Zweimal vergewaltigt?Opfer wollte vergessen, muss aber trotzdem vor Gericht aussagen

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(Symbolbild)

Köln – „Ich würde es nicht noch einmal machen“, sagte Sandra D. am Montag im Landgericht und meinte damit: nicht noch mal Anzeige gegen den Mann erstatten, der sich sexuell an ihr vergangen haben soll. Zwar wolle sie ihn bestraft sehen, antwortete sie auf die Frage der Staatsanwältin, doch im Zeugenstand über das Geschehen zu sprechen, das hätte sie sich lieber erspart. Deshalb hatte sie im Dezember 2013 ihre Strafanzeige zurückgezogen. Es half nichts: Die Staatsanwaltschaft musste von Amts wegen ermitteln, denn beim Verdacht auf ein schweres Delikt wie eine Vergewaltigung hat sie eine Aufklärungspflicht unabhängig davon, ob ein Strafantrag vorliegt.

Der Vorsitzende der 15. Großen Strafkammer hatte Sandra D. (26) vor ihrer Aussage angeboten, die Zahl der Anwesenden zu „verringern“, also die Öffentlichkeit auszuschließen, doch wie schicksalsergeben entgegnete sie, das sei nicht nötig. Und so schilderte die Zahnarzthelfern aus Frankfurt in aller Öffentlichkeit und notgedrungen bis in sämtliche Einzelheiten befragt, was in der Nacht zum 21. Dezember 2013 passiert sein soll.

Opfer ging nur widerstrebend zur Polizei

Zusammengefasst: Nach dem Besuch eines Restaurants und einer Diskothek kehrten Sandra D., der angeklagte Jacob K. (31, Namen geändert), der aus den Niederlanden zu Besuch war, und eine Bekannte in deren Wohnung in Köln zurück; alle waren betrunken. Sandra bereitete sich mit einer Decke ihr Nachtlager auf dem Boden der Küche. Neben ihr legte sich Jacob K. hin. Er begann sie zu küssen, und als sie merkte, dass er mehr wollte, wehrte sie sich. „I love you“, sagte er, sie wiederholte „No, no“, fing zu weinen an, und er bedrohte sie mit Küchenmessern: „I will kill you.“ Schließlich schaffte er es, ihr die Hose herunterzuziehen. Er machte so lange weiter, dass sein Übergriff als „besonders schwere Vergewaltigung“ angeklagt ist.

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Am Ende flüchtete sich Sandra D. auf die Toilette, anschließend ins Wohnzimmer zu der Bekannten, der sie in ihrer Verstörtheit zuerst nicht sagte, was vorgefallen war. Das geschah erst im Laufe des Tages. Eine gleichfalls eingeweihte Freundin der Bekannten drängte: „Du musst zur Polizei gehen.“ Sandra D. tat es widerstrebend; am nächsten Morgen aber zog sie die Anzeige zurück. So weit das Resümee ihrer Schilderung und der Anklageschrift.

Vor Gericht sprach Sandra D. über eine weitere mögliche Vergewaltigung

An manche, auch wichtige Details, die im Protokoll der polizeilichen Vernehmung auftauchen, konnte sich Sandra D., die nach jener Nacht ein paar Therapiestunden genommen hat, nicht mehr genau erinnern – nicht nur, weil das Geschehen Jahre zurück liegt, sondern auch, weil sie bemüht gewesen sei, „die Geschichte zu vergessen“.

So wie auch einen anderen Vorfall, der am Montag ebenfalls zur Sprache kam. Etwa eineinhalb Jahre vor dem Besuch in Köln sei sie in einer anderen Stadt Opfer sexueller Gewalt geworden: Nach einer durchzechten Nacht sei sie halb ausgezogen aufgewacht, vermutlich missbraucht von einem Mann, der ihr wahrscheinlich K.o.-Tropfen in den Sekt gemischt habe. Aus gleicher Scham habe sie damals von einer Anzeige abgesehen. Nun hat dieser Fall doch noch Folgen: Der Vorsitzende Richter belehrte Sandra D., die Staatsanwältin müsse deswegen Ermittlungen aufnehmen.

Abgesehen von den Personalangaben sagte Jacob K. kein Wort. Seine Verteidigerin kündigte an, am Mittwoch, dem nächsten Verhandlungstag, werde sie Beweisanträge stellen.

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