Abo

Waffensammler aus DürenZu Besuch beim Herrn der Panzer und Raketen

Lesezeit 6 Minuten
Thomas Roeb auf dem Gelände seiner Sammlung, links ein gepanzerter Truppentransporter M 113, rechts eine Nike-Hercules-Boden-Luft-Rakete zur Abwehr hochfliegender Ziele

Thomas Roeb auf dem Gelände seiner Sammlung, links ein gepanzerter Truppentransporter M 113, rechts eine Nike-Hercules-Boden-Luft-Rakete zur Abwehr hochfliegender Ziele

  • Mitten im Industriegebiet von Düren unterhält Thomas Roeb (54) einen ganzen Park mit Militärgerät, im Bereich Artillerie ist es die größte private Sammlung Europas.
  • Die Frage, die sich angesichts all dieser – unbrauchbar gemachten – Waffensysteme ergibt, ist einfach: Warum sammelt einer so was?

Wenn die Sonne untergeht hier im Norden von Düren, dann leuchten im ganzen Gebiet die Wände der Gewerbehallen und Hochlager beinahe golden. Mittendrin liegt das Gelände von Thomas Roeb, da funkelt nichts. Dicht gedrängt stehen hier Panzer, Raketen und Geschütze, alles im militärischen Lack, da soll auch nichts glitzern.

„Das ist eine Acht-Acht“, erklärt Roeb ein paar Besuchern, „eine deutsche Flugabwehrkanone oder Flak – vielleicht das berühmteste Geschütz des 2. Weltkriegs.“ Und damit der Junge das alles nicht für ein großes Abenteuer hält, fragt Roeb: „Wie alt bist du?“ „Elf.“ „Das waren Jungs wie Du“, erzählt er dann, „drei, vielleicht vier Jahre älter, die wurden gegen Kriegsende an diese Kanonen gesetzt. Eigentlich als Flakhelfer, aber in Wahrheit waren sie die Besatzung, es waren ja kaum noch Erwachsene da. Sie haben selbst auf die Flugzeuge geschossen und wurden selbst angegriffen – ein Volltreffer, zehn tote Kinder.“ Der Junge nickt. Das hat er verstanden, das ist kein Spielzeug hier.

Mitten im Industriegebiet unterhält Thomas Roeb (54) einen ganzen Park mit Militärgerät, im Bereich Artillerie ist es die größte private Sammlung Europas. Die Frage, die sich angesichts all dieser – unbrauchbar gemachten – Waffensysteme ergibt, ist einfach: Warum? Warum sammelt einer so was?

Eine kurze Antwort hat Roeb darauf auch nicht. Na gut, „für Waffen und Militär interessiere ich mich seit Kindesbeinen“, das schon. „Dabei hatte ich gar keinen Bezug dazu – mein Vater gehört zur sogenannten weißen Generation an, meine Mutter hat Bruder und Vater im Krieg verloren. Da ist kein verklärendes Bild vermittelt worden.“

Aber schon im Karneval, erzählt er, verkleidete er sich nicht als Cowboy, sondern als Soldat der 7. Kavallerie und mit zunehmendem Alter konzentrierte sich das Interesse auf den 2. Weltkrieg – und die dort eingesetzten Waffensysteme. „Ich habe früh gemerkt, dass mich nicht so sehr die Waffe als Waffe interessiert“, sagt er, „sondern die Waffe als Zeuge einer faszinierenden historischen Epoche.“

„Ich wollte sammeln“

Eine kleine maßstabsgetreue Armee mit Hunderten Flugzeugen, Panzern und sonstigen Fahrzeugen sowie tausenden Soldaten der unterschiedlichsten Epochen und Einheiten entstand. Mit 14 Jahren wechselte er dann das Niveau und begann, originale Gewehre zu kaufen – nicht etwa zum Spielen, sondern: „Ich wollte sammeln.“

Aber erstmal wurden die Gewehre eingelagert; Roeb studierte, promovierte, wurde Professor und schließlich ein bekannter Wirtschaftsexperte und Unternehmensberater. „Mit Anfang 40“, erzählt er heute, „hat es mich wieder gepackt“. Mit jetzt deutlich besserer wirtschaftlicher Ausstattung nahm er das Hobby wieder auf. „Ich hatte noch ein paar Ziele, etwa eine bestimmte Flak, die ich schon als Teenager haben wollte.“

Die Suche war zunächst vergeblich, führte aber zu vielen Kontakten und Angeboten. „So kam ich 2007 dann doch zu meiner ersten Flak“ – jener Acht-Acht, die der elfjährige Besucher so schnell nicht vergessen wird. Das zentrale Thema für Roebs Sammlung hatte sich herauskristallisiert: deutsche Artillerie, 20. Jahrhundert.

