Spurensuche in KölnWo der Luftkrieg noch präsent ist

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An vielen Orten in der Stadt sind noch alte Notausstiege von Luftschutz-Räumen zu sehen, etwa vor einer Boutique am Dom.

An vielen Orten in der Stadt sind noch alte Notausstiege von Luftschutz-Räumen zu sehen, etwa vor einer Boutique am Dom.

  • Im Zweiten Weltkrieg suchten Anwohner in Bunkern Schutz vor den Bombardierungen.
  • Meist waren die privaten Kellerräume nur unzureichend mit Stahl- oder Holzträgern gesichert.
  • Noch heute finden sich alte Notausstiege und Hinweise auf ehemalige Luftschutz-Räume in der Stadt.

Köln – Die Herbstsonne leuchtet über der Kölner City – und die Fragen lasten schwer auf dem Gemüt. Welche Dramen haben sich unterhalb dieses Eisenrosts abgespielt, welche Ängste wurden ausgestanden? Gab es sogar Tote? Das kleine Viereck im Altstadt-Pflaster ist das Gegenteil des wolkenlosen Himmels. Es war ein Stück Hölle – oder zumindest der Ausgang aus der Hölle.

„Mannesmann Luftschutz“ steht auf dem Eisenrost unterhalb eines vergitterten Fensters an der Gasse Auf dem Rothenberg. „Das ist ein Notausstieg“, sagt Robert Schwienbacher. Horden von Touristen passieren an diesem Nachmittag achtlos, was er ein „schön erhaltenes“ Objekt nennt.

Robert Schwienbacher an einem Pfeil, der Rettungskräften einst den Standort eines Luftschutz-Raums zeigen sollte.

Robert Schwienbacher an einem Pfeil, der Rettungskräften einst den Standort eines Luftschutz-Raums zeigen sollte.

Ein ganzes Foto-Buch hat der 53-Jährige, Vorsitzender des Kölner Instituts für Festungsarchitektur Crifa, den „Luft-Schutz-Relikten des Zweiten Weltkriegs im Kölner Stadtgebiet“ gewidmet. Auch der Schacht in der Altstadt ist dort mit Foto verewigt. Einst führte er zu einem Luftschutzraum im Keller des Gebäudes.

Die Bewohner verkrochen sich in den mit Stahl- oder Holzträgern zumeist nur unzureichend gesicherten Räumen vor den Bombardierungen des Zweiten Weltkriegs. War der Kellereingang verschüttet, konnten sie (mit Glück) die weit verbreiteten Keller-Durchbrüche zum Nebengebäude als Fluchtweg nutzen – oder den Notausstieg, der im Ernstfall mit einer gas- und druckdichten Platte verschlossen wurde. „Die Verbindungen von Haus zu Haus waren vorgeschrieben“, sagt Schwienbacher. „Einen Notausstieg hatte nur, wer es sich leisten konnte.“

Kleine Hinterlassenschaften des Krieges

Der Spaziergang mit Robert Schwienbacher durch die Innenstadt zeigt, dass der Zweite Weltkrieg noch immer an fast jeder Ecke präsent ist. Nur versteckt er sich mittlerweile recht gut. Allein 400 Überbleibsel des privaten Luftschutzes hat der Experte in seinem Buch dokumentiert.

Es sind Notausgänge, im Krieg vermauerte Kellerfenster oder Zeichen, die einst auf Hauswände gepinselt wurden, um Schutzsuchende, aber auch Rettungskräfte auf den Standort der Luftschutzräume hinzuweisen. Dazu gehörten etwa weiße Punkte, Pfeile oder Abkürzungen wie LSR (Luftschutz-Raum) oder LSK (Luftschutz-Keller), die noch immer im ganzen Stadtgebiet zu sehen sind. Schwienbacher hat vor allem die kleinen Hinterlassenschaften des Kriegs aufgespürt. Allerdings ist er sich sicher, dass er noch längst nicht alle gefunden hat.

Vermauertes Kellerfenster an der Riehler Straße.

Vermauertes Kellerfenster an der Riehler Straße.

„Der hier ist sehr schön, weil er sehr filigran ist“, sagt er am Theodor-Heuss-Ring am Ebertplatz. Von rechts oben nach links unten zeigt ein schlanker weißer Pfeil neben dem Eingang eines stattlichen alten Hauses mit schön geschwungenem Eingangsportal, daneben das Kürzel LSR.

