Serie „Schule in Not“Neue Lehrer in Köln verzweifelt gesucht

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Es fehlt an Lehrern – insbesondere an Grundschulen.

Köln – In Köln fehlen Lehrer. Besonders betroffen sind Grundschulen, Berufskollegs und Gesamtschulen. Die nackten Zahlen der Bezirksregierung sind zwar noch kein Grund zur Panik, deuten aber an, dass auf die Stadt angesichts steigender Schülerzahlen in den nächsten Jahren ein großes Problem zu kommt. Von den rund 10.000 Lehrerstellen in der Stadt waren zum Start ins aktuelle Schuljahr 118 unbesetzt.

„Wir bekommen im Augenblick nicht alle Stellen besetzt“, sagt Ralph Ballast von der Schulabteilung der Bezirksregierung. Es fehlen vor allem Lehrer für Mathe, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (Mint-Fächer). Ballast spricht schon jetzt von „Mangelverwaltung“.

Die neue Landesregierung will die Personalprobleme schnell lösen und den Unterrichtsausfall bekämpfen. Doch die Bemühungen treffen offensichtlich auf eine zu kleine Zielgruppe an Hochschulabsolventen. Von 5407 in NRW neu ausgeschriebenen Stellen sind 2139 unbesetzt geblieben.

Die Versorgung in Köln und auch in Bonn ist etwas besser als in anderen Gebiete im Regierungsbezirk, weil junge Lehrer gerne in die attraktiven Städte ziehen. Wenn aber der Mangel überall größer wird, kommen die Behörden kaum darum herum, die Lehrer auch gegen deren Wünsche zu verteilen.

Was das bedeutet, kann man derzeit im Regierungsbezirk Münster erleben, wo eine heftige Debatte über Zwangsversetzungen von Grundschullehrern geführt wird. „Zwangsversetzungen hat es in Köln noch keine gegeben“, beruhigt Ballast. „Aber wir müssen uns Gedanken machen, wie wir eine ausreichende Versorgung im ganzen Bezirk sicher stellen.“

Weil in Köln die Geburtenzahlen steigen und die Stadt in den nächsten Jahren schnell und kräftig wachsen wird, müssen nicht nur zügig viele neue Klassenräume gebaut werden. Es müssen auch Hunderte junge Leute für den Lehrerberuf gewonnen werden.

„Pädagogischer Notstand“ befürchtet

Nach Ansicht der Bildungsgewerkschaft GEW ist die Lage so „zugespitzt wie seit zehn Jahren nicht“. Der Verband Bildung und Erziehung sagt, dass man „sehenden Auges in einen pädagogischen Notstand“ steuere.

Christa Kuhle, Abteilungsdirektorin der Bezirksregierung für den Bereich Schule, formuliert ein bisschen optimistischer: „Die Studierendenzahlen steigen, weil klar ist, dass es eine Jobgarantie gibt.“ Offen sei aber auch, ob am Ende die Abschlüsse der Studenten tatsächlich zum Bedarf passen.

So gibt es auf absehbare Zeit wohl keine Probleme in den Oberstufe der Gymnasien und Gesamtschulen. Da gebe es eher ein Überangebot, so die Bezirksregierung. Doch das ist die Ausnahme.

NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer hat 2400 Lehrern mit Qualifikation für die Sekundarstufe II in einem persönlichen Brief Einstellungsangebote für die Grundschulen gemacht. Wenn sie sich entscheiden könnten, für zwei Jahre mit Fünf- bis Zehnjährigen zu arbeiten, bekommen sie die Garantie, anschließend an einem Gymnasium oder einer Gesamtschule weiter machen zu können.

Werbung ist mühsam

Wie aus einer aktuellen Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Landtag hervor geht, ist die Resonanz bislang sehr überschaubar: Im ganzen Land konnte erst 20 Lehrkräfte für die neue Zielgruppe gewonnen werden.

Auch die Werbung um Seiten- und Quereinsteiger ist mühsam. Hier werden vor allem Experten für die sogenannten Mint-Fächer gesucht. Für die Berufskollegs kann man sich auch als Maschinenbauer, Elektro- und Fahrzeugtechniker und Sozialpädagoge bewerben.

Interessenten durchlaufen eine besondere Ausbildung, werden schon während des Referendariats voll bezahlt und bekommen die Garantie, später als Beamte angestellt zu werden. „Die Zahl der Interessenten ist nicht so hoch wie erhofft“, dämpft Ballast zu hohe Erwartungen.

Tausende zusätzliche Lehrer für G9

Die neue Landesregierung hat mit dem Versprechen, den Unterrichtsausfall zu bekämpfen, Wahlkampf gemacht und den Eltern nun eine „Unterrichtsgarantie“ gegeben. Mittelfristig soll die Lehrerversorgung bei 105 Prozent liegen.

Außerdem soll die Gymnasialzeit ab 2019 in der Regel wieder neun Jahre dauern. Tausende Lehrer werden zusätzlich eingestellt werden müssen, um diese Ziele zu erreichen. Mit Seiteneinsteiger-Programmen und Überredungskunst, um Pensionäre noch ein paar Jahre an den Schulen zu halten, wird das nicht gelingen.

Schulministerin Gebauer hat im Gespräch mit dem Kölner Stadt-Anzeiger eine große Werbekampagne angekündigt. Andere Bundesländer wie Berlin, Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg haben bereits Erfahrungen mit Anzeigenkampagnen gemacht.

Berlin ist mit dem Slogan „Erweitere deinen Horizont. Und unseren“ schon in Holland und Österreich auf Personalsuche gewesen. Gebauer nennt die Imagekampagne des Zentralverbands des Deutschen Handwerks als Vorbild, mit der Jugendliche für Ausbildungsberufe im Handwerk interessiert werden sollen.

Eine renommierte Berliner Agentur gestaltet originelle Plakatwerbung, schräge Online-Werbung, Auftritte in sozialen Medien und TV-Spots, was sich der Interessenverband der deutschen Handwerker rund zehn Millionen Euro pro Jahr kosten lassen soll. Einer der Slogans der Handwerker würde wohl auch beim Kampf gegen den Lehrermangel passen: „Die Welt war noch nie so unfertig.“

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