Roeb rettete mehrere Panzer vor der Verschrottung

Aus Sammler-Perspektive etwas spät: Die skandinavischen und osteuropäischen Depots, in denen von der Wehrmacht erbeutete oder gelieferte Waffen die Jahrzehnte überdauert hatten, waren bereits aufgelöst, die Zeit der guten Gelegenheiten vorbei. Da bot ein Händler Roeb einen demilitarisierten Bundeswehr-Panzer Typ „Marder“ an. Dieser Panzer und einige andere Baumuster aus den 70er Jahren wurden etwa ab dem Jahr 2000 ausgemustert und verschrottet.

Roeb erkannte, dass hier eine ganze Generation von Fahrzeugen, die über 30 Jahre hinweg die Endphase des Kalten Kriegs und die Zeit der Wiedervereinigung geprägt hatten, bis auf ein paar Exemplare in Museen zu verschwinden drohte. Er „rettete“ mehrere Panzer vor der Verschrottung und ließ sie in fahrbereiten Zustand restaurieren. Gleichzeitig erwarb er die Qualifikation, von der Bundeswehr zur Verschrottung vorgesehene ehemalige „Denkmal“-Fahrzeuge zu erstehen – unter der Bedingung, sie nicht fahrbereit zu machen. Damit hatte sich ein zweites Sammelfeld entwickelt.

„Ich sehe mich eher als Historiker“, sagt er und verweist auf seinen Magister-Abschluss in Geschichte, „die Waffen interessiert mich als Ausdruck der politisch-historischen Entwicklungen ihrer Zeit.“ Es sei doch erstaunlich, kommentiert er zwei eigentlich US-amerikanische Geschütze mit Bundeswehr-Kreuz, „dass die USA uns zehn Jahre nach dem Krieg wieder Waffen zur Verfügung stellen“. Wenn auch nicht die allerneuesten – „aber die bekamen die anderen Verbündeten auch nicht“.

Oder die schwere russische Flak ganz hinten in der Halle. Sie hat eine besonders bewegte Geschichte. Erstens verweist die große Ähnlichkeit mit der deutschen Acht-Acht auf den Vertrag von Rapallo von 1922, in dem Deutschland und die Sowjetunion – die ausgestoßenen Nationen nach dem 1. Weltkrieg – Zusammenarbeit eben auch im Militärbereich vereinbarten: Die Sowjetunion bot den Deutschen Testgelände für eigentlich verbotene Waffen, die Deutschen boten der Sowjetunion technisches Know-how. Zweitens erinnert das Geschütz auch an ein düsteres Kapitel russisch-deutscher Geschichte: Spuren dunkelgelber Tarnfarbe kennzeichnen die Waffe als deutsche Beute, vermutlich aus den katastrophalen Kesselschlachten der frühen Phase des Krieges. Drittens bezeugt die dominante finnische Tarnung die Lieferung der Kanone als Rüstungshilfe für das zeitweise mit Nazi-Deutschland verbündete Finnland.

„Das Gelände ist alarmgesichert“

„Waffensammler“, sagt Roeb, „unterscheidet man unter anderem nach dem eingesetzten Geld. Die meisten sammeln Handfeuerwaffen. Sammler von Großgeräten gibt es eher weniger“, erläutert er, „weil die Sammelobjekte teurer sind.“ Natürlich gibt es auch Besessene wie U., den Handwerker, von dem Roeb erzählt. Alles, was er hat, steckt er in sein Hobby, den Aufbau einer deutschen Halbketten-Zugmaschine. Aus ganz Europa sucht er sich die Einzelteile zusammen. Den Start machten ein stark beschädigter Rahmen und einige Laufrollen. Alles Übrige kam im Laufe der Jahre zusammen: Getriebe, Ketten, Armaturenbrett. Immerhin: „Die Kanone für die Ladefläche bekommt er von mir“, sagt Roeb. Sammler kennen sich, sie wissen, wer was hat und wer gerade was braucht.

Das könnte Sie auch interessieren:

Was kostet das alles? Roeb zögert einen Moment: „Das lässt sich sehr schwer sagen. Die einzelnen Geschütze sind meistens unter 10.000 Euro wert, fast nie über 20.000. Aber der Preis bildet sich über Angebot und Nachfrage. Wer jemanden kennt, der genau dieses Geschütz oder auch nur Geschützteil für seine Sammlung benötigt, kann dafür auch 50 Prozent mehr erzielen als ansonsten realistisch wäre.“

Angst vor Diebstahl hat er jedenfalls nicht: „Das Gelände ist alarmgesichert. Außerdem lässt sich mit Autodiebstahl viel schneller und einfacher Geld verdienen als mit einer alten Kanone. Man wird sie kaum los und es gibt so wenige davon– die lassen sich immer identifizieren.“

KStA abonnieren