War es Bestechung?Treiber des Messehallen-Geschäfts stehen in Köln vor Gericht

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17. September 2004: Grundsteinlegung für die Messehallen mit OB Schramma (3.v.l.) und den Investoren Matthias Graf von Krockow (2.v.r.) und Projekt-Entwickler Josef Esch (r.).

17. September 2004: Grundsteinlegung für die Messehallen mit OB Schramma (3.v.l.) und den Investoren Matthias Graf von Krockow (2.v.r.) und Projekt-Entwickler Josef Esch (r.).

Köln – Freitag, 17. September 2004: Der Zeitdruck ist dermaßen groß, dass die Lastwagen selbst bei der Grundsteinlegung für die vier neuen Nordhallen für die Köln-Messe über das Baugelände brummen. Kölns damaliger Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) beschwört mit einem Kölsch in der Hand „unsere Vision von einem bedeutenden europäischen Business-Centrum“, und Messe-Chef Jochen Witt hat nur eine Sorge: Zur Möbel-Messe im Januar 2006 müssen die neuen Hallen stehen.

Das – da sind sich die Versammelten einig – packt nur der Esch-Fonds, der schon die Köln-Arena, das Stadthaus in Deutz und das Coloneum aus dem Boden gestampft hat. Der TV-Sender RTL bleibt in Köln, wird in die Rheinhallen nach Deutz ziehen. Eine bessere Visitenkarte gibt es nicht. Die Mitarbeiter jubeln. Die Abwanderungspläne nach Hürth sind vom Tisch.

Dienstag, 19. September 2017: Fast auf den Tag genau 13 Jahre später werden sich die beiden Treiber des Messehallen-Geschäfts vor der 18. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts wiedersehen: der Immobilien-Entwickler Josef Esch und Gustav Adolf Schröder, damals Vorstandschef der Stadtsparkasse Köln. Auf den letzten Drücker, kurz vor dem Ende der absoluten Verjährungsfrist versucht die Staatsanwaltschaft den Nachweis zu erbringen, dass das Millionengeschäft nicht sauber abgelaufen ist.

RTL entscheidet sich gegen Coloneum

Der Hauptvorwurf der Anklage: Josef Esch soll Sparkassen-Chef Gustav Adolf Schröder bestochen haben. Wenn Du Dich bei der Stadtspitze dafür stark machst, dass ein Esch-Fonds die Hallen baut, helfen wir Dir im Gegenzug bei zwei Esch-Fonds, deren Mietgarantien die Stadtsparkasse erfüllen muss, weil sie nicht richtig laufen.

9,9 Millionen Euro sollen dafür geflossen sein. Doch es geht in dem Strafverfahren noch um mehr. Um den Vorwurf der Untreue und Beihilfe rund um das Studio- und Fernsehgelände Coloneum in Ossendorf. Unstrittig ist: Die 9,9 Millionen Euro sind tatsächlich gezahlt worden. Dass es sich dabei um Bestechung und Bestechlichkeit handeln könnte, wird von den Verteidigern der beiden Angeklagten vehement bestritten.

Unstrittig ist auch: Im Jahr 2003 gerät die Stadt Köln mächtig unter Druck. RTL platzt an der Aachener Straße aus allen Nähten. Im Juli entscheidet sich der Privatsender gegen das Angebot der Stadt, ins Coloneum nach Ossendorf zu ziehen und flirtet heftig mit der Nachbargemeinde Hürth. Die Stadtsparkasse gerät in Bedrängnis, hat sie gemeinsam mit Esch doch bereits einen Grundstücksfonds für Ossendorf aufgelegt, Mietgarantien abgegeben und steht dort jetzt ohne Hauptmieter da. Die Eventual-Verbindlichkeiten liegen bei 31 Millionen Euro.

Für Sparkassenchef Schröder gibt es nur einen sinnvollen Ausweg: den Esch-Fonds auf die Messehallen umwidmen und sich bei der Stadt dafür stark machen, dass Esch zum Zuge kommt. Am 24. Oktober 2003 schreibt er an den damaligen Oberbürgermeister Fritz Schramma: „Ich erwarte bei dem von uns vermittelten Angebot des Bankhauses Oppenheim schon eine Unterstützung durch die Stadt Köln. Die Verzögerung in der Entscheidung stürzt mich in große Sorge.“ Schröder bittet Schramma „ebenso herzlich wie dringend“, kurzfristig eine „für uns positive Entscheidung herbeizuführen“.

