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Die Sterne in der Kölner KulturkircheEine verdammt relevante und tanzbare Band

Lesezeit 3 Minuten
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Frank Spilker scherzte, dass in der Kulturkirche der Karneval ausgebrochen ist.

Köln – Es könnte an dieser Stelle auf der Bühne genauso wie im Publikum ausfransen. Und in eine so feierfreudige wie ausgelassene Tanzerei münden. Tut es aber nicht. Frank Spilker, auch im Alter von 50 noch schlaksiger Beinahe-Zweimetermann, bewegt sich eher mit der Geschmeidigkeit einer Schrankwand, stoppt ab, legt dann eine Hand auf den Mikrofonständer und steht still.

Songtechnisch ist der Sänger, Texter und Gitarrist der Sterne dabei gerade in der Disko-Phase der Band angekommen, und „Deine Pläne stehen/ Du solltest meine sehen“ ist die Zeile, die Spilkers Gebaren wunderbar konterkariert.

Von wegen: Nun covert mal schön

Da ist zum einen das Gehetzte, Treibende und das ständige Funktionierenmüssen, mit denen einen westliche Gesellschaften permanent anschreien. Und da ist zum anderen das Innehalten des Musikers. Wie wunderbar, wie feingeistig und wie, jawohl: tröstlich.

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Ihren 25. Geburtstag feiern Die Sterne auf der aktuellen Tour, und aus Anlass des Firmenjubliäums haben sie mal tüchtig losgelassen und ihre Songs in einem launigen Wettbewerb an Wegbegleiter, befreundete Bands und den musikalischen Nachwuchs weitergeben. Von wegen: Nun covert mal schön. Locas In Love, die so kluge wie herzenswarme Kölner Band und annähernd eine Generation jünger als Die Sterne, ist mit „Anfang verpasst“ auf „Mach’s besser“ vertreten, dem Sampler zum Vierteljahrhundert.

Als Support verzichten sie schlauerweise darauf, ihr Cover ins Set einzubauen. Anbiedern ist nicht an diesem in so vielerlei Hinsicht großen Abend in der ausverkauften Kuklturkirche in Köln-Nippes; nicht bei der Vorband, und erst recht nicht bei den Jubilaren, die allesamt würdig gealtert sind und sich selbstverständlich anno 2017 im wie immer allerbesten Mannesalter präsentieren.

„Scheiß auf deutsche Texte“

Eine große Handvoll ihrer Trademark-Songs – „Scheiß auf deutsche Texte“, „Nach fest kommt lose“, „Die Interessanten“, „Aber andererseits“ – haben Die Sterne schon serviert, und sie bauen der schlauen Nörgelei dabei stets ein schlankes Denkmal. Jeder Satz ist in diesem Zusammenhang ein Gedanke, jede Zeile eine Säule, an die man sich anlehnen kann, ohne sich auch nur annähernd dort ausruhen zu können.

Die Verortung des Individuums in der globalisierten Welt, kleine Dramen, mittelgroße Psychosen und große gesellschaftliche Unrechtigkeiten bringen Die Sterne auch als Gestalter der eigenen Silberhochzeit zuverlässig aufs Themen-Tablett.

„Vielleicht auf die nächsten 25 Jahre“

Mit „Depressionen aus der Hölle“, einem Track, in der der Wille zur Ekstase so stilsicher eingewebt ist wie das Goldband in die Ado-Gardine (die Älteren werden sich an diese Werbung erinnern), feiern die Musiker die alte Idee der Disko als Zufluchts- und Sehnsuchtsort, in dem Alter, sexuelle Orientierung, Hautfarbe und nicht zuletzt sozialer Status keine Rolle spielen.

„Wohin zur Hölle/ mit den Depressionen/ Ich geh in die Disko/ Ich will da wohnen“, singt Frank Spilker, und dank des Bassspiels von Thomas Wenzel und der Schlagzeugarbeit von Christoph Leich haken sich (nicht nur) bei diesem Track Grips und Groove so beherzt wie dringlich ein. Der „Universal Tellerwäscher“ schließlich wird silbengenau und angemessen gerührt vom Publikum mitgesungen, und dass Die Sterne relevant wie eh und je sind, macht ihr wohl bekanntester Song noch einmal sehr hübsch deutlich.

In diesen in so vielerlei Hinsicht und auf so vielen Ebenen lausigen Zeiten gibt es eine Menge Leute, denen man akut diese Frage entgegenschleudern möchte, die ohne Fragezeichen auskommt: „Was hat dich bloß so ruiniert“. Als vorletzte Zugabe spielen Die Sterne „Fickt das System“, einen weiteren ihrer Trademark-Songs. Danach machen sie den Laden mit „Bis neun bist du O.K.“ zu, aber keinesfalls dicht. „Vielleicht auf die nächsten 25 Jahre“, hat Frank Spilker irgendwann zwischendurch gesagt, „wer weiß?“ Die Pläne der Musiker scheinen also zu stehen – sie müssten unsere sehen: Wir haben ganz sicher Zeit für Die Sterne, diese famose Lebensbegleiter-Band.

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