Weinhändler Andreas Brensing im Interview„Die Kölner trinken alles, was schmeckt“

Lesezeit 6 Minuten
Andreas Brensing im 3000 Quadratmeter großen Gewölbe des Kölner Weinkellers.

Andreas Brensing im 3000 Quadratmeter großen Gewölbe des Kölner Weinkellers.

Köln – Ein riesiges, 80 Jahre altes Kellergewölbe tief unter der Stolberger Straße in Braunsfeld ist das Reich von Andreas Brensing. Der 50-Jährige ist über den Umweg eines Philosophie- und Germanistik-Studiums Weinhändler geworden und heute Geschäftsführer des Kölner Weinkeller.

Für die Interview-Reihe „Wir müssen reden“ hat der gebürtige Gummersbacher mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ über seinen ungewöhnlichen Werdegang, die kölsche Freude am Genuss und  Hemmschwellen beim Thema Wein gesprochen.

Herr Brensing, wie bringen Sie einen überzeugten Kölschtrinker dazu, Wein zu probieren?

Gar nicht. Mit dem trinke ich ein Kölsch. Ich glaube nicht, dass man Wein trinken muss, um glücklich zu werden. Das ist optional.

Also sind Sie kein Missionar?

Nein. Missionare waren mir in jeder Hinsicht immer suspekt und das wollte ich auch nie werden. Natürlich möchte ich die Leute, wenn sie denn Wein mögen, davon überzeugen, dass guter Wein sich lohnt. Aber wenn jemand sagt „das ist es mir nicht wert“, dann ist das auch in Ordnung.

Wie ist das Verhältnis der Kölner zum Wein?

Köln ist eine alte Weinstadt. Hier wurde viel Wein gehandelt, sogar angebaut und auch immer viel Wein getrunken. Die Stadt hat ein sehr positives Verhältnis zu allem, was mit Genuss zu tun hat. Die Kölner trinken alles, was schmeckt, wir sind hier sehr offen. Kollegen aus anderen Regionen Deutschlands beneiden mich, weil wir hier besondere Weine verkaufen, die sie nicht verkauft kriegen.

Wo steht Köln in Sachen Genuss im Vergleich mit anderen Großstädten?

Da sehe ich uns weit vorne. Das Schöne an Köln ist, dass es eine unkomplizierte Genussfreude gibt. Die lebt jeder. Auch was die Gastronomie angeht, hat sich Köln in den letzten Jahren extrem entwickelt. Es gibt verrückte Konzepte, die viel Spaß machen wie das „Laden ein“ im Agnesviertel, wo sich die Gastronomen im Zwei-Wochen-Rhythmus abwechseln.

Würden Sie sich irgendetwas wünschen in der Kölner Gastronomie?

Ich würde mir wünschen, dass die Kölner Brauhausküche insgesamt deutlich besser wäre. Ein bisschen feiner und moderner, mehr selbst gemacht und weniger mit dem Quast aufgetragen, das wäre schön. Dazu darf es dann auch ein gutes Kölsch sein. Das Ambiente der Brauhäuser ist toll, das gibt es in wenigen anderen Städten.

Was ärgert Sie an Köln?

Der Zustand der Fahrradwege. Wer wie ich viel Rad fährt, muss alle drei Jahre ein Neues kaufen. Jeden in Köln ärgert vieles an Köln. Wenn wir uns nicht ärgern würden, würden wir uns ärgern, dass wir nichts haben. Eigentlich gibt es nichts, was mich aus der Stadt vertreiben würde. Man lernt in wenigen Städten so schnell Leute kennen wie in Köln. Das wiegt manches architektonische Defizit auf.

Ist das Verhältnis der Gesellschaft zu gutem Essen und Trinken unverkrampfter geworden?

Ja. Es geht heute mehr um den Genuss und speziell beim Wein nicht darum zu zeigen, dass ich eine Flasche mit tollem Etikett getrunken habe. Es geht darum, dass der Wein, den ich getrunken habe, Spaß gemacht hat.

Wie erklären Sie sich die Veränderung? Ist die Schwellenangst gesunken?

Einerseits ist das Interesse für Lebensmittel generell gestiegen. Dann gibt es Leute, die weniger, aber dafür besser trinken wollen. Hinzu kommt, dass deutscher Wein wieder „in“ ist. Es gibt viele jüngere Leute, die dadurch eine Beziehung zum Produkt bekommen und erkennen, dass Wein nicht etwas völlig abgedrehtes ist, sondern zum Alltag dazugehören kann.

Wann hat Ihre Leidenschaft für Wein und gutes Essen begonnen?

Sehr früh. Mit meinen Eltern sind wir schon als Kinder zum Wandern immer in Weinbauregionen gefahren. Als ich studiert habe, bin ich ein einziges Mal in die Mensa gegangen, dann habe ich das Kapitel abgeschlossen und nur noch selbst gekocht. Ich habe deutschen Wein getrunken und sogar meine Nudeln frisch gemacht. Meine Kommilitonen fanden das reichlich merkwürdig.