Notarverträge in der Nacht

Genauso kommt es. Die Stadt verzichtet auf eine europaweite Ausschreibung, der Stadtrat erteilt dem Esch-Fonds am Abend des 18. Dezember 2003 den Zuschlag, noch in der Nacht werden die Notarverträge unterzeichnet. So eilig ist die Angelegenheit. Es ist eine Entscheidung mit unabsehbaren Folgen.

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Zwar erfüllt der Fonds alle Erwartungen, die Nordhallen werden in Rekordzeit aus dem Boden gestampft, doch der Deal fällt bei der Europäischen Union durch. Die Stadt hätte die Vergabe europaweit ausschreiben müssen, urteilt der Europäische Gerichtshof. Was folgt, ist ein zäher Streit um die Folgen, der am Ende dazu führt, dass die Köln-Messe heute nur noch 75 Prozent der ursprünglich vereinbarten Miete von 20,7 Millionen Euro jährlich zahlen muss.

40 Verhandlungstage hat die 18. Große Strafkammer für das Verfahren angesetzt. Das Erscheinen beider Angeklagter an jedem Prozesstag ist Pflicht. Dem Vernehmen nach wird sich Schröder, der von dem Kölner Rechtsanwalt und Korruptionsexperten Klaus Bernsmann vertreten wird, ausführlich einlassen. Josef Esch setzt auf den renommierten Strafverteidiger Eberhard Kempf, der ihm schon im Prozess um den Niedergang des Bankhauses Sal. Oppenheim erfolgreich verteidigt hat.

Hat Ex-Sparkassenchef Schröder am Ende nur den Medienstandort Köln fördern und RTL retten wollen, nachdem der Umzug nach Ossendorf im Juli 2003 gescheitert war? Hat er durch die Umwidmung des Ossendorf-Fonds auf die Messehallen einen Millionenschaden von der Sparkasse abgewendet? Warum hätte Esch ihn bestechen sollen, wo es für den Fonds Ossendorf VIII doch eine Mieteinstandsverpflichtung der Sparkasse gab?

Zweistelliger Millionenschaden

Die 9,9 Millionen Euro habe man nur gezahlt, um es sich mit einem langjährigen Geschäftspartner wie der Sparkasse nicht zu verderben, schließlich habe man gemeinsam elf Fondsprojekte mit einem Volumen von 700 Millionen Euro aufgelegt und weitere Großprojekte geplant. Die 9,9 Millionen waren ein Freundschaftsdienst, heißt es aus dem Esch-Umfeld.

Die Staatsanwaltschaft behauptet, der Sparkasse Köln/Bonn sei durch den Deal ein zweistelliger Millionenschaden entstanden. Den zu ermitteln, dürfte nach fast 14 Jahren nicht ganz leicht werden. Die Köln-Messe brummt, das Coloneum läuft, bei RTL denkt man gar nicht mehr daran, Köln den Rücken zu kehren. Die Herren mit den strahlenden Gesichtern und den Kölsch-Gläsern bei der Grundsteinlegung könnten recht behalten mit ihrem Optimismus.

Die Chronologie

18. Dezember 2003 Der Stadtrat genehmigt den Bau der Messehallen. Sie sollen 235 Millionen Euro kosten. Ein Esch-Fonds soll das Projekt  finanzieren. Das schlägt die Stadtsparkasse Köln  vor.  Die Stadt zahlt 30 Jahre lang Miete, anfangs 20,7 Millionen Euro im Jahr.

17. September 2004 Der Grundstein für die Hallen wird gelegt.

Juli 2005 Gegen  Vorwürfe,  die Stadt hätte mehr als 360 Millionen Euro sparen können, wenn sie die Hallen über Kommunalkredite finanziert hätte,  wehrt sich OB Fritz Schramma (CDU). Die Stadt habe 24 Angebote eingeholt.  Eine europaweite Ausschreibung sei nicht erforderlich gewesen.

August 2005 Die Ratsfraktion der Grünen will  wissen, ob die Stadtsparkasse Köln eine Provision für den Messe-Deal erhalten hat.   Der Vorsitzende der Sparkasse, Gustav Adolf Schröder, verlässt den Aufsichtsrat der Köln-Messe.

