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„Maischberger“-Talk zu ErnährungRenate Künast wettert über die Zucker-Industrie

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Christoph Minhoff diskutiert mit Renate Künast.

Es gibt viele Themen, die den Blutdruck der Deutschen momentan in die Höhe jagen. Diesen Mittwochabend ging es bei Sandra Maischberger aber nicht um Außenpolitik oder Medienrecht - "ein Stückchen Würfelzucker" und ob es süchtig macht war die Frage des Abends.

Die Gäste

Renate Künast, ehemalige Verbraucherschutzministerin, die Folgen von übermäßigem Zuckerkonsum sieht die Politikerin in der Bevölkerung als unterschätzt. Es ist Zeit, dass die Menschen erfahren, dass Zucker für ihre Gesundheit schädlich sein kann.

Susanne Holst, Tagesschau-Moderatorin und Ärztin, sagt, dass der Körper Zucker braucht, er derzeit aber zu viel konsumiert wird. Rechtliche Maßnahmen für die Industrie sieht sie jedoch kritisch und stellt die Frage nach der Verantwortung für die Gesundheit des Einzelnen.

Katja Burkard, Fernseh-Moderatorin, bezeichnet sich selbst als zuckersüchtig und hat daher einen Zucker-"Entzug" gemacht. Sie sieht die Schwierigkeit des Zuckerverzichts vor allem im "versteckten Zucker".

Matthias Steiner, Olympia-Sieger, ist Diabetiker und entrüstet sich über die Tatsache, in wie vielen Lebensmitteln Zucker steckt, in denen er Zucker als unnötig erachtet. Auch die Masse an Zucker in Lebensmitteln ist für ihn fragwürdig.

Christoph Minnhoff, Sprecher der Lebensmittelindustrie, will den Fokus auf ein anderes Thema lenken. Für ihn ist gesunde Ernährung ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren. Zucker sei nur einer davon, wichtig sei, dass die Menschen zum Beispiel auch genügend Sport machten.

Armin Valet, Verbraucherschützer, sieht die Kennzeichnung von Zucker auf Produkten als großen Teil des Problems des übermäßigen Zuckerkonsums. Er meint, der Verbraucher könne anhand der Beschreibungen gar nicht wissen, wie viel Zucker in den Produkten wirklich steckt.

Uwe Knop, Ernährungswissenschaftler, nennt die Unterscheidung von gesunden und gesunden Lebensmitteln sinnlos. Studien zufolge könne kein kausaler Zusammenhang zwischen Zucker und Krankheiten nachgewiesen werden.

Die Sendung

„Wissen Sie, wie viel Zucker Sie täglich zu sich nehmen?" Mit dieser Frage startete Sandra Maischberger die Diskussionsrunde zum Thema "Die süße Droge Zucker". Der Großteil der Durchschnittsdeutschen von der Straße unterschätzte den Wert von 31 Zuckerwürfeln am Tag. Das Problem dabei sei vor allem der versteckte Zucker in Lebensmitteln, in denen man es eigentlich gar nicht erwarten würde, sind sich Katja Burkard, Susanne Holst und Matthias Steiner einig. Wer würde schon 52 Gramm Zucker in 400 Gramm Krautsalat vermuten?

Christoph Minhoff wurde es nicht müde, immer wieder darauf zu verweisen, dass der hohe Zuckerkonsum, aber gar nicht das Problem sei, sondern die "Gesamtenergiebilanz". Nicht der Zucker sei verantwortlich für Übergewicht und Diabetes, sondern die dazu mangelnde Bewegung der Deutschen. Uwe Knop pflichtete ihm bei: Bei Karies zum Beispiel sei auch nicht der Zucker Schuld, sondern unzureichende Mundhygiene. Durchaus ein nachvollziehbares Argument, aber keine Antwort auf die Frage, ob Zucker das Potential hat, krank zu machen, wie Maischberger feststellte. Auf eine klare Antwort musste sie trotz wiederholten Nachfragens vergeblich warten.

Studien liefern keinen Beweis für Schadhaftigkeit

Knop stellte weiterhin immer wieder klar, dass alle Studien der letzten zehn Jahre zu dem Thema, mit denen allen er sich ausgiebig beschäftigt habe, kein Beweis für die Schadhaftigkeit von Zucker böten. In einem Nebensatz stellte er mal eben, wie auch Minhoff nur einige Sätze zuvor, die Integrität der Weltgesundheitsorganisation infrage, deren Studie Maischberger zu Beginn zitiert hatte. Deren Studien würde ständig neue lächerliche Ergebnisse wie den Vergleich von Fleisch mit Plutonium hervorbringen, und es klingt fast so, als würde er die Organisation in ihren Aussagen nicht ernst nehmen.

Für Ärztin Holst ist das ganze aber auch ohne Studie schnell erklärt: "Je mehr Zucker ich esse, desto mehr muss meine Bauchspeicheldrüse arbeiten. Wenn sie jahrelang durch zu hohen Zuckerkonsum überstrapaziert würde, hat das Folgen."

Renate Künast ist es dann, die in einem energischen Plädoyer ganz klar auf den Punkt bringt, was für alle Beteiligten das eigentliche Problem zu sein scheint: die Werbung. Immerhin 700 Millionen Euro investiere die Industrie in die Werbung für Süßigkeiten, informierte Maischberger. In einem kleinen Experiment im Studio zeigte sie offensichtlich voreingenommen mit Armin Valet, dass die Lebensmittelindustrie auf den Produkten und in Werbekampagnen bewusst und geschickt irreführende "Tatsachen" präsentiere. Denn wo auf vielen Produkten "weniger Zucker" steht, sei das Produkt mit Zuckern gesüßt, die nicht den standardmäßigen Süßungsmitteln entsprächen, erklärte Valet. Deshalb müssten sie nicht in den Nährwerttabellen als Zucker eingerechnet werden.

Dem widersprach Minhoff, aber für den Zuschauer auf sehr undurchsichtige Weise. Die Produzenten hielten sich angeblich an die Rechtslage, die jedoch sei ganz anders als Minhoff er vorgebe, wetterte Valet. Welcher Studie und welchem Talkshow-Gast nun letzten Endes Glauben geschenkt werden könne, war für einen neutralen Zuschauer fast unmöglich zu verfolgen.

Verantwortung der Eltern

Entrüstet waren alle gleichermaßen über die Tatsache, dass auch vor Kindern nicht Halt gemacht werde: "Sie versprechen Kindern, dass sie wie Tiger wären, wenn sie diese Frosties essen!" Künast ist erbost und Minhoff fühlt sich wie die ganze Sendung schon nicht verantwortlich. Es läge in der Verantwortung der Eltern und eines jeden Verbrauchers, sich für einen gesunden Lebensstil zu entscheiden. Die Lebensmittelindustrie trage dafür nicht die Verantwortung, sondern produziere eben nur das, wonach der Kunde verlangt.

In dieser Verantwortung steht Matthias Steiner als Diabetiker in besonderer Weise. Auf die Frage, welche Tipps man beim Zuckerkonsum beachten solle, antwortet er: "Wichtig ist, dass man Spaß hat und sich nicht verrückt macht." Man solle stets auf zuckerarme Alternativen eines Produktes zurückgreifen, aber ein saftiges Steak nicht verschmähen. Und so beendete Maischberger die von vorne herein Anti-Zucker-Talkrunde mit dem Aufruf zum eigenverantwortlichen Zuckerkonsum.

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