Wie kommt man von einem Philosophie-Studium zum Handel?

Mein Vater hatte ein Einzel- und Großhandelsgeschäft, wenn auch für ganz andere Dinge, da habe ich als Kind mitbekommen, wie Handel funktioniert. Mein Studium habe ich mit Kochen finanziert. Daraus wurde ein Partyservice, daraus wiederum ein Feinkostgeschäft, wo man auch Wein kaufen konnte. Als die Rewe-Group dann jemanden suchte, war dem damaligen Chef ein bekloppter Philosoph ganz recht. (lacht). Warum auch immer.

Ihr Geschäft ist ein Unikat innerhalb des Konzerns. Bleibt das auch so, wenn der Vorstandsvorsitzende Alain Caparros Mitte des Jahres Rewe verlässt?

Warum sollte sich das ändern? Wir agieren ziemlich autark, sind erfolgreich und wie ein kleines Schmuckstück in der Gruppe. Ich glaube alle merken einfach, dass wir lieben was wir tun.

Es gibt auch guten Wein für kleines Geld

Wie beurteilen Sie das Weinangebot in Supermärkten?

Ich kenne Kollegen, die behaupten, unter zehn Euro könne man keinen ernsthaften Wein herstellen. Aber wenn ich nur drei Euro für eine Flasche ausgeben möchte oder kann, habe ich auch das Recht, dafür einen guten Wein zu bekommen. Es gibt keine Preis- oder Genussgrenze, die muss der Kunde für sich selbst festlegen. Das Spektrum ist riesig, von 99 Cent für ein Tetra-Pack im Supermarkt bis 4000 Euro für eine Flasche Chateau Petrus bei uns in der Schatzkammer. Es gibt gute Produkte für kleines Geld, man muss sich nur im Klaren sein, dass man einen mehr industriell hergestellten Wein bekommt.

Hilft es, wenn man mehr über Wein weiß, um ihn zu genießen?

Der alte Brecht hat mal gesagt: „Zerpflücke eine Rose und jedes Blatt ist schön.“ Ähnlich ist es auch beim Wein. Wenn ich mehr weiß über die Aromatik, aber auch über die Hintergründe, kann ich es auch besser genießen. Es ist aber keine Grundvoraussetzung. Wein ist kein Produkt, für das man eine Gebrauchsanleitung lesen muss.

Was haben Sie gedacht, als Sie den Weinkeller zum ersten Mal betreten haben?

Ich dachte: Die Beleuchtung muss neu gemacht werden. Das haben wir nach acht Jahren jetzt auch geschafft. Man ist am Anfang etwas erschlagen, wenn man den Raum betritt. Manche Leute kommen rein und sagen: „Hier bin ich falsch. Ich wollte doch nur einen einfachen Wein kaufen“.

Womit wir wieder beim Thema Schwellenangst wären...

Man darf sich nicht beschwatzen lassen. Es gibt viele Leute, die viel über Wein erzählen. Wenn man an etwas Spaß hat, soll man es trinken. Viele haben Angst sich zu blamieren, weil Wein ein gesellschaftliches Thema geworden ist. Aber die kann man umgehen, indem man sagt: „Ich habe keine Ahnung davon, aber der schmeckt mir.“ Man kann es beim Wein nicht allen recht machen. Das ist das Schöne. Wenn es allen gefällt, ist es ein langweiliges Produkt. Jedes Jahr gibt es Millionen neue Flaschen, da wird jeder etwas finden. Und wer nie etwas findet, der trinkt eben Kölsch.

Das könnte Sie auch interessieren:

Zur Person

Andreas Brensing ist Geschäftsführer des Kölner Weinkeller. Das Geschäft in einem 80 Jahre alten Gewölbekeller in der Stolberger Straße 92 in Braunsfeld ist ein Tochterunternehmen des Handelskonzerns Rewe. In 13 Metern Tiefe lagern im Weinkeller rund 200000 Flaschen.

Aufmerksamkeit bekommt der 50-Jährige, der Philosophie und Germanistik studiert hat, für die quartalsweise erscheinenden „Weinbreviere“ des Geschäfts. Darin platziert Brensing von ihm erstellte, aufwendig recherchierten Reportagen, Hintergrundberichte und Interviews neben Werbeangeboten.

Neue Veranstaltungsreihe

Für seine Kunden veranstaltet der Kölner Weinkeller in diesem Jahr erstmals eine „Wein-Triennale“ genannte Veranstaltungsreihe mit dem Thema „Frauensache Wein“. Seit Jahresbeginn finden unterschiedliche Veranstaltungen mit teilweise weltbekannten Winzerinnen in Köln statt. Abschluss bildet die Hausmesse am 20. Mai, an der rund 120 Weinbauer teilnehmen werden. Eintrittskarten (25 Euro) sind noch erhältlich.

KStA abonnieren