September 2005 Es taucht ein Schreiben vom 24. Oktober 2003 auf, in dem  Schröder Druck auf OB Schramma macht:  „Ich erwarte bei dem von uns vermittelten Angebot des Bankhauses Oppenheim schon eine Unterstützung durch die Stadt Köln“. Dezember 2005: Die EU leitet ein Verfahren gegen die Bundesrepublik ein, weil das Projekt europaweit hätte ausgeschrieben werden müssen. Es  droht eine Strafzahlung in  Millionenhöhe.

15. Januar 2006 Die neuen Hallen werden nach  14 Monaten eröffnet.

Juni 2007  Die EU-Kommission reicht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof ein.

März 2009 Die Sparkasse bestätigt, dass der Messe-Deal zu einer Belastung von 183,5 Millionen Euro führt. Sie tritt gegenüber dem Esch-Fonds als Generalmieter auf, bürgt somit für die Miete und eine sichere Rendite über  20 Jahre.

Juni 2009 Die EU-Generalanwältin kommt zu dem Schluss, dass der Bauauftrag für die Hallen hätte ausgeschrieben werden müssen.

August 2009 Die Staatsanwaltschaft Köln nimmt Ermittlungen wegen des Verdachts der Korruption gegen Schröder und Esch  wegen Bestechlichkeit und Bestechung auf. Sie stützt ihre Ermittlungen auf eine Untersuchung der Innenrevision des Geldinstituts.

29. Oktober 2009 Der Europäische Gerichtshof entscheidet: Der Bau der Messehallen ohne europaweite Ausschreibung war rechtswidrig.

Januar 2010 Um die EU zu befrieden, plant die Stadt den Kauf der Messehallen. Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) will bei der Lösung des Problems mit der EU-Kommission zusammenarbeiten.

Juni 2010 Die EU stellt der Stadt ein Ultimatum. Der Vertrag muss innerhalb von zwei Monaten aufgelöst werden. Die Stadt  will die Hallen kaufen. Sollte  Esch ihr Angebot ablehnen, will sie die Verträge für nichtig erklären. Esch droht  mit der Zwangsräumung.

Juli 2010 Der Stadtrat beschließt die Kündigung der Mietverträge.

August 2010 Die EU lässt  das Verfahren  ruhen. Die Stadt zahlt keine Miete mehr.

Oktober/November 2010 Die Messe nur noch ein Nutzungsentgelt in Höhe von 60 Prozent. Auch der Esch-Fonds kündigt die Mietverträge und verklagt die Stadt.

Januar 2011 Das Landgericht Köln  regt die Parteien zu einer Einigung an und stärkt der Stadt den Rücken.

März 2011 Der Mietstreit könnte beigelegt werden. Statt der Miete von 1,7 Millionen Euro soll die Messe nun ein Nutzungsentgelt von 900 000 Euro  zahlen.

August 2011 Das Landgericht weist die Zahlungsklage des Esch-Fonds auf die volle Miete  ab.

März 2012 Das Oberlandesgericht bestätigt das Urteil.

Mai 2012 Die EU stellt das Vertragsverletzungsverfahren ein. Oktober 2013 Der Esch-Fonds verklagt die Stadt auf ausstehende Mieten von 18 Millionen Euro.

Juni 2014 Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Esch und Schröder wegen des Vorwurfs der Bestechung und Bestechlichkeit. Sie sollen vereinbart haben, dass die Sparkasse dem Esch-Fonds das Geschäft beschafft. Dafür sollten  9,9 Millionen Euro fließen.

Dezember 2014 Das Hauptverfahren vor dem Landgericht wird eröffnet. Von den ursprünglich 14 Tatvorwürfen der Staatsanwaltschaft sollen aber nur drei verhandelt werden. Die wehrt sich dagegen vor dem Oberlandesgericht.

März 2016 Esch-Fonds und Stadt beenden den Mietstreit. Die Messe zahlt  75 Prozent der  vereinbarten Miete, pro Jahr  15,5 Millionen.

Mai 2016 Das Oberlandesgericht lässt im Strafprozess gegen Schröder und Esch weitere fünf Anklagepunkte zu. (pb)

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