VertuschungsvorwürfeKraft gibt eidesstattliche Erklärung zur Silversternacht ab

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NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) in ihrem Büro in der Staatskanzlei in Düsseldorf.

Köln/Düsseldorf – Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft will bei der Aufklärung des Silvester-Debakels in Köln offenbar aus der Defensive kommen. Dafür geht die 54-jährige SPD-Politikerin jetzt einen ungewöhnlichen Weg. In einer im Internet veröffentlichten eidesstattlichen Erklärung hat sie versichert, dass sie vor dem 4. Januar mittags keine Kontakte mit dem Innenminister und ihrer Hausspitze wegen der massenhaften Übergriffe hatte.

Fünf weitere gleichlautende Erklärungen sind auf der Seite der Staatskanzlei veröffentlicht: von Innenminister Ralf Jäger (SPD) und seinem Staatssekretär, dem Staatskanzleichef und seiner Staatssekretärin sowie dem Regierungssprecher. Ein Untersuchungsausschuss  des  Landtags prüft seit 100 Tagen unter anderem, ob Kraft und Jäger schon früher über die Dimension der Silvester-Ereignisse Bescheid gewusst und zu spät reagiert haben.

Kraft will Daten über geführte Gespräche nicht vorlegen

Kraft weigert sich aber, dem Ausschuss Daten über sämtliche von ihr und ihrer Hausspitze bis zum 15. Januar geführten Telefonate vorzulegen. Das geht auch aus einem Brief an den Ausschussvorsitzenden Peter Biesenbach (CDU) hervor. Die Amtschefin der Staatskanzlei, Anja Surmann, lehnt die Forderung von CDU und FDP in einem Schreiben aus mehreren Gründen ab. Da die Inhalte nicht aus den Verbindungsnachweisen hervorgingen, wären sie letztlich nur in persönlichen Befragungen zu ermitteln, argumentiert sie.  Ein solcher Schritt indes würde in das informationelle Selbstbestimmungsrecht eingreifen. Zudem sei der Kernbereich des Regierungshandelns geschützt.

Alles zum Thema Ina Scharrenbach

„Es wurde nichts vertuscht“, versichert die Staatskanzlei in einer ausführlichen Erklärung und Dokumentation zur Silvesternacht im Internet. In der Faktensammlung sind auch die „WE-Meldungen“ des polizeilichen Lagezentrums über „wichtige Ereignisse“ zum Jahreswechsel abgebildet -  die erste vom 1. Januar um 14.36 Uhr. Erst die anwachsende Berichterstattung über massenhafte sexuelle Übergriffe, die zum Jahreswechsel bisherigen Ermittlungen zufolge überwiegend Marokkaner und Algerier verübt haben sollen, habe die Dimension in der Folge deutlich gemacht. Zuvor habe niemand es für wichtig gehalten, die Ministerpräsidentin zu informieren, «da die Notwendigkeit zu handeln, nicht erkennbar war».

Peter Biesenbach, der Vorsitzende des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu Silvester, zeigte sich „überaus erstaunt“  angesichts der „Internet-Aktion“ der Regierungsspitze. Die Erklärungen würden seiner Einschätzung nach an der Absicht des Ausschusses, Kraft und ihre engsten Mitarbeiter bis zur Sommerpause als Zeugen zu befragen, nichts ändern. „Soll das die zugesicherte Transparenz sein?“, hinterfragt der CDU-Politiker die Weigerung der Staatskanzlei, die angeforderten Verbindungsdaten herauszugeben.

„Die Landesregierung scheint sich in großer argumentativer Not zu sehen“,  betont FDP-Obmann Marc Lürbke:  „Anders ist der Versuch, sich durch eidesstaatliche Erklärungen selbst einen Persilschein auszustellen, nicht zu verstehen.“ Und Ina Scharrenbach, als CDU-Obfrau im Ausschuss, ergänzt: „Die Ministerpräsidentin selbst hat den Opfern und der Öffentlichkeit eine lückenlose Aufklärung zugesagt.“ Dazu sei die Offenlegung aller Unterlagen notwendig, wozu auch die beruflichen Verbindungsdaten nach Silvester gehörten.

 (det, dpa)

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