausgeraubt wurden, unangetastet. Die Asche der frühzeitlichen Menschen könnte zwar wichtige Informationen über Alter, Geschlecht, Krankheiten oder sogar der Herkunft liefern. Aber es fehlten die Kapazitäten für eine Untersuchung, sagt Marion Euskirchen: „Außerdem wollen wir auch späteren Generationen die Möglichkeit geben, mit ihren technischen Mitteln vielleicht mehr zu erfahren als wir.“

Urnen aus der Eisenzeit zeigt das Römisch-Germanische Museum auch in der Sonderausstellung „Vorzeitgeschichte(n) – Köln in schriftlosen Zeiten“, die bis zum 30. November im Foyer des Museums zu sehen ist. www.museen.de/rgm

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