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Dirigenten-Desaster: Bayreuths Lücke im Graben

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Bayreuth – Der Musikdirektor der Bayreuther Festspiele, Christian Thielemann, hat den kurzfristig abgesprungenen Dirigenten Andris Nelsons zur Rückkehr auf den Grünen Hügel aufgefordert.

„Ich habe schon so viele Nachrichten an ihn geschickt, in der Hoffnung, ihn umzustimmen”, sagte Thielemann der „Süddeutschen Zeitung” (Samstag). „Wir sind alle traurig. (...) Und er würde jetzt mit offenen Armen empfangen werden, wenn er zurückkäme.”

Thielemann wandte sich gegen Berichte, wonach er sich übermäßig in die Arbeit von Nelsons eingemischt habe: „Es ist ein völliges Missverständnis, zu denken, der Thielemann sitzt jetzt da als Aufpasser oder er verhindert Kollegen.” Es habe keinerlei Streit gegeben - „nicht mit mir und auch mit niemandem sonst im Produktionsteam oder der Festivalleitung”.

Worüber sich Nelsons so geärgert habe, dass er das Handtuch warf, wisse er nicht, sagte Thielemann in dem „SZ”-Interview. „Womöglich spielen Dinge eine Rolle, von denen er nicht will, dass sie bekannt werden.” Thielemann schloss aus, dass er selber den Dirigenten Nelsons bei der „Parsifal”-Premiere zur Eröffnung der Festspiele am 25. Juli ersetzen werde: „Wer ernsthaft darüber nachdenken würde, dem müsste klar sein, dass mir das gar nicht zuzumuten wäre.”

Trotz der klaffenden Lücke im Dirigenten-Team zeigen sich die Bayreuther Festspiele bei der Suche nach einem Nachfolger zuversichtlich. „Wir finden schon einen”, sagte Festspiele-Sprecher Peter Emmerich am Freitag. Die Suche nach einem Ersatz laufe intensiv. Aber sie dürfte alles andere als einfach sein: Bis zur Premiere bleiben nur etwas mehr als drei Wochen.

Am Donnerstag war bekannt geworden, dass Nelsons und die Festspiele den gemeinsamen Vertrag beenden - auf Bitte des Dirigenten. Bemühungen der Festspielleitung, Nelsons zu halten, waren erfolglos geblieben.

„Parsifal”-Regisseur Uwe Eric Laufenberg, dessen Neuinszenierung die Festspiele eröffnen soll, wies unterdessen Spekulationen zurück, Nelsons habe Probleme mit den verstärkten Sicherheitsvorkehrungen am Festspielhaus gehabt. „Das habe ich nicht gesehen”, sagte Laufenberg der Deutschen Presse-Agentur. „Ich bedauere sehr, dass er gegangen ist, weil er ein großartiger Dirigent ist. Der „Parsifal” braucht Einfühlung.”

Auch Thielemann betonte in der „SZ”: „Ich halte diese Sicherheitsmaßnahmen für überzogen. (...) Aber für Nelsons' Rückzug kann das sicher nicht der Grund sein.”

Nelsons Management hatte eine vage Begründung geliefert für den Schritt: Unterschiedliche Auffassungen in verschiedenen Angelegenheiten hätten zu einer Atmosphäre geführt, die für alle Beteiligten nicht angenehm gewesen sei. Weitere Kommentare, darauf einigten sich Festspielleitung und Nelsons, sollten beide Seiten nicht abgeben.

Um die Formulierung habe das Management hart mit der Leitung gerungen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus dem engsten Kreis des Grünen Hügels. Man habe deutlich machen wollen, dass es um Differenzen mit der Leitung gegangen sei. In einer Mail an die Kollegen zum Abschied habe Nelsons ausdrücklich betont, dass seine Entscheidung nichts mit dem Team zu tun habe, das unmittelbar mit ihm am „Parsifal” arbeitete.

Vielmehr sei der musikalische Leiter Christian Thielemann mit ständiger Einmischung in Nelsons' Arbeit negativ aufgefallen, hieß es weiter. „Aber Nelsons hat sich nicht gewehrt, er ist konfliktscheu”, sagte der Bayreuth-Vertraute, der nicht namentlich genannt werden wollte. „Das führt dazu, dass man dann irgendwann die Reißleine zieht.” Über einen solchen Zwist hatten bereits mehrere Medien berichtet. (dpa)

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