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„Hart aber fair“Nullzins lässt „kleine Leute“ bluten und belohnt Superreiche

Lesezeit 5 Minuten
  • „Zocker belohnen, Sparer bestrafen – Zinspolitik gegen die Bürger?“ lautete das Thema bei „Hart aber fair“ am Montagabend.
  • Frank Plasberg widmete sich dem Nullzins und seinen Folgen für Verbraucher.

Worum ging es?

Mario Draghi hat den Leitzins der EZB auf null Prozent gesenkt.Während sich Banken nun für „umsonst“ Geld bei der EZB leihen können und Zocker dicke Geschäfte machen können, gibt es für normale Verbraucher also keine Zinsen mehr aufs Ersparte. Lohnt sich das Sparen durch Anlegen also überhaupt noch? Sollte das Geld doch lieber statt aufs Konto unter die Matratze? Und wie geht man mit Bankberatern um, die Laien Risikoprodukte verkaufen – und dafür dicke Provisionen einstreichen? Frank Plasberg suchte am Montagabend nach Antworten.

Wer durfte mitreden?

Sahra Wagenknecht, Die Linke. Für Wagenknecht ist der Nullzins eine Art „Vermögenssteuer für die kleinen Leute“, die so statt der Superreichen für die Verfehlungen der Politik während der Finanzkrise bluten müssen. Sie fordert eine Stabilisierung der gesetzliche Rente, damit Verbraucher gar nicht erst darauf angewiesen sind, sich problematische Produkte von provisionsgetriebenen Beratern verkaufen zu lassen. Ein Eingreifen der Politik hält sie für unausweichlich – da sich die Banken nicht von selber regulieren würden.

Michael Kemmer, Vorstandsmitglied des Bundesverbands der deutschen Banken, verteidigte naturgemäß die Bankberater und nahm die Verbraucher mit in die Verantwortung. Die Risiken ihrer Anlagen stünden schwarz auf weiß geschrieben, da dürfe man schon davon ausgehen, dass sie aufgeklärt seien, so Kemmers patziger Ton. Ihnen reiche oft die potenzielle Rendite nicht aus, weshalb sie freiwillig ein höheres Risiko in Kauf nähmen. Er rät: Auf jeden Fall sparen, aber das Kapital weit streuen. Beispielsweise auf verschiedene Aktien, in die regelmäßig monatlich investiert wird - „wenn man das 20 Jahre macht, kann es eine gute Rendite geben.“

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Michael Opoczynski, langjähriger Verbraucherjournalist, knöpfte sich die Bankberater vor. Ganz bewusst werde in den Beratungsgesprächen Nebel erzeugt, das Gespräch über das Risiko der Produkte verwischt. „Und je risikoreicher ein Produkt, desto höher die Provision“, so der langjährige Wiso-Moderator. Für ihn ist Sparen heute keine Option.

Ralph Brinkhaus, stellvertretender Vorsitzender der CDU. Er hält es – anders als andere Diskussionsteilnehmer – für verantwortungslos, Verbrauchern vom Sparen bzw. Anlegen abzuraten. „Wenn die Zinsen wieder höher werden, können sie nicht mehr partizipieren.“ Er wünscht sich die Lösung des „mündigen Verbrauchers“, der von Staat und Banken so gut aufgeklärt wurde, dass er sich selber frei für seine Anlageoption entscheiden kann. Ohne Bevormundung per Gesetz. Um nicht in die Falle zu tappen, rät er Anlegern, sich vorher umfassend zu informieren – und bloß nicht alles auf eine Karte zu setzen.

Rainer Voss war selber 20 Jahre lang Investmentbanker. Geläutert konnte er beschreiben, wie es sich anfühlt, in den Rausch des Geldes zu geraten. Ab seinem ersten Tag im Beruf wurde er besser bezahlt als sein Vater am Ende seiner Karriere als Heizungsingenieur. Nie habe er gefühlt, dieses Geld wirklich verdient zu haben. Für ihn ist das Ganze nicht politisch zu lösen: „Wir haben kein systemisches Problem, sondern ein gesellschaftliches“. Die Entstehung einer kapitalistischen Parallelgesellschaft hätte gar nicht erst nicht erlaubt werden dürfen.

Wer hat überrascht? 

Jemand, der gar nicht mit in der Runde stand – Klaus Nieding, Anwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. Er vertritt Anleihegläubiger, die ihr Geld in Pleite-Unternehmen wie beispielsweise „German Pellets“ investiert haben – wegen markigen Werbesprüchen und verlockenden Zinssätzen von bis zu acht Prozent, denen viele nicht widerstehen können. Eine Chance auf ihr Geld haben die Gläubiger bei der Pleite eines solchen Unternehmens kaum, so Nieding. Hart in die Kritik nahm der Anwalt die Banken, die in Fällen wie diesen oft beteiligt sind: Die Bank gewährt den Unternehmen keine Kredite, weil die Kriterien nicht stimmen. Übernimmt aber dann für die Unternehmen die „Emissionsführung“, hilft also dabei, Anleihen zu basteln. Das Risiko wird von der Bank also an den Verbraucher weitergegeben, der dem Unternehmen durch die Anleihe nichts anderes als ein Darlehen gibt. Klar und verständlich brachte Nieding das superkomplexe Thema der sogenannten Mittelstandsanleihen – und die damit verbundenen Risiken - auf den Punkt. Sein Fazit: Immer erst die Bonität eines Unternehmens durchschauen, bevor man sich für die Anleihe entscheidet. Doch auch Ralph Brinkhaus, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU überraschte noch zum Ende der Sendung: Er lehnte sich höchstselbst gegen die Pläne von Finanzminister Wolfgang Schäuble auf, eine Obergrenze von 5000 Euro für Bargeldzahlungen einzuführen, bei denen die Diskussion inzwischen angekommen war. „An der Stelle liegen wir auseinander.“

Was tun mit dem Ersparten?

Eine glasklare Antwort gab es auch von den Finanzexperten am Montagabend nicht. Vor allem, was Geld betrifft, das einfach nur auf dem Konto schlummert. Durch fundierte Beiträge wie die der Volkswirtin Wagenknecht und des erfahrenen Verbraucherjournalisten Opoczynski kam aber dennoch ein wenig Licht ins Dunkel, zumindest was das Anlegen betrifft. Worin sich im Prinzip alle einig waren: Naivität ist hierbei gefährlich. Wer anlegt, muss informiert sein. Zeugen zum Vertragsabschluss mitnehmen. Unterschiedliche Angebote einholen. Das Kleingedruckte lesen. Im Falle von Anleihen die Bonität des Unternehmens ganz genau unter die Lupe nehmen. Dann ist das Risiko einigermaßen eingegrenzt.

Zitat des Abends

Das stammte vom durchgehend entspannten und recht souveränen Moderator Frank Plasberg – im Einzelgespräch mit Fachanwalt Klaus Nieding. Wer wohl drauf reinfällt, wenn ein Unternehmen wie „German Pellets“ mit horrenden Zinsen lockt und um das Geld der Anleger buhlt, fragte sich Plasberg: „Das sind doch keine Trollos?“ Nein, so das Fazit des Anwalts. „Menschen wie du und ich, das kann auch ein Universitätsprofessor sein.“ Es kann uns also alle treffen.

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