Urlaub mal andersImmer mehr Kölner tauschen ihre Wohnungen

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Susanne Franke entspannt auf dem Peleponnes, während bei ihr zu Hause in Köln jemand anderes Urlaub macht – das ist das Prinzip von Wohnungstauschbörsen wie Homelink.

Susanne Franke entspannt auf dem Peleponnes, während bei ihr zu Hause in Köln jemand anderes Urlaub macht – das ist das Prinzip von Wohnungstauschbörsen wie Homelink.

Köln – Henrike Riedinger (11) und ihre Schwester Gesa (13) sind schon total gespannt. Kommende Woche geht es gemeinsam mit ihren Eltern Richtung Frankreich, genauer nach Poitiers. Frankreich haben die beiden jungen Damen in bester Erinnerung.

„Das Haus vorletztes Jahr in der Normandie war der Hammer. Vor allem die Kinderzimmer. Mit holzvertäfelten Räumen und riesigen Himmelbetten voller Kissen“, erinnert sich Henrike. „Wie in einem Agatha-Christie-Film“, ergänzt Vater Markus Riedinger (49).

Jetzt sind alle gespannt und voller Vorfreude, wie es wohl diesmal wird. Für Mutter Antonia Riedinger (45) wird die Vorfreude ergänzt durch viel Arbeit: Sie ist damit beschäftigt, die eigenen vier Wände in Nippes so herzurichten, dass sich die Familie aus Poitiers, die zeitgleich hierher kommt, auch wohl fühlt.

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„Einmal im Jahr Wohnungstausch, das ist für mich wie Frühjahrsputz und Ausmisten in einem“, meint sie lachend. Der Rest der Familie findet diesen Selbstanspruch zwar übertrieben, aber für Antonia Riedinger ist diese Art von Inventur im Zuge der Haustauschferien ein Wert an sich.

Die Riedingers aus Nippes sind seit sechs Jahren Urlaubs-Wohnungstauscher über die Plattform Homelink. Gemeinsam mit 13.000 aktiven Mitgliedern weltweit, darunter sehr viele Kölner. „Dabei bleibt einem manchmal der Mund offen stehen, was man sich so alles für eine Mietwohnung in Köln ertauschen kann“, meint die Ehrenfelderin Susanne Franke lachend. Sie reist mit ihrem Mann Philipp Schmolke seit 2006 jedes Jahr als Wohnungstauscher durch die Welt.

„Dabei haben wir uns fast immer verbessert: Der Altbau mitten in San Francisco mit meterhoher Glasfront und beheizten Waschbetonböden oder die Wohnung des japanischen Architekten-Ehepaares im 40. Stock in Tokio. Da macht man sich schon Gedanken, was die Tauscher denken, wenn sie die eigene eher bescheidene Wohnung betreten.“

„Abdullah ist nicht zu Hause“

Wer einmal zum Wohnungstauscher wird, für den wird das oft zur Urlaubsform der Wahl. Längst nicht nur deshalb, weil es gerade für Familien die günstigste Form des Reisens ist, da die Kosten für die Unterkunft komplett wegfallen und so sehr viel mehr Geld für das Erleben vor Ort übrig bleibt. „Der Zauber daran ist, dass man in den normalen Alltag eintaucht,“ erläutert Franke. Man erbe eben nicht nur eine Wohnung, sondern auch die Nachbarn und das Umfeld.

„Man ist weder als klassischer Tourist noch an klassischen Touristenorten unterwegs, sondern kommt an Orte, an die man sonst nicht kommen würde.“ Man taucht tiefer ein. Nicht nur, weil alle Wohnungstauscher auch persönliche Tipps für die Entdeckung des Orts – vom Lieblingsbäcker bis zum nächsten Zahnarzt – bereit legen.

