Festnahme in HerneDarum verpixeln viele Medien jetzt das Gesicht von Marcel H.

Lesezeit 3 Minuten
b_Hesse_Herne_100317

Ein Fahndungsplakat des mutmaßlichen Kindermörders Marcel H.

Köln – Marcel H. ist gefasst. Nach seiner Festnahme wird der mutmaßliche Kindsmörder von Herne von vielen Medien nur noch verpixelt dargestellt. Und das obwohl mit seinem Foto tagelang öffentlich gefahndet wurde. Sein Gesicht ist deutschlandweit bekannt, auch sein vollständiger Name wurde bereits genannt. Seit der Festnahme aber wird das Foto des 19-Jährigen von vielen Medien gepixelt. Nun stellen sich viele Menschen die Frage: Warum?

Der Grund dafür ist festgelegt in Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Im Artikel zur Meinungs- und Pressefreiheit ist klar festgehalten, welche Rechte Medien bei der Fahndung nach (mutmaßlichen) Straftätern haben – vor allem in Bezug auf deren Persönlichkeitsrechte. Schließlich ist eine identifizierende Bildberichterstattung über Straftäter keineswegs immer zulässig.

Recht der Öffentlichkeit auf Information

Grundsätzlich handelt es sich bei der Verhaftung einer Person um ein zeitgeschichtliches Ereignis. Wie das Bundesverfassungsgericht 1973, in seiner Entscheidung zum Soldatenmord von Lebach 1969, erkannt hat, gehören Straftaten und die damit verbundenen Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung sich als Aufgabe der Medien darstellt.

Die Öffentlichkeit hatte somit zum Zeitpunkt der Fahndung nach Marcel H. ein berechtigtes Interesse an der Thematik. Das Bild des Flüchtigen, und später sogar der vollständige Name, wurde im Fall von Marcel H. unmittelbar nach der Tat von der Polizei veröffentlicht. Die Behörden hatten sich von Beginn an für eine öffentliche Fahndung entschieden, die mit der Festnahme am Donnerstagabend aber beendet war.

Unkenntlichmachung ist (eigentlich) erforderlich

Weil es sich bei dem Straftäter nicht um eine Person öffentlichen Lebens handelt, ist das Informationsinteresse der Öffentlichkeit nun auch durch anonymisierte Darstellung sichergestellt. In diesem Fall ist, laut Gesetz, eine Unkenntlichmachung, zwingend erforderlich, weil das Recht am eigenen Foto Vorrang hat. Soll heißen: Das Foto einer Person darf nicht ohne Genehmigung verbreitet werden – auch nicht bei mutmaßlichen Straftätern.

Das deutsche Gesetz erlaubt aber Spielraum bei der Interpretation der Persönlichkeitsrechte. Obwohl es sich bei Marcel H. nicht um eine Person des öffentlichen Lebens handelt, könnte der mutmaßliche Täter als Person der Zeitgeschichte eingestuft werden – dann müsste man sein Foto nicht verpixeln. Es muss eine Abwägung getroffen werden zwischen dem Persönlichkeitsrechts des mutmaßlichen Täters und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit.

Fall Anis Amri als Gegenbeispiel

Diese Abwägung, und auch die Tatsache, dass Marcel H. eine Familie hat, sorgt letztlich dafür, dass sich zahlreiche Medien, darunter auch der „Kölner Stadt-Anzeiger" dafür entschieden haben, das Bild von Marcel H. nach dessen Festnahme zu verpixeln. Schließlich handelt es sich bei den Morden in Herne zwar um eine deutschlandweit relevante Angelegenheit, aber nicht um eine Katastrophe nationalen Ausmaßes. Der Fall in Herne ist kein Ereignis der Zeitgeschichte.

Anders als beispielsweise der Fall Anis Amri. Bei dem Attentat auf dem Berliner Weihnachtsmarkt am 20. Dezember 2016 handelte es sich, auch aufgrund des politischen Ausmaßes, zweifellos um ein zeitgeschichtliches Ereignis. Attentäter Amri, der inzwischen tot ist, ist damit eine Person der Zeitgeschichte. In diesem Fall überwiegt das Interesse der Öffentlichkeit den Persönlichkeitsrechten des Täters – anders als im Fall Marcel H.

KStA abonnieren