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Witwe des Photokina-Begründers in KölnZeitlebens die junge Frau Gruber

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Renate Gruber in ihrem Braunsfelder Haus

Renate Gruber in ihrem Braunsfelder Haus

Köln – Bevor sich die blau gestrichene Tür des Hauses Gruber öffnet, fällt der Blick unwillkürlich in den Spiegel, der außen neben dem Eingang angebracht ist. Hier mag auch Man Ray gestanden haben, so stellt man es sich vor, mit einem prüfenden Blick, ob die Krawatte noch sitzt. Oder Helmut Newton, Henri Cartier-Bresson, Chargesheimer und all die anderen berühmten Fotografen, die im Laufe der Jahrzehnte im Braunsfelder Haus von Renate und L. Fritz Gruber zu Gast waren.

Leo Fritz Gruber, 1908 in Köln geboren, war Mitinitiator der seit 1950 stattfindenden Photokina und der dazugehörigen Bilderschauen. Durch seine Kontakte zu Fotografen konnte das Ehepaar Gruber eine umfangreiche Sammlung aufbauen. Einen Teil kaufte das Museum Ludwig, ein Grundstock, den die Grubers durch Stiftungen auf rund 3000 Blatt aufgestockt haben.

Im Museum für Angewandte Kunst befindet sich die Hut-Sammlung Grubers, der wie seine Frau begeisterter Hutträger war. Im Historischen Archiv lagerte bis zum Einsturz das private Archiv, darunter 14000 Fotografien. Die Stadt hat Gruber mit dem L.-Fritz-Gruber-Platz im Schatten des Kolumba-Museums gewürdigt. (jac)

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Ein Besuch bei der Witwe des 2005 verstorbenen Kunstsammlers und Mitbegründers der Photokina ist immer auch eine Reise in die Geschichte der Fotografie. Beim Betreten des Salons fällt sofort die lange Reihe von Schwarz-Weiß-Fotografien auf, 24 Porträts von L. Fritz Gruber, vom Abiturfoto bis zu einer Aufnahme, die kurz vor seinem Tod entstanden sein muss: ein Leben in Bildern, das selbst ganz der Fotografie gewidmet war. Denn L. Fritz Gruber war es, der als Erfinder der Photokina-Bilderschauen Köln ab 1950 zu einem internationalen Zentrum der Fotografie machte.

In dieses Leben tauchte die junge Renate recht unerwartet mit 22 Jahren ein, als sie 1959 den fast 30 Jahre älteren Gruber heiratete. „Ich hatte bis dahin nichts mit Fotografie zu tun. Als eines von elf Kindern war ich meiner Mutter zur Hand gegangen und stand kurz davor, eine Berufsausbildung zu beginnen. Von meinem Mann habe ich dann alles gelernt“, sagt die 78-Jährige. Die Photokina 1958 ist die erste, die sie selbst miterlebt. Die Zusammenschau von modernster Kameratechnik und Fotokunst, wie sie die Kölner Photokina bietet, ist damals ganz neu. „Die riesigen Messehallen mit all den großformatigen Bildern, die Ansprache des Bundespräsidenten und dann der Photokina-Ball, die Damen alle in bodenlangen Abendkleidern. Das war schon sehr beeindruckend für mich.“

Fotografie hat mich unendlich bereichert

In den folgenden Jahrzehnten trifft sie in Begleitung ihres Mannes auf fast jeden, der im Bereich der Fotografie Rang und Namen hat. Sie besucht unzählige Ausstellungen, ist bei Arbeitsbesprechungen dabei und gewinnt so eine ganz eigene Innenansicht der Fotoszene. In diesen Jahren entsteht auch die fotografische Sammlung Gruber, die heute zum Bestand des Museum Ludwig gehört.

Eine besonders enge Freundschaft verbindet die Grubers mit dem Fotografen und Künstler Man Ray und seiner Frau Juliet. Mehrmals im Jahr fahren sie nach Paris und besuchen die Rays in ihrem Atelier. „Dort saßen wir dann und redeten und redeten und redeten. Man war ein ernsthafter Mann und sehr interessiert an Diskussionen über die Bedeutung der Avantgarde für Europa, deren Teil er ja war, und über alle Fragen der jungen Kunst. Juliet sagte nicht viel, sondern rauchte nur wie ein Teufel, und auch Man rauchte währenddessen Zigarre oder Pfeife.“ Mittags ging es dann zum Essen in ein kleines Restaurant einige hundert Meter entfernt, wo die Gespräche fortgeführt wurden. „Ich habe dieses Bild noch heute vor mir“, sagt Renate Gruber. „Die Mans waren beide sehr klein und zierlich, und mit ihren flinken Fingern pulten sie die Crevetten aus den Schalen. Das war wie ein Ballett.“

Für die Fotografen-Freunde ihres Mannes blieb Renate Gruber wegen des großen Altersunterschieds zeitlebens „die junge Frau Gruber“. Und das ist sie gewissermaßen auch heute noch, wie sie in ihrem Salon sitzt und erzählt, die immer noch schmale Gestalt in ein elegantes und beängstigend perfekt sitzendes Kostüm gekleidet und mit Augen, aus denen die Lebenslust strahlt.

Wir waren immer ein glückliches Paar

Gerade ist sie vom Fotofestival im südfranzösischen Arles zurückgekehrt, sie beantwortet noch immer täglich Post. Fragt man sie nach einem Fazit ihres Lebens, hebt sie zwei Dinge hervor: „Die Fotografie hat mich unendlich bereichert und mich mit sehr vielen, interessanten Menschen zusammengebracht.“ Und: „Wir waren immer ein glückliches Paar.“

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