Lachend erinnert sich Familie Riedinger an den Türkeiurlaub mit Homelink. „Den Satz: »Abdullah ist nicht zu Hause« haben wir sehr oft gesagt, wenn es mal wieder an der Tür geklingelt hat.“ Bis alle mitbekommen hatten, dass statt Abdullah jetzt für drei Wochen Familie Riedinger aus Nippes am Start ist. „So haben wir alle Nachbarn kennengelernt. Zum Zuckerfest wurden auch Köstlichkeiten rübergebracht.“

Umgekehrt hinterlassen auch die Gäste Spuren: „Nach dem schwulen Pärchen aus einem Dorf auf dem griechischen Peleponnes, das mit seinem Papagei anreiste, fragen die Nachbarn aus unserem Haus immer noch gerne. Weil die sofort einen guten Draht zueinander hatten.“

Wenn die Wohnungstauscher über ihre Urlaubserlebnisse erzählen, stoßen sie immer auf sehr viel Neugier. „Die meisten finden das toll, aber nachgemacht hat es uns im Bekanntenkreis noch keiner“, erzählt die Kölnerin Marion Schmeeck, die mit ihrer 14-jährigen Tochter Anahita seit zehn Jahren so reist. „Letztlich ist die Hürde doch für die meisten zu hoch.“

Für viele sei die Vorstellung völlig abwegig, dass ein Fremder in die eigene Privatsphäre eindringt, gar im eigenen Bett nächtigt. „Dabei macht man sich da ja in Hotelbetten auch keinen Kopf drüber“, meint Schmeeck. Beim ersten Mal sei das noch komisch, aber dann mache man sich darüber keine Gedanken mehr.

Wohnungstausch ist die „menschenfreundlichste“ Reiseart

„Viele fragen auch, wo wir denn die privaten Dinge verstecken“, erzählt Franke. Die Antwort ist bei allen drei Kölner Wohnungstauschern gleich: nirgendwo. „Ich glaube nicht, dass jemand seine Ferien damit verbringen will, unsere Versicherungsunterlagen zu studieren“, meint Riedinger.

Beim ersten Tausch hatte die Familie sich noch krampfhaft gefragt, was sie in den von Homelink empfohlenen Karton in den Keller räumen soll. Weil ihnen nichts eingefallen ist, haben sie es beim zweiten Mal gelassen. Es brauche für diese Art zu reisen einfach ein entspanntes Verhältnis zum eigenen Besitz.

Die Währung dieser, wie Riedinger sie nennt, „menschenfreundlichen“ Reiseform ist Vertrauen. Das genau ist auch der Schlüssel zu der Begeisterung, den die Wohnungstauscher abseits der Freude am Entdecken versprühen. Man überlässt Fremden, die man in der Regel nicht persönlich kennenlernt, seine Privatsphäre. 

Taucht im Gegenzug in die ihre ein und fühlt sich reich beschenkt: „Enttäuscht worden sind wir in den elf Jahren noch nie“, so Franke. Stets sei die Wohnung mindestens so picobello wieder vorgefunden worden, wie sie verlassen wurde. Den anderen ging es genauso.

Besonders schön sei es, wenn sich die Wege wegen unterschiedlicher Abflugzeiten für einen geselligen Abend kreuzen. So einen Abend wie etwa mit dem Architektenpaar aus Tokio, den vergesse man nie wieder. Ebenso wenig wie das gute Gefühl, dass Vertrauen trägt.

Tausende Tauschwohnungen in der ganzen Welt

Es gibt diverse Internetportale, die Vermittlungen von Tauschwohnungen für den Urlaub anbieten. Die bekanntesten sind Homelink, Haustauschferien, Living at home und GuestToGuest.

Das Prozedere ist simpel: Man meldet sich mit Benutzername und Passwort an, erstellt ein Profil über sich, sein Haus und seine Stadt. Dann sucht man nach Tauschpartnern in seinem Wunschland und schreibt ihnen eine Nachricht. Wird man sich einig, schließt man einen vorgedruckten Tauschvertrag ab, in dem alle Details geregelt sind. In der Regel wird die Wohnung zeitgleich getauscht und der Schlüssel durch Nachbarn übergeben.

Lieber telefonieren als mailen

Über Homelink wurden seit 1953 – damals natürlich noch ohne Internet – rund 60.000 Wohnungen in 130 Ländern getauscht. 70 Prozent der deutschen Tauscher sind zwischen 35 und 55 Jahren alt. 76 Prozent der Tauscher haben zwei oder drei Kinder.

Die Stiftung Warentest empfiehlt, mit den potenziellen Tauschpartnern lieber zu telefonieren als zu mailen, um einen persönlichen Eindruck zu gewinnen. Zudem sollte jeder Urlaubstauscher eine Hausrat- sowie eine Haftpflichtpolice besitzen.

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