„Bei einfachen Mietshäusern werden die Relikte einfach nicht überstrichen worden sein. Aber hier kann ich mir vorstellen, dass sie absichtlich dran gelassen wurden“, sagt Schwienbacher. Sein Sammlerherz freue sich immer, wenn er auf derart gut erhaltene Zeichen stoße: „Aber der Hintergrund ist traurig.“ Besonders bitter sei es, wenn er auf einen Notausstieg vor einer Baulücke treffe. „Dann wurde das Haus wahrscheinlich getroffen und es ist fraglich, was mit den Leuten passiert ist.“

Private Bunker wurden zunehmend riskanter

Je länger der Krieg dauerte, desto öfter wurden die privaten Zufluchtsorte zur Todesfalle. Zwar gab es Vorschriften, wie sich die Menschen vor Angriffen schützen sollten, „doch das war viel Theorie“, so Martin Rüther vom NS-Dokumentationszentrum. In der Praxis wurden die Keller oft nur mangelhaft mit Holzpfählen abgestützt. Und das auch erst in größerem Stil, als im Mai 1940 der erste Angriff auf Köln geflogen wurde.

Hinweis am Oberlandesgericht.

Hinweis am Oberlandesgericht.

Keller-Ausbauten, die am Anfang des Kriegs noch Schutz boten, wurden mit der Zeit immer riskanter. Denn nicht nur die Zahl der Angriffe stieg drastisch, auch die Durchschlagskraft der Bomben nahm mehr und mehr zu. Vielen Menschen hätten zwar die Durchbrüche von Haus zu Haus das Leben gerettet, sagt Rüther. Aber etliche schafften es nicht mehr ins Freie, wenn ihr Haus getroffen wurde. Sie verbrannten, erstickten oder starben durch Druckwellen. Wie viele Kölner genau in den Luftschutz-Räumen den Tod fanden, ist unklar: „Aber es sind mehr in den Kellern ums Leben gekommen als außerhalb“, sagt Rüther.

Sicherer waren nur die Bunker aus Beton. Doch es gab schlicht zu wenig für die Kölner Bevölkerung. Oder die Zeit reichte einfach nicht mehr, dorthin zu kommen. Das dürfte mit zunehmendem Bombenhagel zum Ende des Krieges immer öfter der Fall gewesen sein.

Einst Hochbunker, heute Parkhaus

Am Breslauer Platz wird ein ehemaliger Bunker heute als Parkhaus genutzt.

Am Breslauer Platz wird ein ehemaliger Bunker heute als Parkhaus genutzt.

Schätzungsweise zwei Drittel aller Kölner Gebäude waren mit einem Luftschutz-Raum ausgestattet, manche davon waren öffentlich zugänglich. Darüber hinaus hat das Institut für Festungs- Architektur bislang rund 100 öffentlich zugängliche Tiefbunker aus dem Zweiten Weltkrieg lokalisiert, von denen viele aber nicht mehr existieren. Dazu kamen 28 Hochbunker, von denen 24 noch existieren.

Die meisten sind stehen geblieben und zum Beispiel als postmoderne Bürokomplexe getarnt worden. Robert Schwienbacher führt zur Raiffeisen-Waren-Zentrale am Breslauer Platz. Ein Teil des Gebäudekomplexes mit der verspiegelten Fassade war früher ein Hochbunker für 3.000 Menschen. Genutzt wird er heute als Parkhaus – so, wie ihn Architekt Wilhelm Riphahn von Anfang an als Zweitnutzung angelegt hatte.

Einstiger Hochbunker hinter der ehemaligen Bundesbahn-Direktion.

Einstiger Hochbunker hinter der ehemaligen Bundesbahn-Direktion.

„Das war ein visionärer Gedanke“, sagt Schwienbacher. „Bei den wenigsten Bunkern hat man überlegt, was man danach damit anfängt.“ In einem hoch aufragenden Gebäude hinter der ehemaligen Bundesbahn-Direktion am Konrad-Adenauer-Ufer befand sich früher Technik der Bahn. Heute wird in dem einstigen Hochbunker Elektronik eines Mobilfunkanbieters aufbewahrt. Auch diese Fassade lässt nichts von der früheren Bedeutung des Betonklotzes erahnen.

Südlich des Reichensperger Platzes, an der Riehler Straße, kehrt Robert Schwienbacher zu den kleinen Spuren des Kriegs zurück. Das Kellerfenster eines Mehrfamilienhauses wurde einst zugemauert. Nur ein Ziegelstein fehlt. „Auch dahinter befand sich früher ein Luftschutz-Raum“, sagt Schwienbacher. Das kleine Loch diente zur Lüftung des Kellers und wurde im Ernstfall einfach zugesetzt. Es ist ein kleiner schwarzer Fleck auf einer strahlend weißen Stuckfassade.

www.crifa.de

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