Übergriffe am Kölner HauptbahnhofMutmaßlicher Täter wird freigesprochen

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Sivester Prozess Freispruch

Der gebürtige Marokkaner musste sich am Mittwoch vor dem Kölner Amtsgericht wegen schweren sexueller Nötigung verantworten.

Köln – Seine Festnahme in der Schweiz hatte überregional für Schlagzeilen gesorgt. „Mutmaßlicher Täter aus Kölner Silvesternacht am Bodensee gefasst“ hatte es Ende April geheißen.

Ein Ladendiebstahl war dem damals 19-Jährigen zum Verhängnis geworden – die Polizei erfuhr auf diese Weise, dass der junge Flüchtling mit europäischem Haftbefehl gesucht wurde.

Am Mittwoch saß der gebürtige Marokkaner auf der Anklagebank im Kölner Amtsgericht, wo er sich in erster Linie dem Vorwurf der schweren sexuellen Nötigung stellen musste.

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Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Zusammen mit 20 bis 30 weiteren Männern soll er in der Silvesternacht auf der Domplatte eine damals 19-jährige Frau aus Leverkusen umzingelt haben, sie an den Hüften festgehalten und so einem Komplizen so ermöglicht haben, sie im Intimbereich zu berühren.

Sechs Monate Jugendstrafe

Doch dieser Vorwurf ließ sich vor dem Amtsgericht nicht bekräftigen. Der heute 20-jährige Angeklagte wurde lediglich wegen viermaligen Diebstahls, Schwarzfahrens und Rauschgift-Besitzes zu sechs Monaten Jugendstrafe verurteilt.

Da er bereits seit viereinhalb Monaten in Untersuchungshaft sitzt, bleiben ihm noch eineinhalb Monate Haft. Auch ein Handy-Diebstahl Ende Dezember in Köln, ausgeführt mit dem so genannten Antänzer-Trick, konnte ihm nicht nachgewiesen werden.

Dass der Marokkaner, der im August vergangenen Jahres wegen schlechter Job-Aussichten in seinem Heimatland über die Balkan-Route nach Deutschland geflüchtet war, sich in der Silvesternacht am Dom befand und dass die 19-Jährige dort unsittlich berührt wurde, galt als unstrittig. „Wir wissen aber, dass wir ihm keine Tat zuordnen können“, so Amtsrichter Michael Pfennings.

Keinen Kontakt zu den übergriffigen Männern

Denn das Opfer selbst gab unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu Protokoll, dass der Angeklagte nicht zu den beiden Haupttätern gehörte, sondern lediglich in der Gruppe stand und keinen Kontakt mit den übergriffigen Männern hatte.

Die Täter seien zudem kleiner als sie gewesen. „Das passt auf unseren Angeklagten nicht besonders gut“, so der Richter. Der sei immerhin 1,95 Meter groß.

Ähnliche Aussagen machte die 20-Jährige bereits im Januar gegenüber der Polizei. Das bestätigte die Kriminalbeamtin, die die Frau vernommen hatte. Der Haftbefehl habe sich als „null und nichtig“ erwiesen, kommentierte Verteidiger Bernhard Scholz bissig: „Es ist befremdlich, dass mein Mandant so lange in U-Haft saß.“

Frauen-Bereiche aufgesucht

In seiner Heimatstadt Casablanca besuchte der Marokkaner zwölf Jahre lang die Schule und absolvierte danach zwei Berufsausbildungen. In Deutschland jedoch geriet er auf die schiefe Bahn.

Nach mehreren Übergangs-Stationen landete der junge Mann in einer Asylbewerber-Unterkunft in Würselen bei Aachen, wo er laut einer Sozialarbeiterin Bereiche aufsuchte, die Frauen und Kindern vorbehalten waren. Deshalb musste er in ein Obdachlosen-Heim in Würselen wechseln, das er am 17. Februar 2016 verließ, um sich in verschiedenen Städten asylsuchend zu melden.

Immer wieder fiel er in durch Diebstähle auf, weswegen er Anfang des Jahres auch wenige Tage im Gefängnis saß. Dennoch stahl er weiter. „Er hatte mit dem Regelwerk in der Bundesrepublik Schwierigkeiten“, so die Sozialarbeiterin. Den ursprünglichen Plan, sich eine reguläre Arbeit zu besorgen, habe er „völlig aus den Augen verloren“.

Ende Februar reiste der 20-Jährige dann nach Italien. Als er auch dort keinen Job fand, kehrte er nach Deutschland zurück und wurde schließlich an der Schweizer Grenze verhaftet.

Trotz des milden Urteils – der Amtsrichter gab dem jungen Marokkaner, der sich den Prozessverlauf von einem Dolmetscher schildern ließ, keine Zukunft in Deutschland: „Sie haben keine guten Voraussetzungen, hier auf einen grünen Zweig zu kommen. Ihnen droht über kurz oder lang die Abschiebung.“

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