AusstellungDie vergessene Vernichtungsstätte

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Stelen erinnern an die Opfer.

Stelen erinnern an die Opfer.

1164 Menschen aus Köln und der Umgebung verschleppte die SS mit dem Transport Da 219 am 20. Juli 1942 aus Köln nach Minsk. Keiner von ihnen kehrte zurück. Sie wurden in der Vernichtungsstätte Malyj Trostenez in einem Wald erschossen oder in umgebauten Lkw durch Gas getötet. Unter den Ermordeten waren auch Erich Klibansky, seine Frau Meta und die drei Söhne Hans-Raphael, Michael und Alexander. Klibansky hatte als Direktor des jüdischen Jawne-Gymnasiums in Köln 130 Schülern zur Ausreise mit Kindertransporten nach Großbritannien verholfen. Sich, seine Familie und rund 100 Schüler seines Gymnasiums konnte er nicht retten.

Seit 1990 heißt der Platz zwischen St.-Apern-Straße und Helenenstraße, der frühere Schulhof der Jawne, nach dem letzten Direktor Erich-Klibansky-Platz. Auch der Lern- und Gedenkort Jawne erinnert in Köln an die Schule. Der Ort, an dem Klibansky und die anderen Juden starben, ist jedoch hierzulande weitgehend unbekannt. Das soll nun eine Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum am Appellhofplatz ändern.

Am Ende eine Gedenkstätte

"Vernichtungsort Malyj Trostenez - Geschichte und Erinnerung" heißt die Schau, die aufmerksam macht auf die Verbrechen in dem nahe der Stadt Minsk gelegenen Ort, an dem zwischen 1942 und 1944 nach Schätzungen von Historikern 40 000 bis 60 000 Menschen - überwiegend Juden - ermordet wurden. Erarbeitet wurde sie vom Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk (IBB Dortmund), der Internationalen Bildungs- und Begegnungsstätte "Johannes Rau" Minsk und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Historiker aus Deutschland, Belarus, Österreich und Tschechien - den Ländern, aus denen die Deportierten stammten - haben zusammengearbeitet, um sie zu erstellen.

Für Peter Junge-Wentrup, Geschäftsführer des IBB Dortmund, ist das Ziel der Ausstellung neben der Information über den Vernichtungsort auch in schwierigen politischen Zeiten einen Verständigungsprozess zwischen den so unterschiedlichen Ländern zu ermöglichen. Das IBB hat deshalb Spenden, um - unterstützt vom Auswärtigen Amt, der Kriegsgräberfürsorge und der Essener Bethe-Stiftung - in Malyj Trostenez eine Gedenkstätte zu errichten. Im kommenden Jahr soll sie eröffnet werden. "Dieser Ort soll zum Bestandteil europäischer Erinnerungskultur werden", so Junge-Wentrup. Die Ausstellung ist deshalb als Wanderausstellung konzipiert und wird an insgesamt 24 Orten gezeigt. Parallel ist eine zweite Schau in Weißrussland zu sehen.

Die Leichen der Erschossenen wurden erst verscharrt und später ausgegraben und verbrannt, um die Verbrechen zu vertuschen. Auch an diesen Ort und an eine Scheune, in der Kriegsgefangene ermordet worden waren, wird die Gedenkstätte erinnern. "Die Gedenkkultur war sehr stark staatlich geprägt", sagt Werner Jung, Direktor des NS-Dok. Dass Weißrussland nun auch der Ermordeten aus anderen Ländern gedenken wird, sei ein wichtiges Signal.

An deren Schicksale erinnern in der Ausstellung einzelne Stelen. Es sind Opfer aus unterschiedlichen Ländern, Juden, Partisanen, Kriegsgefangene. Neben dem Schicksal von Erich Klibansky erfährt der Besucher auch die Geschichte von Helga Leiser. Sie wurde 1933 in Köln-Ehrenfeld geboren und wuchs in Kerpen auf. Ein hübsches Mädchen mit großen Augen schaut den Betrachter auf einem großen Foto forsch an. Auch sie und ihre Eltern fielen dem Vernichtungswahn der Nazis zum Opfer. Erst mussten sie ihr Haus verkaufen und in ein sogenanntes Ghettohaus ziehen, am 18. Juli 1942 erhielten sie den Bescheid, dass sie "evakuiert" werden sollten. Über den Bahnhof Deutz-Tief wurde die gesamte Familie mit dem Transport, in dem auch die jüdischen Schüler waren, nach Minsk verschleppt. Eine Postkarte, die die Mutter aus Warschau schrieb, war das letzte Lebenszeichen der Familie Leiser. Auch sie starben in Malyj Trostenez.

Informationen

Die Ausstellung "Vernichtungsort Malyj Trostenez" ist vom 19. Oktober bis 18. Februar im NS-Dokumentationszentrum, Appellhofplatz 23-25, zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10-18 Uhr, am Wochenende und an Feiertagen 11-18 Uhr. Es gibt ein umfangreiche Begleitprogramm. So wird am 8. 11. Kurt Marx, einer der Schüler, die Direktor Klibansky rettete, über seine Erlebnisse berichten.

www.nsdok.de

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